232. Bremer Montagsdemo
am 25. 05. 2009  I◄◄  ►►I

 

„Könnt ihr nicht anbauen?“

Ich habe eine Weiterbildung bei der „Wirtschafts- und Sozialakademie der Arbeitnehmerkammer Bremen“ absolviert und mache zurzeit ein Praktikum. Ich bin gelernte Industriekauffrau mit Abschluss vor der IHK. Eigentlich wollte ich den Finanzbuchhalter machen, aber der wird von der Bagis nicht finanziert, weil man ihn nicht als Vollzeitfortbildung, sondern nur berufsbegleitend in den Abendstunden machen kann. Somit konnte ich mich nur zur Buchhaltungsfachkraft weiterbilden, wobei ich leider keine Steuerkenntnisse erwerben konnte, die heutzutage fast immer erforderlich sind.

Dass ich nach meinem Praktikum Arbeit bekomme, bezweifle ich. Die fehlenden Steuerkenntnisse muss ich in einem selbstfinanzierten berufsbegleitenden Kurs nachholen. Wie ich erfahren habe, werden häufig Leute mit unzureichenden Vorkenntnissen und mangelnder Berufserfahrung in Kurse und Fortbildungen gesteckt, aus denen man sie kaum erfolgreich ins Arbeitsleben zurückschicken kann, denn mit einem mittelmäßigen oder schlechten Zeugnis hat man kaum eine Chance auf Arbeit. In meiner Klasse waren es von 20 Teilnehmern nur ich und noch zwei weitere Schüler, die bereits als Buchhalter gearbeitet haben.

Während der Fortbildung habe ich von Herrn Erbendruth, meinem Dozenten im Fach Kosten- und Leistungsrechnen, gehört, dass die Bagis angefragt hat, ob die Wisoak nicht „anbauen“ könne – sie hätten mehr Leute, die sie in Fortbildungen stecken wollen, als die Wisoak aufnehmen kann! Die ist nämlich bis auf Weiteres komplett ausgebucht und übervoll, daher wurden auch neue Dozenten eingestellt. Ich finde es ja auch sinnvoll, dass etwa die Firma Daimler ihre Kurzarbeiter in staatlich finanzierte Fortbildungen schickt.

Aber die Anfrage der Bagis bedeutet doch: Sie versuchen alles, was arbeitslos ist, in Fortbildungen zu drängen – denn wer in einer Maßnahme steckt, ist natürlich nicht arbeitslos gemeldet! Sicher soll die Statistik noch vor den Wahlen bereinigt werden, sonst hätte die Bagis kein so großes Interesse daran, die Leute in teure Fortbildungen zu stecken. Mich hat das doch sehr erschüttert, diese Anfrage.

Anke Meyer (parteilos)
 
Zu Pfingsten – am 1. Juni 2009 – findet keine Montagsdemo statt.

 

„Demokratie sind wir alle“

Udo Riedel1. Recht hat er, der Herr Köhler – und von mir einen herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl! Hätte ich die Möglichkeit gehabt, ich hätte ihn auch gewählt. Hätte ich aber über den „Europa-Beitritt“ abstimmen dürfen, hätten sie meine Stimme nicht bekommen – nicht, weil ich „gegen Europa“ bin, sondern weil ich die Bevormundung durch die Wirtschaft ablehne, siehe Lissabonner Vertrag. Wie sagte doch Herr Köhler: „Demokratie sind wir alle!“ Ich füge hinzu: wenn ich auch etwas zu sagen hätte.

Noch ein Punkt, warum ich Herrn Köhler gewählt hätte, ist die Tatsache, dass er auch mal Rückgrat zeigt, ein Gesetz nicht unterschreibt und den Mumm hat, anderen die Leviten zu lesen. Dann hörte ich noch die Worte bei seiner Rede auf dem Kirchentag, die den Montagsdemonst­ranten galten. Vorbilder nannte er sie! Wobei er wohl die Demonstranten in der früheren DDR gemeint haben dürfte, so glaubt jedenfalls die Masse der Menschen. Aber ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, da unser alter und neuer Bundespräsident uns hier mit Handschlag auf dem Marktplatz begrüßt hatte. Wie sagte er doch schon damals: „Hier wird gekämpft, und es ist gut, dass wir zur Kenntnis nehmen, was Sie sagen und was Sie beschwert!“

