1. Das darf ja wohl nicht wahr sein: In Fukushima ziehen Jugendliche im Auftrag ihres Lehrers als Strahlenmesser los und setzen sich damit selbst einer erheblichen Gefahr aus! In meinen Augen ist das falsch verstandene Partizipation, die sich zum Schaden der Schüler auswirken kann und damit kontraproduktiv wirkt. Auf ihrem Schulgelände wiesen die Schüler dabei teilweise höhere Strahlenwerte nach und widerlegten damit die offiziellen Werte. Ich kann es durchaus nachvollziehen, dass sich die Schüler lieber auf sich selbst verlassen wollen als auf ihre Regierung, die ihrer Fürsorgepflicht für ihre Bürger offensichtlich nicht nachkommt, indem sie verharmlost, die tatsächliche Strahlenbelastung nicht nennt und stattdessen auch noch die Strahlengrenzwerte für Kinder erhöht hat, als ob sie dadurch besser verträglich würde.
Die maximale Strahlendosis, denen Kinder in japanischen Schulen und Kindergärten ausgesetzt sein dürfen, liegt momentan bei 20 Millisievert im Jahr, was in Deutschland als jährliche Höchstdosis für einen erwachsenen Atomkraftwerksmitarbeiter gilt. Es hört sich fast wie ein trauriger Witz an, wenn der Lehrer diese Idee, die Schüler als „Strahlenexperten“ loszuschicken, damit verteidigt, dass sie auf diese Weise „angemessen reagieren“ und Orte melden könnten, an denen die Strahlenbelastung sehr hoch sei. Moment mal: Sie müssen doch im verstrahlten Japan bleiben! An welchen „unverstrahlten“ Ort sollten sie fliehen können? Eben deswegen dürfte es im September allen 4- bis 15-jährigen Einwohnern Fukushimas weiterhelfen, wenn sie mit Strahlenzählern ausgestattet werden.
2. Auch nach einer Anfragen der Grünen und der „Linken“ verweigert die Regierung genaue Angaben darüber, woher Deutschland das Uran für die Atomkraftwerke bezieht und wie viel des Nuklearbrennstoffes aus Lieferländern wie Niger oder Kasachstan stammt. Die Regierung hält genauere Informationen über die Herkunft für überflüssig, auch wenn einer der wichtigsten Lieferanten – Frankreich – möglicherweise nur Zwischenhändler für Atombrennstoff aus Niger ist. Expertenschätzungen zufolge bezieht unser Nachbarland ein Viertel seines Urans aus Niger, dessen Kolonialmacht Frankreich früher war.
Dort gründete es noch vor der Unabhängigkeit seiner Kolonie die erste Minengesellschaft. Seitdem schürft der Atomkonzern Areva in Afrika. Ob Niger deswegen trotz seines großen Uranvorkommens nicht reich geworden ist, sondern im Gegenteil zu den ärmsten Ländern der Welt zählt? In Niger werden die verheerenden Auswirkungen des Uranabbaus besonders deutlich, weil notwendige Sicherheitsmaßnahmen, zum Beispiel Atemschutzmasken für Minenarbeiter, jahrzehntelang missachtet worden sind und radioaktiver Abraum unter freiem Himmel gelagert wird.
3. Seit dem ersten Juli nehmen Bundesfreiwilligendienstler ihre Arbeit auf, um den schmerzhaften Wegfall des Zivildienstes zumindest teilweise zu kompensieren. Von allen Seiten wird beklagt, das Interesse an dem Dienst sei äußerst gering, und die mangelhafte Informationspolitik sowie die unklare rechtliche Lage verunsicherten Träger und Interessenten. Ich kann mir gut vorstellen, dass die jetzige Situation für alle Betroffenen, die von der früheren Fürsorge der Zivis abhängig sind, ziemlich furchtbar ist. Aber so ist es eben, wenn die immens wichtige soziale Arbeit nie wirklich anerkannt wird – womit ich natürlich faire Bezahlung meine, nicht bloß eine Verfütterung von Almosen stattdessen!
