457. Bremer Montagsdemo
am 27. 01. 2014  I◄◄  ►►I

 

Womit „Extremisten“ rechnen müssen

Elisabeth Graf1. Letzte Woche teilte die Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann in der Stadtbürgerschaft mit, dass die Woh­nungssuche für ALG-II-Be­zie­her erleichtert werden solle. Künftig könne sich bei der zuständigen Behörde ein schriftlicher Vorabbescheid abgeholt werden, aus dem die für angemessen erklärte Wohnungsgröße und die zu übernehmenden Kosten für Miete, Heizung plus Nebenkosten hervorgehen. Dieser Bescheid könne Vermietern dann vorgelegt werden.

Die sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Susanne Wendland, meinte dazu, dass die Betroffenen so mehr Handlungsfreiheit bei der Auswahl der Wohnung bekämen. In der Vergangenheit sei es leider häufiger passiert, dass jemand eine Wohnung nicht mieten konnte, weil erst auf die Erlaubnis der Behörde hätte gewartet werden müssen, die sich dann zu lange Zeit ließ – woraufhin die Wohnung natürlich weg war, bei dem leergefegten Markt. Oder das Jobcenter erstattete keine Umzugskosten, obwohl die die neue Wohnung im Rahmen der Miet­obergrenzen gelegen habe.

Ein längst überfälliger Schritt, der gut klingt und bundesweit so gehandhabt werden müsste! Warum musste dies neun Jahre dauern, wo doch die GEZ-Bescheinigung bereits nach „nur“ vier Jahren den Hartz-IV-Bescheiden beigefügt wurde? Allerdings bleibt bundesweit das dringende Problem der kaum vorhandenen bezahlbaren Wohnungen bestehen. Gerade in Universitätsstädten mit einem hohen Anteil finanziell armer Menschen grassiert eine immer heftigere Wohnungsnot!

 

2. Nicht etwa herzallerliebste Rechentricks, sondern die angeblich gute Wirtschaftslage soll zu einem leichten Rückgang der Zahl von Hartz-IV-Beziehern geführt haben. Die „gute Konjunktur“, der „gute Arbeitsmarkt“ werden bejubelt, weil so viele arbeitsuchende Fachkräfte untergekommen seien. Der Geschäftsführer des Haller Jobcenters, Roland Rößler, stellte fest, dies führe allerdings auch dazu, dass das Jobcenter weniger Geld vom Bund bekommt, weswegen für das Jahr 2013 fast 900.000 Euro weniger als 2012 für Fördermaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten. Der Landkreis habe eine Arbeitslosenquote von unter drei Prozent, also „nahezu Vollbeschäftigung“.

Der Arbeitsmarktexperte erklärte, es sei jedoch schwieriger, Personen ohne Ausbildung zu vermitteln oder Erwerbslose, die alleinerziehend seien, Schulden hätten oder unter einer Sucht litten. Hier sehe das Jobcenter seine Arbeitsschwerpunkte und versuche, mehr Arbeitgeber für Teilzeitausbildungen für Alleinerziehende zu gewinnen und in der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt die Kinderbetreuung in den „Randzeiten“ zu verbessern. Bei geeigneten Personen würden Weiterbildung und Umschulung übernommen. Manchen Arbeitslosen weise das Jobcenter zunächst sogenannte Ein-Euro-Jobs zu, „um ihnen Grundlagen wie Pünktlichkeit und Verlässlichkeit nahezubringen.“

Eine unverschämte Diskriminierung und Ausbeutung ist dies in meinen Augen! Um mit „schwieriger Klientel“ in Kontakt zu kommen, erprobt das Jobcenter in Kooperation mit dem Landkreis einen „neuen“ Weg: Eine Mitarbeiterin sucht die Menschen zu Hause auf, nachdem sie zum Beispiel nicht zum vereinbarten Termin ins Jobcenter gekommen seien. Dieses „Angebot“ komme sehr gut an. Meine „Hetz-Antennen“ schlagen bei entmündigender Verfolgungsbetreuung Alarm, wenn ich lese: „Bei einem zunehmend problematischen Kundenstamm und gleichzeitig guter Konjunktur bedarf es eines solchen Instruments“.