Er findet es also gut, dass wir uns gegen die Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen, und wenn wir das auf die jetzige Rede beim Kirchentag beziehen, sind wir heutigen Montagsdemonstranten die Vorbilder. Wir werden in die Geschichte eingehen als diejenigen, die den sozialen Frieden gerettet haben, denn wir machen die Politiker in diesem Land auf Ungerechtigkeiten aufmerksam. Sie selber haben ja bis auf wenige Ausnahmen jeden Bezug zu den Mitmenschen verloren. In diesem Fall ziehen wir uns da gern den Schuh an, ein Vorbild zu sein! Darum, liebe Mitmenschen, gesellt euch zu den Montagsdemonstranten und werdet Vorbilder! Wehrt euch gemeinsam mit uns gegen soziale Ungerechtigkeiten! Wer nichts unternimmt, will es so haben und braucht sich hinterher nicht zu beschweren.

 

2. Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es noch lange nicht dasselbe! Als wir von der Montagsdemo schon vor Jahren die Missstände in dieser Gesellschaft angeprangert haben, ernteten wir nur Hohn und Spott – doch als Doktor Christoph Künkel auf dem Kirchentag die gleichen Probleme ansprach, erntete er tosenden Beifall. Ich habe mir ausdrücklich von Herrn Künkel die Genehmigung geben lassen, dass ich ihn hier zitieren darf. Er gab mir mit einem Glückwunsch für mein in diesem Fall privates Engagement seine Visitenkarte, nachdem ich ihm von unseren Protesten erzählt hatte. Er begrüßte ausdrücklich, dass wir uns in diesem Fall so für unsere Mitmenschen einsetzen. Erst erschrak ich doch ein wenig, als er mich fragte, wo ich denn tätig sei: „Montagsdemonstranten? Wer ist denn das?“ Ich erzählte von uns, und er wünschte uns viel Erfolg. Herr Künkel ist Oberlandeskirchenrat.

„Mensch, wo bist du?“ lautete das Motto des Kirchentags, und fast alle waren hoch zufrieden, ich ebenfalls – mit einer Ausnahme, denn auch hier auf dem Kirchentag ist Kritik nicht gern gesehen. Nach einem Interview, das ein Reporter mit einem Mitarbeiter der „Bremer Tafel“ führte, bat ich darum, mich auch mal ans Mikrofon zu lassen. Tatsächlich bekam ich die Gelegenheit. Als ich dann die Arbeit der „Tafel“-Mitarbeiter ausdrücklich lobte, waren die Zuhörer begeistert – aber als ich ihnen mitteilte, dass ich bei der Montagsdemo tätig bin und wir dafür eintreten, dass eigentlich gar keine „Tafeln“ nötig sein dürften, musste ich feststellen, dass ich mit dieser Aussage doch für ein wenig Verwirrung gesorgt hatte. Auch dank der Live-Übertragung wissen jetzt jedenfalls einige Tausend Menschen mehr, dass es die Montagsdemos gegen soziale Ungerechtigkeiten gibt und dass wir jeden Montag um 17:30 Uhr hier auf dem Marktplatz demonstrieren!

Udo Riedel (parteilos)
 
DGB in Panik vor den Montagsdemonstranten: „Wir erwarten massive
Störungen durch mobile Lautsprecheranlagen“ („Rote Fahne News“)
 
Hartz-IV-Opfer von Tätern verhöhnt: Müntefering und Künast „demonstrieren“
am DGB-Leittransparent „gegen“ Sozialabbau („Erwerbslosenforum“)
 
Kranke Behörde: Verdi rüffelt Chef der
Bremer Arbeitsagentur („Verdi publik“)
 
Rechtswidrige Ausgrenzung: Bagis muss Mietkaution
übernehmen („Tageszeitung Bremen“)
 
Bankrott einer Heilslehre: Dem Neoliberalismus mag
niemand mehr das Wort reden („Spiegel-Online“)
 
Sozialliberale Option: Die Bundestagswahl könnte
anders ausgehen als erwartet („Financial Times“)
 
Karstadt-Pleite: Keine wirtschaftlichen Voraussetzungen, um Steuergelder in das Unternehmen zu stecken („Spiegel-Online“)
 