Ich befürchte, dass versucht werden soll, die ehemaligen Zivi-Plätze den ALG-II-Beziehern als „Bürgerarbeit“ aufzuzwingen, wodurch dann wieder viele „in Arbeit gebracht“ wären, obwohl sie noch zusätzlich aufstocken müssten, um ihre Familien ernähren zu können. Oder kommt gar ein Bundesfreiwilligendienst für Transferleistungsbezieher? Es liegt nahe, dass hier nun wahre Fantasie-Spiralen in Gang gesetzt werden könnten. Es wird an den Einzelnen liegen, die davon vielleicht betroffen sein könnten, sich dagegen zur Wehr zu setzen, sich Beratung zu suchen und gerichtlich dagegen vorzugehen! „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ – im gesetzlichen Rahmen, versteht sich! Das muss kein Widerspruch in sich sein.
4. Lovely Zensursula von der Leyen will nun den Kombilohn für ältere Arbeitnehmer, die sogenannte Entgeltsicherung, streichen. Damit würde diese Förderungsmöglichkeit, mit der überfünfzigjährige Arbeitslose animiert werden sollen, einen geringer entlohnten Job aufzunehmen, Ende 2011 auslaufen. Ich finde, dass hier sprachlich wieder Missbrauch betrieben wird, wenn Überfünfzigjährige animiert werden müssten, auch eine Arbeit zum Dumpinglohn anzunehmen! Das ganze Dilemma würde gar nicht bestehen, wenn alle Arbeitnehmer, auch die überfünfzigjährigen, einen vernünftigen Lohn für ihre Arbeit bekommen müssten und diese schlecht bezahlenden Unternehmer nicht ständig weiter von Steuergeldern subventioniert würden. Ich glaube nicht, dass die Bundesarbeitsagentur meine Gedankengänge teilt, sondern schlicht Geld sparen will, weil ihnen wahrscheinlich aufgegangen ist, dass diese Milliarde eingespart werden kann, weil sie nur den Gierschlund mancher Unternehmer bedient, statt Menschen über 50 wieder in Arbeit zu bringen.
5. Der „Landesverband der evangelischen Kindertagesstätten“ übt heftige Kritik an der Bremer Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets für arme Familien. Monatelang habe sich die Sozialbehörde nicht dazu geäußert, wie Familien rückwirkend bis zum 1. Januar dieses Jahres Kosten für Mittagessen oder Ausflüge erstattet bekommen können, doch vorletzte Woche hieß es auf einmal, es sei noch eine Frist von nur einer Woche gesetzt worden, um den Antrag zu stellen. Diese Frist ist sowohl für die Familien als auch für die Kitas zu knapp gesetzt! Es wird ein hoher, undurchschaubarer bürokratischer Aufwand von betroffenen Eltern verlangt, obwohl die Kinder aus finanziell armen Familien eigentlich mit dem Bildungspaket unterstützt werden sollten.
Nicht ist nicht nur zu den finanziell armen Eltern von Kindern, die eine evangelische Kita besuchen, wenig an Informationen durchgedrungen. Ich weiß ja nicht, ob die Agentur für Arbeit glaubt, mit ebensolchen Fähigkeiten wie Jesus bei der Speisung der Fünftausend in der Wüste ausgestattet zu sein, oder wie sie bloß davon ausgehen kann, dass sich von hundert Euro jährlich – also 8,33 Euro monatlich – Schulbedarf, Nachhilfe, Sport- und Musikunterricht finanzieren lasse. Eine Frage bleibt im Raum stehen: Wenn das Land Bremen eine Pauschale für das Bildungspaket erhält, ist es dann wirklich daran interessiert, dass diese Gelder die finanziell schwachen Familien erreichen, oder wäre es nicht besser bedient, die Gelder wegen der stets klammen Finanzlage nicht so einfach herauszurücken?
6. Die neue Schulstruktur für Niedersachsen wird von Kultusminister Dr. Bernd Althusmann als „richtungweisend“ bezeichnet, weil die Oberschule ein „qualitätsvolles und wohnortnahes Bildungsangebot mit mehr Flexibilität“ und eine „langfristige Perspektive zur zukunftsfesten Gestaltung der Schullandschaft vor Ort“ biete. Die Oberschule ist eine Zusammenfassung aus Haupt- und Realschule, die eine starke berufliche Orientierung hat. Wenn der Schulträger des jeweiligen Gymnasiums zustimmt, kann die Oberschule darüber hinaus einen gymnasialen Zweig für die Jahrgänge 5 bis 10 einrichten. Aber eben nur wenn!