Trotz aller Drohgebärden muss niemand die Leute vom Jobcenter in seine Pri­vatwohnung einlassen, die einfach so hereinschneien wollen. Dafür müssen schon wichtige Gründe vorliegen, die anders nicht zu klären sind. Mir stellt sich auch die Frage, wer denn diese Mitarbeiter sind, über welche Qualifikation sie verfügen, und bei wem sie angestellt sind. Gerade bei so sensiblen Themen wie Schulden, Sucht, Behinderung gebieten Datenschutzgesetz und SGB deutlich, dass dies alles auf freiwilliger Basis zu geschehen hat! Sollte nicht besser von hausgemachten Problemfällen gesprochen werden?

Als ob es an den arbeitsuchenden Menschen liegen würde, dass sie keinen Job abbekommen! Wir haben zu wenige Arbeitsplätze. Die menschenverachtenden, ausbeuterischen Ein-Euro-Jobs vermitteln fast niemanden in echte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen und bringen schon gar nicht Grundlagen wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bei, über die ohnehin so gut wie jede(r) verfügt. Dass ausgerechnet die Opfer der Auswirkungen von Rationalisierung, sowie Globalisierung in allen Medien zu Versagern und Schuldigen abgestempelt werden, ist zusammen mit dem grundgesetzwidrig ausgeübten Sanktionsdruck ein himmelschreiendes Unrecht!

 

3. Die Münchnerin Evelyn S. (62) war seit mehr als 40 Jahren Kundin bei der Commerzbank, als das Geldinstitut am 8. Januar 2014 ihr Konto kündigte, weil sie sich weigerte, ihrem Sohn Kerem (27) die Vollmacht zu entziehen. Nein, Kerem S. wurde nicht vorgeworfen, dass er problematische Summen abgehoben hätte. Vielmehr seien der Bank „Erkenntnisse“ mitgeteilt worden, die eine Geschäftsbeziehung mit ihm unmöglich machten. Die Gründe kämen aus einer internen Abteilung und dürften ihr nicht mitgeteilt werden. Für Kerem S. liegt auf der Hand, dass damit seine politischen Aktivitäten als fortschrittlicher Mensch gemeint seien.

Der Student der Kommunikationswissenschaften erklärte, er sei nicht nur gewähltes Mitglied seiner Fachschaftsvertretung, sondern auch Kreissprecher der Deutschen Kommunistischen Partei, und argumentiere für die Vergesellschaftung von Banken. Obwohl er die besagte Vollmacht nie genutzt habe, werde seine Mutter dafür in Sippenhaftung genommen. Vermutlich habe der Verfassungsschutz die Finger im Spiel. Bei einer Nachfrage beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz wurde Kerem S. als Persönlichkeit, bezeichnet, die „sehr offensiv als Linksextremist in Erscheinung“ trete und deshalb auch schon mal im Verfassungsschutzbericht erwähnt worden sei. Vielleicht sei jemand in der Bank „zufällig darüber gestolpert“. Damit müsse ein „Extremist“ rechnen.

 

4. Ich finde es großartig, dass die Bremer Straßenbahn AG Obdachlosen wieder eine kostenlose Mitfahrt anbietet. Ab sofort und zunächst bis Ende Februar dürfen sich Obdachlose bei weiter anhaltender Kälte in Bahnen und Bussen während der Fahrt aufwärmen und auch ihre Hunde angeleint mitnehmen. In den vergangenen Jahren hätten rund 100 Personen in den Fahrzeugen Zuflucht vor der Winterkälte gesucht. Die Fahrgäste seien von dieser Idee sehr angetan gewesen. Die BSAG bittet alle Bremer darum, frierende, wohnungslose Menschen auf diese Möglichkeit in unserer Stadt hinzuweisen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 

 

Wo bleibt der fahrscheinlose
Nahverkehr für alle?

1. Sie hört sich ja immer gut an, diese Menschenfreundlichkeit gegenüber einer noch großen Minderheit, und ist wohl auch zu begrüßen. Aber wäre es nicht sinnvoller, generell einen fahrscheinlosen öffentlichen Personennahverkehr für alle Bremerinnen und Bremer einzuführen?