Aus Scheiße Gold machen: Ohne Privatisierung der Abwasserkanäle hätte
Bremen jährlich elf Millionen Euro einnehmen können („Tageszeitung“)

 

Ein ganz großes Kreuz
über den Wahlzettel

Jobst RoseliusDer Kirchentag ist vorbei. Mancher Mensch wird froh sein, dass nun wieder alles seinen gewohnten Gang geht. Natürlich war es ein fröhliches Sommerfest besonders für die Jugend, mit Konzerten und ihrer „Bibelarbeit“, aber auch mit intensiven Diskussionen im Saal und auf den Grünflächen. Bremen bot sich bei tollem Wetter fast immer von seiner schönsten Seite. Die politische Prominenz tauchte auch auf, um etwas lauen Wahlkampf zu machen, ohne sich irgendwo festzulegen. Der Kirchentag sei zahm geworden, heißt es. Da spielt sogar die Bigband der Bundeswehr auf, und es wird Werbung für den Wehrdienst gemacht, auch mit Auslandseinsätzen. Es gibt wenig Widerspruch dagegen. Die Kirchentagsleitung und die Politik rufen zur Kritik auf: Zuhören, nachfragen, aber keine vorschnellen Forderungen, das ist die Devise. Da unterscheidet sich der Kirchentag nicht von der übrigen Gesellschaft.

Überall ist der Klärungsprozess noch in vollem Gange. Zu viele Fragen und Positionen müssen diskutiert werden. Alle müssen die Konsequenzen, die aus der Krise des kapitalistischen Systems zu ziehen sind, erst noch durcharbeiten. Zwei Dinge sind mir bei der Beobachtung aber aufgefallen: Die große Disziplin bei dem zeitweise auch vorhandenen Chaos und die Gelassenheit und positive Stimmung. Die Menschen, die hier waren, stehen vermutlich fest verankert im Leben, sind eingebunden in Arbeit oder ehrenamtliche Tätigkeit und versuchen im Kleinen ihren Beitrag für eine Veränderung zu leisten. Ja, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag vielleicht, und andere sahnen derweil ab! Darum müssen wir die Auseinandersetzung mit den Aktiven führen, dass nicht nur das Kleine gesehen wird, sondern auch Verantwortung und Einmischen für das Ganze notwendig ist. Das ist zentrales Problem für einen anderen Teil der Gesellschaft, der entwurzelt, ausgegrenzt, der staatlichen Drangsalierung und Verachtung ausgesetzt und der Perspektivlosigkeit preisgegeben wird. Letztendlich sprechen Politik und Kapital diesen Menschen ihre Menschenwürde ab. Auch manche Christen nehmen das als „gottgewollt“ hin. Ich lehne die Spaltung der Gesellschaft ab!

Die Montagsdemo, die seit 2004 gegen diese Spaltungspolitik kämpft, ruft darum die Hartz IV-Betroffenen ebenso wie die religiös Motivierten oder politisch Aktiven auf, zusammen zu diskutieren und andere aufzurütteln, sich nicht hängen zu lassen oder zu dominieren – und in solidarischer Art und Weise miteinander umzugehen, Forderungen aufzustellen und auch durchzusetzen! Wer eine Veränderung im Land will, muss mit jedem Menschen reden und versuchen, die Resignation zu überwinden. Auch die Montagsdemo braucht immer wieder die Veränderung und Erweiterung. Uns sind darum neue Mitstreiter sehr willkommen. Wer Hilfe braucht oder zuhören will, soll kommen! Aber willkommen ist auch, wer Hilfe anbieten und mitarbeiten möchte in unserer ehrenamtlichen Bewegung. Nur Faschisten haben hier nichts zu suchen!

Noch ein Wort zur Europawahl: So wie wir in den vergangenen Jahren die EU, die Lissabonner Beschlüsse und das Entmündigungsverfahren in Sachen EU-Verfassung diskutiert haben, gibt es keinen Grund, diese Wahl für etwas Wichtiges und Weiterbringendes zu halten. Wir lehnen ein internationalistisches Europa der arbeitenden Menschen zusammen mit den Völkern der Welt nicht ab, aber wir unterstützen nicht dieses Europa, wie es uns als „einzige Alternative“ dargeboten wird! Die Kandidaturen linker Parteien finde ich zwar ehrenwert, aber sie sind mit zu vielen Illusionen verbunden, dass Europa reformiert werden könnte. Ich für meinen Teil werde daher bei dieser Wahl ein ganz großes Kreuz über den Wahlzettel machen.