Ich halte nichts von der Idee, die Haupt- und Realschule ausgerechnet zu einer „Oberschule“ zusammenfassen zu wollen. So hieß früher das Gymnasium, und dieser Trick zur angeblichen Chancengleichheit soll hier nur genutzt werden, weil es schön klingt, obwohl es sie gar nicht gibt, denn die „Oberschule“ hat natürlich – wie bei Realschule und Hauptschule vorgesehen – gar keine Oberstufe, die bei Klasse 11 beginnt, obwohl doch die „Mittlere Reife“ der Haupt- und Realschule bei Klasse 10 aufhört. Die wirklich fördernden Gesamtschulen werden durch diese Pseudo-Oberschule abgeschafft oder erschwert, damit die Drei- oder auch Zweigliedrigkeit, also die Super-Ungerechtigkeit der Klassengesellschaft erhalten bleibt, nach der die Fülle des Portemonnaies den Bildungsgrad der Kinder bestimmt und die „monetäre Elite“ auch weiterhin unter sich bleiben kann.
7. Die Bundesagentur für Arbeit praktiziert derzeit ein wahres Streichkonzert und will in den kommenden vier Jahren weitere 10.000 Stellen streichen. Davon sollen Jobs in der Verwaltung betroffen sein, nicht beim sogenannten Service für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Selbstredend solle an der bisherigen „guten Qualität“ nicht gespart werden. Der Sprecher der Bundesagentur für Arbeit fantasierte, Voraussetzung für den Abbau sei aber, dass die Arbeitsmarktstatistikbeschönigung, äh: positive wirtschaftliche Entwicklung anhalte und die Arbeitslosigkeit weiter punktuell nicht mehr mitgezählt werde, äh: zurückgehe.
Die Atomenergiepolitik ist von Anfang an auf Unmoral, Skrupellosigkeit, Lügen und Profitgier aufgebaut! Seit den 1970er Jahren gibt es ununterbrochen mehr oder weniger massive Protestaktionen gegen den Bau von Kernkraftwerken und das Endlager im wendländischen Gorleben. Man hat es sogar geschafft, eine Wiederaufbereitungsanlage in Brokdorf zu verhindern. Diese Drecksarbeiten werden nun in Frankreich (La Hague) und England (Sellafield) erledigt. Wir bekommen nur den „sauber“ aufbereiteten, aber hochradioaktiven Müll zur Endlagerung nach Gorleben zurückgeliefert.
Die Proteste bei jedem neuen Castortransport sind bekannt. Es kostet uns jedes Mal zig Millionen Euro, die „friedlichen“ Polizeieinsätze zu bezahlen. Es gibt noch immer kein Endlager für mittelaktiv strahlenden Atommüll. Die bisher eingelagerten Fässer im ehemaligen Salzbergwerk Asse müssen wieder herausgepopelt werden, weil sie durch Salz und Wasser defekt sind und das Grundwasser gefährden. Deutsche Atomkraftwerke haben nur eine vorläufige Betriebsgenehmigung.
Unsere Gesetzgeber haben zwar vor etwa zehn Jahren mit der Liberalisierung des Strommarktes dafür gesorgt, dass jeder seinen Stromlieferanten selbst wählen kann. Doch was geschah? Es gab Fusionen zu nur noch vier großen Strom-Monopolisten: NBW, RWE, Eon und Vattenfall. Nur wenige kleine ehrliche Ökostromanbieter sind zu finden, zum Beispiel Greenpeace Energy oder EWS Schönau. Ansonsten wurden von den Großstromern „notleidende“ deutsche Millionäre gekauft, um den Atomdreck „gut, gelb, günstig“ besser zu vermarkten.
Das ist keine billige Werbung mehr, sondern aktive Volksverdummung, unabhängig von einer rot-grünen oder schwarz-gelben Regierung! Die deutsche Energiepolitik wird fast nur von den vier großen Atomstromern gemacht. Damit das nicht so weitergeht, müssen wir Bürger der Montagsdemo unsere „Bundesmutter“ Angela Merkel jetzt tatkräftig unterstützen. Die Politik in Deutschland bestimmt immer noch eine demokratische Mehrheit! Wenn diese momentan bei den Protestaktionen der Anti-AKW-Bewegung, auf den Straßen und bei den Montagsdemos liegt, wird das jede Regierungspartei akzeptieren müssen. Wir sind mächtiger als wenige skrupellose Atomstromer!