Nimmt man die Umsatzzahlen von 2012 und geht davon aus, dass hiermit mindestens alle Betriebskosten gedeckt werden können, dann käme für jeden Einwohner Bremens ein monatlicher Betrag von zwölf Euro heraus. Würden allerdings auch Renditen vom Umsatz ausgewiesen, wäre der monatliche Durchschnittsbetrag noch niedriger.

Da sollte sich der Bremer Senat doch wirklich mal die Frage stellen beziehungsweise eine Prüfung einleiten, ob dann nicht zumindest für alle erwachsenen Transferempfänger der Freien Hansestadt ein Monatsticket für zwölf Euro verkauft werden könnte! Bei den Kindern sollte man dann mit Sicherheit gleich eine totale Befreiung einführen. Man könnte vieles wesentlich besser machen, aber in Bremen scheinen sich die Politikerinnen und Politiker lieber auf das Kleckern zu beschränken, als auf das Klotzen zu setzen.

Natur und Umwelt sind vielleicht nicht so „das Ding“ von Sozialdemokraten und Grünen. Deshalb bleiben sie wohl lieber bei Alibihilfen für den ganz kleinen Kreis, und das wären hier dann eben die Wohnungslosen. Ich wünsche allen Bremerinnen und Bremern zukünftig in ihrer Stadt freie Fahrt und einen umweltfreundlicheren Senat!

 

Hans-Dieter Wege2. An das Jobcenter Oldenburg! Hallo Herr Trautmann, ich habe mich derzeit noch mal mit den Kosten für Gas und Wärme beschäftigt, und zwar im Vergleich der günstigsten Anbieter, bei denen keine Vorauszahlungen verlangt werden. Ich habe dabei die unterschiedlichsten Haushaltskonstellationen bezüglich Anzahl der Familienmitglieder und Wohnflächen verglichen. Ganz grob kann man sagen, dass man beim günstigsten Anbieter für Gas/Wärmelieferung pro Person und Jahr im Moment mindestens 200 Euro gegenüber dem Grundversorger EWE sparen würde.

Nun sind mir die neuesten Zahlen der Jobcenterkunden aus den Bedarfsgemeinschaften nicht bekannt, doch kann man wohl von einer ziemlich großen Zahl ausgehen. Bei angenommenen 20.000 Kunden würde es immerhin eine Ersparnis von vier Millionen Euro im Jahr für das Jobcenter beziehungsweise die Stadt Oldenburg bedeuten, wenn sich beispielsweise die EWE bereit erklären würde, für alle Kunden des Jobcenters einen Sondertarif einzuführen, der dem Tarif des jährlich günstigsten Anbieter entspricht. Mit Sicherheit würde ein solcher Schritt auch keine Arbeitsplätze bei der EWE gefährden.

Das derzeitige Verhalten der EWE, Kunden über Wärmeverträge mit Wohnungsbaugesellschaften, an denen die Stadt auch noch beteiligt ist, zu binden, dürfte dem EU-Recht nach freier Netzwahl insgesamt widersprechen. Ich möchte Ihnen daher vorschlagen, mit Vertreter(inne)n der Stadt Oldenburg, den betroffenen Wohnungsbaugesellschaften und den Verantwortlichen bei der EWE Verhandlungen herbeizuführen, um einen eventuellen Sondervertrag für alle Menschen, die auf Wohngeld angewiesen sind, auszuhandeln.

Mit gutem Willen aller Beteiligten müsste so etwas doch möglich sein. Vielleicht könnte man die eingesparten Kosten sinnvollerweise für regelmäßige jährliche Bekleidungshilfen oder auch notwendige dringende Bedarfe der Jobcenter-Kunden verwenden? Immerhin würden dann im Prinzip pro Person 200 Euro jährlich zur Verfügung stehen, und zwar aus einer Ersparnis, die man sonst einem Konzern „in den Rachen werfen“ würde. Eine schnelle Antwort hierzu würde mich wirklich sehr freuen! Mit freundlichen Grüßen.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner unsozialer Politik)
 

 
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