Letzte Woche stand im „Weser-Kurier“ ein ausführlicher Artikel über die fünf neuen „Förderzentren“, die Arbeitslose mit einem Programm und individueller Begleitung gegen Stress und Frustration unterstützen sollen. Es gehe darum, arbeitslose Bremer(innen) zu „aktivieren“, sie aus der Isolation zu holen und sie dabei gut kennenzulernen, um ansetzen zu können, wo etwas verändert werden könne. Dort sollen genau jene langzeitarbeitslose Frauen und Männer über 25 Jahren unterstützt werden, die es bei der Arbeitssuche besonders schwer hätten. Dazu würden sie vom Jobcenter ans „Förderzentrum“ überwiesen und nähmen dort sechs bis neun Monate lang fünf Tage pro Woche Vollzeit an einem Programm teil.
Es solle sich nicht damit begnügt werden, Bewerbungsunterlagen zu optimieren, sondern gelte, die ganze Lebenssituation in den Blick zu nehmen, da es oft mehr an grundsätzlicher Stelle haken würde als am Layout des Lebenslaufes, wenn sich Menschen immer wieder vergeblich bewürben. Unter den Förderungswürdigen befänden sich viele, die bei einem Job oder einer Maßnahme die ersten drei Monate nicht überstünden und dann erneut arbeitslos seien. Die individuellen Ursachen dafür seien für die überlasteten Jobmitarbeiter oft nicht leicht zu durchschauen. Bei der Betreuung von 300 Erwerbslosen müssten sie oft „im Dunkeln tappen“ und wüssten oft nur, dass es bei jemandem „irgendwo klemmt“, nicht jedoch an welcher Stelle.
Alleinerziehend oder durch Familienarbeit lange aus dem Beruf heraus zu sein, Neurodermitis, Rückenschmerzen und andere überhaupt gesundheitliche Probleme seien solche Gründe. Dazu seien viele Teilnehmende von ihrer Situation derart gestresst, dass sie durch den Druck der Probleme und ihre Sorgen manchmal nicht mehr klar denken könnten. Auch psychische Erkrankungen wie durch Arbeitslosigkeit verstärkte oder ausgelöste Depressionen, Verschuldung oder Spielsucht spielten eine Rolle. Bei vielen sei auch das Selbstwertgefühl sehr gedrosselt. Woher das wohl kommt? Schließlich polarisieren die menschenverachtenden Hartz-Gesetze ihre Opfer in Resignierte, sich verschämt Verkriechende oder in Empörte, Wütende, die sich wehren und sich ihr Recht holen beziehungsweise was davon noch übrig ist.
Hier soll uns jedoch glauben gemacht werden, dass die vorherrschende positive Stimmung mit dem Ziel einer vertrauensvollen Atmosphäre im „Förderzentrum“ zu einem Austausch über alle Probleme verhülfe. Aber lässt sich denn mit solchen Menschen, die mir als Sanktion die Existenzgrundlage unter den Füßen wegziehen können, überhaupt eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen? Das erschein doch wohl eher nur wie ein trauriger Witz! Die Mitarbeitenden der „Förderzentren“ begleiteten die Teilnehmenden zum Vorstellungsgespräch, zum Arzt. Dazu sind Erwerbslose sicher nicht mehr in der Lage! So können die Treusorgenden alle Intimitäten, erhellend aus dem Dunkel führend, life aus erster Hand erfahren.
Sie machten „auch Hausbesuche, um bei den Leuten zu Hause zu schauen, was da eigentlich los ist,“ aber gar niemals nie und nimmer nicht etwa als drohende Kontrollinstanz, sondern nur um zu helfen. Mir stieß bei jeder Zeile, die ich las, immer mehr die in meinen Augen geradezu abartig verdrehte Schilderung der Situation von Erwerbslosen und der sich herzallerliebst entzückend selbstlos aufopfernd um die zu „Kunden“ euphemisierten Klienten rührend kümmernden Jobcenter auf. Ich selbst habe die Mitarbeiter(innen) der Jobcenter entweder selbst oder durch Erfahrungsberichte anderer meistens als – nett ausgedrückt – alles andere als hilfreich kennen gelernt, nämlich als bevormundend, behindernd, niedermachend, entwertend, die Unwahrheit erzählend. Ich habe gehört und erlebt, dass nicht Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft wurde, sondern der oder die Erwerbslose persönlich.
Ach Gottchen, die Mitarbeitenden tappen hier im Dunkeln? Wer macht denn die Erwerbslosen systematisch kaputt, setzt sie unter Druck, versucht sie in sinnlos Maßnahmen zu zwingen, erniedrigt sie beständig, so dass ihr Selbstwertgefühl erheblichen Schaden nehmen kann? Eine solche sinnlose Maßnahme, die meiner Meinung nach meist nur dazu dient, Erwerbslose zu schikanieren und sie für diese Zeit aus der Arbeitslosenstatistik streichen zu dürfen, musste ich glücklicherweise nie über mich ergehen lassen. Doch wurde mir eine Fülle persönlicher Erlebnisberichte zugetragen, die mich das Gruseln lehren können. Auch wurde mir berichtet, dass viele Erwerbslose, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren, in Maßnahmen gestopft wurden, an deren hehren Zielen sie sich gar nicht beteiligen konnten, sodass ermüdend sinnfrei Löcher in die Luft gestarrt wurden, damit die Zeit endlich vergehen möge.
Mich stört auch ganz erheblich, dass Erwerbslose ständig persönlich für ihre Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht werden, als gäbe es keine Massenerwerbslosigkeit und als seien bei den vielen Beschäftigten, die heute einen „Job“ ausfüllen, Menschen mit einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz gemeint, von dem es sich allein und mit Familie auskömmlich leben ließe. Wer dieses Programm überstanden hat, sechs bis neun Monate lang, fünf Tage pro Woche Vollzeit, für den hat natürlich in der Zwischenzeit auch niemand einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz schaffen können. Wer hat denn einen gigantischen Niedriglohnsektor in Deutschland eingeführt und ausgebaut, die Arbeitslosen selbst etwa?
Mehr als ein Praktikum, ein Minijob, ein ehrenamtliches Engagement sei nicht realistisch. Gerne wüsste ich auch, ob noch jemand anderes als die interne Trägerfirma profitieren kann, in der die Probanden mitarbeiten dürfen oder müssen. Auf gar keinen Fall hätte ich als Erwerbslose Menschen dieser Behörde in meine Wohnung kommen lassen, damit die „mal schauen können, was dort eigentlich los ist“. Auf solch „individuelle Begleitung“ hätte ich in Zeiten der Arbeitslosigkeit dankend verzichtet und mich mit Händen und Füßen gegen solche Übergriffigkeit, Schnüffelei, Verletzung meiner Privatsphäre gewehrt!
Ich hätte mir nicht die Schranktüren öffnen lassen, um nach vermeintlicher Männerwäsche suchen zu können oder die Buchrücken meiner Regale zu taxieren, und die Fahndung nach einer potentiellen zweiten Zahnbürste im Badezimmer unterbunden. Schon mal etwas von der Unverletzlichkeit der Wohnung gehört? Doch wer nur diesen Artikel im „Weser-Kurier“ liest und keine Erwerbslosen in der Familie oder dem Freundeskreis hat, die Tacheles erzählen könnten, wird annehmen, dass sich um Erwerbslose vonseiten des Arbeitsamtes gut gekümmert wird und für Kritik gar kein Anlass bestehe. Der Schein trügt so manches Mal.