Aber Sie selbst können im Fall der Energiepolitik, damit Atomkraftwerke abgeschaltet werden, noch mehr persönliche, praktische Beiträge leisten. Weil es hier um technische Dinge geht, ist es einfacher, politischen Einfluss zu nehmen, als etwa beim Thema Hartz-IV-Regelsatz oder Gesundheitsreform. Es ist so einfach wie im Supermarkt etwas liegen zu lassen, was Sie nicht brauchen, zum Beispiel Genfood. Etwas Fachkenntnis sollte allerdings erworben werden zum Thema, an dem man mitwirken möchte!
Eine alte Scherzfrage lautet: Warum hat ein Schotte keinen Kühlschrank? Die Antwort: Weil er nicht sicher ist, ob das Licht darin ausgeht. Was hat das mit unseren Atomkraftwerken zu tun? Die Glühbirne im Kühlschrank hat 15 Watt. Wenn in Ihrem Kühlschrank tatsächlich ein ganzes Jahr lang die Lampe brennen würde, hätten Sie 365 mal 24 Stunden mal 0,015 Kilowatt gleich 131 Kilowattstunden Strom unnötig „verbraucht“.
Multiplizieren Sie also die Leistung in Kilowatt all Ihrer elektrischen Verbraucher mit den Stunden, die sie eingeschaltet sind, dann wissen Sie, wie viele Kilowattstunden Ihnen ein Kraftwerk geliefert hat. Niemand kann das besser und gnadenloser als ein Stromzähler. Wenn Sie zweimal pro Woche eine Stunde lang Ihren Wäschetrockner benutzen, auf dessen Typenschild die Angabe 2.000 Watt steht, dann sind das im Jahr rund 100 Betriebsstunden mal 2 Kilowatt, also 200 Kilowattstunden „Stromverbrauch“.
Wer AKWs abschaffen will, muss etwas von seinem privaten Energiehaushalt wissen und verstehen. Wenn Sie nun Ihre letzte Stromrechnung zur Hand nehmen und darauf steht, dass Sie im vergangenen Jahr beispielsweise 1.200 Kilowattstunden Strom „verbraucht“ haben, was ein hoher Wert für einen „normalen“ Single-Haushalt wäre, dann sehen Sie sofort, mit welchem Anteil der Wäschetrockner oder die Glühbirne daran beteiligt waren.
Derzeit erstrahlt die Bremer Sozialpolitik im Glanz des grünen Wahlsiegs. Die zuständige junge Senatorin Stahmann sonnt sich im Vorschusslob, weil sie ihr erstes Gehalt fürs neue Amt, das sie am Monatsletzten angetreten hat, sozialen Einrichtungen spenden will, wohingegen ihr Parteifreund, der ausgeschiedene Umweltsenator Loske, für die „Arbeit“ an diesem einen Tag seine Pension um sparsame 900 Euro monatlich „aufstockt“. Nach dem Erstarken der Grünen bei der Bürgerschaftswahl im Mai 2011 mussten ihnen aus Proporzgründen mehr Zuständigkeiten verschafft werden, ohne die Zahl der Senatoren kostenträchtig auszuweiten. So wurde das bisherige SPD-Ressort für Arbeit und Soziales aufgeteilt: „Soziales“ fiel an die Grünen, „Arbeit“ verblieb bei der SPD und wurde dem Ressort für Wirtschaft zugeschlagen, dessen Chef Günthner zugleich Justizsenator ist. Während die SPD-Basis den „Verlust des Markenkerns“ betrauert, kommentiert „Die Linke“, im „Sozialen“ gebe es für die SPD ohnehin nichts mehr zu gewinnen; das weitere „Kaputtsparen“ werde daher den Grünen überlassen.
Wer aber kontrolliert nun das Jobcenter? Dessen Homepage schweigt sich aus über die vorgesetzte Dienststelle auf kommunaler Seite. Zu erfahren ist, das kommunale Personal stamme vom Amt für Soziale Dienste. Dieses ist der Sozialsenatorin untergeordnet, die im Netz darüber informiert, auf ihren Seiten werde nur für eine Übergangszeit auch der Fachbereich Arbeit noch zu finden sein. In dessen Zuständigkeit fallen das SGB II und die bisherige Bremer Arge, das nunmehrige Jobcenter. Der Fachbereich Arbeit soll an den neuen Senator für Wirtschaft, Arbeit und Justiz gehen, ist bei ihm aber noch nicht angekommen. Die Sozialsenatorin sagt in ihrem ersten Interview: „Wir haben viele Menschen in Bremen, die in absehbarer Zeit keine reguläre Arbeit finden werden. Für sie haben wir einen Arbeitsmarkt, der mit öffentlichen Geldern gefördert wird. Das wird im Wirtschafts- und Arbeitsressort verantwortet.“ Offenbar ist also die grüne Sozialsenatorin für das Personal und die Auszahlung der Gelder zuständig, zumal ALG II eine steuerfinanzierte Sozialleistung ist, während ihr Kollege weiter über die SPD-Pfründen der Beschäftigungsträger wacht.
Außerdem will sich bei der Gewährung des Hartz-IV-„Bildungs- und Teilhabepakets“ „aus einer Hand“ logischerweise auch die SPD-Bildungssenatorin Jürgens-Pieper mit Ruhm bekleckern. Für bildungs- und auch sonst hungrige Kids steht auf ihrer Website bereits ein fünf Megabyte fetter, aber doch nur zwei Seiten dünner Flyer zum Download am Start. Wichtigste Info darin sind die Internet-Adressen von Jobcenter und Sozialressort. So scheint mir die Landesregierung einiges dafür zu tun, das ursprünglich sogar verfassungswidrige Konzept der „Mischverwaltung“ noch kreativ auszuweiten, auf Leitungsebene dauerhaft Chaos herbeizuführen und dadurch das Jobcenter, von kommunaler Kontrolle befreit, tun zu lassen, was immer ihm beliebt. Welche neuen Schikanemöglichkeiten das reformierte SGB II bietet, das die in zahllosen Prozessen gewonnene Rechtsklarheit gezielt beseitigt, mag ein fachkundiger Mitstreiter, der jahrelang Beratungs- und Beistandsarbeit geleistet hat, gar nicht aussprechen, um die „Fallmanager“ nicht noch mit der Nase darauf zu stoßen. Er stellt sich zunächst auf eine neue Runde der Zwangsumzüge ein, weil die Kommunen für die Kosten der Unterkunft nun eine Pauschale festlegen dürfen. Zu deren Ermittlung hat Bremen bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben.
Nachdem jahrelang Einsparmöglichkeiten in den Bereichen Arbeit und Soziales gesucht und gerade hierfür die Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie die zuständigen Ressorts zusammengelegt wurden, soll nun in Bremen der SPD-Kollege Günthner „Synergien“ in den Bereichen Arbeit und Justiz ausnutzen. Wie das geschehen könnte, lässt das erste Interview der neuen Sozialsenatorin erahnen, die außer vom „sozialverträglichen“ Sparzwang auch davon redet, es gebe „viel zu viele Klagen und Widersprüche gegen Bescheide der Behörde, die oft gewonnen werden. Diese Niederlagen-Quote will ich verringern. Bei Anteilen von 50 Prozent sehe ich noch Luft nach oben. Die Verwaltungsverfahren sollen gerichtsfester werden und so auch Geld einsparen.“ Wohlgemerkt, sie sagt nicht, sie wolle künftig nur noch richtige Bescheide verschicken lassen. Das wird ihr nicht möglich sein, schließlich waren zumindest bis Jahresende 2010 nach Vorgabe der Arbeitsagentur 70 Prozent aller Widersprüche abzulehnen, seien sie nun berechtigt oder nicht.
Warum sollte diese Zielsetzung abgeschwächt worden sein? Erfahrungen, die zurzeit ein Oldenburger Mitstreiter sammelt, lassen Böses befürchten: Er wird mit einem Widerspruchsbescheid verkaspert, gegen den keine Klage möglich ist, weil darin etwas als „Stattgabe“ seines Begehrens ausgegeben wird, das tatsächlich nichts weiter ist als dessen Vom-Tisch-Fegen. Darum kann jetzt weder Beratungs- oder Prozesskostenhilfe noch einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden. Es geht um die bescheidene Forderung nach Sozialleistungen in verfassungsgemäßer Höhe. Indem die Gewährung von fünf Euro Regelsatzerhöhung als Wiederherstellung der höchstrichterlich geforderten Verfassungsmäßigkeit deklariert wird, scheint nun dem Betroffenen in dieser Sache der Rechtsweg komplett versperrt. Ob das schlimme Beispiel Schule macht? Hier ließe sich der schnelle Schluss ziehen, dass eben doch kein Weg am Kampf auf der Straße vorbeiführt.
Gernot: Was können die Umweltschützer von Chimki aus dem Protest der „Stuttgart-21“-Gegner für ihren Widerstand übernehmen beziehungsweise lernen?
Jaroslav: Wir denken, die Umweltschützer für den Stuttgarter Schlosspark haben sehr viel Erfahrung, und wir würden uns sehr freuen, wenn diese mehr mit uns geteilt würde. Da momentan in Stuttgart nicht gebaut wird, ist doch jetzt Zeit, dass Aktivisten von dort direkt zu uns fahren und uns im Wald von Chimki besuchen, und uns dort über die Erfahrungen informieren, die in Stuttgart gemacht worden sind.
Gernot: Wie ist die internationale Resonanz in Bezug auf euren Kampf gegen den Bau der Autobahn von Moskau nach Sankt Petersburg? Wie sieht die Hilfe aus?
Jaroslav: Wir brauchen diese internationale Hilfe natürlich sehr, weil wir gegen ein Projekt des internationalen Großkonzerns Vinci arbeiten. Deswegen ist es uns wichtig, dass die Weltöffentlichkeit erfährt, an welchem ökologisch schädlichen und schmutzigen Projekt, das auch die Menschenrechte verletzt, die Firma Vinci beteiligt ist. Wir wollen, dass diese Informationen in der Welt bekannt werden, damit niemand mehr bereit ist, mit Vinci zusammenzuarbeiten, Aktien des Unternehmens zu kaufen oder diesem weiterhin Aufträge zu geben.
Gernot: Vor deinem Berlin-Besuch fand in Paris eine internationale Wald-Konferenz statt. Wie kann in euren Augen eine stärkere internationale Unterstützung aussehen?
Jaroslav: Wir haben letzte Woche mit Umweltaktivisten in Westeuropa gemeinsame Aktionen gemacht, und ich denke, das ist auszubauen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es noch mehr gemeinsame Solidaritätsaktionen von den Stuttgartern gibt. Wir müssen uns per Internet und Newsletter austauschen. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr auch unsere Petition für den Schutz des Waldes von Chimki online unterschreibt.
Gernot: Normalerweise heißt es ja, die deutsch-russische Freundschaft sei eine gute, was ich persönlich bezweifle, da man nicht Freundschaft mit einem Land führen kann, wo die Menschenrechte und der Rechtsstaat mit Füßen getreten werden. Können sich die Umweltschützer von Chimki vorstellen, dass sich die deutsche Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel auch für ihre Sache einsetzt?
Jaroslav: Das kann ich schwer sagen, weil ich nicht weiß, wie ich die Kanzlerin einzuschätzen habe. Wenn sie das tun würde, wäre es ein sehr mutiger und wichtiger Schritt. Es ist schlecht, wenn die europäischen Regierungen es mit herrschenden Strukturen zu tun haben, die solche Projekte wie bei uns in Chimki durchziehen, bei denen die Menschenrechte zu Schaden kommen und Umweltschützer wie auch Journalisten zusammengeschlagen werden. Bei dem Projekt in Chimki spielt Herr Putin eine unrühmliche Rolle. Er hat 2009 ein Gesetz durchgesetzt, das die Flächen, auf denen die zu bauende Straße liegt, umwidmet, um in Zukunft kommerziell genutzt werden zu dürfen.
Bei Verkehrsminister Levitin wurden korrumpierende Interessen aufgedeckt, denn er ist gleichzeitig kommerzieller Direktor des Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Da die Herren Putin und Levitin sehr gute Freunde sind, kann Herr Levitin sowohl Direktor des Flughafens als auch Verkehrsminister sein. Ein weiterer Profiteur des Projektes ist Arkardi Rotenberg, ein Oligarch und Großunternehmer. Rotenberg ist langjähriger Freund und Judotrainer von Wladimir Putin.
Im letzten Jahr hat Putin gesagt, dieses Projekt sei völlig rechtmäßig, und die Straße müsse gebaut werden. Vor Kurzem hat er sich ähnlich geäußert, als er ein Treffen mit der französischen Regierung hatte. Danach sagte er, dieses Straßenbauprojekt müsse zügig durchgezogen werden. „Bankwatch International“ hat herausgefunden, dass ein Drittel der staatlichen Gelder Russlands, die in dieses Projekt wandern, spurlos in Off-Shore-Gesellschaften verschwinden. Deswegen ist es gut möglich, dass große Summen der Projektmittel direkt an Herrn Putin fließen.