Jobst Roselius

 

Wir müssen in der Haushaltspolitik neue Wege erkämpfen!

Harald BraunNach neuesten Schätzungen fehlen dem Land Bremen aufgrund der Weltwirtschaftskrise Steuereinnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro bis 2011. Finanzsenatorin Linnert, Mitglied der Grünen, hat jetzt angekündigt, wie sie darauf reagieren will.

Zum einen möchte sie neue Schulden machen – das bedeutet aber nichts anderes, als dass die Jugend die Zeche dafür bezahlen muss. Bremen steht bereits heute mit 15 Milliarden Euro Schulden kurz vor dem Bankrott! Zum anderen will sie in Bereichen kürzen, wo Bremen angeblich „mehr Geld ausgibt“. Sie nennt dann die Werkstätten für behinderte Menschen, die Sozialarbeit in den Stadtteilen und die Jugendfreizeiteinrichtungen – überall dort will sie kürzen!

Dabei gibt es ganz andere Möglichkeiten, die aber eine Wende in der Haushaltspolitik verlangen: Jedes Jahr werden vom Senat Zinsen in Höhe von 700 Millionen Euro an die Banken überwiesen. Wieso wird dies nicht sofort gestoppt? Wir sollten in den nächsten Monaten des Wahlkampfs eine breite Diskussion über ein Zinsmoratorium entfachen, denn die Lasten der Krise sollen die Verantwortlichen tragen und nicht die Bevölkerung!

Harald Braun
 
Hetze pur: „Der Kita-Streik zeigt, wie man
soziale Unruhe schürt“ („Die Welt“)

 

Das Schlachten nach dem
Streichelzoo vor den Wahlen

1. Die Diskussion um Steuersenkungen in der Wirtschaftskrise dauert unvermindert an. Nun hat der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes Ifo, Hans-Werner Sinn, scheinbar nur Unsinn im Kopf, wenn er eine Kürzung bei den Sozialausgaben fordert! Seiner Meinung nach müssten die Steuern erhöht werden, um die Staatsschulden bezahlen zu können – und, wie gesagt, die Steuerausgaben reduziert. Wenn die Deutschen schon den Gürtel enger schnallen müssen, dann sollen doch bitte diejenigen dazu herangezogen werden, die das auch noch können! Außerdem muss den Menschen erst mal so viel Geld zum Leben gelassen werden, dass sie sich einen Gürtel überhaupt noch leisten können! Oder wird der einzige Gürtel, den die Deutschen benutzen, bald nur noch der Patronengürtel sein? Wie wäre es denn, wenn wir mal unseren sogenannten Verteidigungshaushalt kürzen würden, der seit Jahren so unnütz wie beständig steigt? Es ist absolut überfällig, unsere „Entwicklungshilfe“ in Afghanistan einstellen!

 

Elisabeth Graf2. Auch nach Berechnungen von Kieler Wirtschaftsforschern werden im nächsten Jahr 1,5 Millionen Menschen mehr als heute ALG II beziehen müssen. Weil dies Mehrkosten in Milliardenhöhe für Bundeshaushalt und kommunale Kassen bedeuten wird, halten es die sogenannten Experten für „unklug“, Hartz-IV-Kür­zungen kategorisch auszuschließen. Die Ankündigung von Bundessozialminister Olaf Scholz, Rentenkürzungen für alle Zeiten per Gesetz unmöglich zu machen, laufe auch darauf hinaus, Hartz-IV-Kürzungen auszuschließen. Schließlich orientiere sich die Höhe des ALG-II-Satzes am Rentenwert. Wenn die Bruttolöhne sinken, was unter anderem angesichts der regen Inanspruchnahme der Kurzarbeit zu erwarten sei, müssten eben entsprechend Renten und der Hartz-IV-Satz „in gewissem Maß gekürzt“ werden. Da derzeit Milliarden in den Bankensektor gepumpt würden, sei es aber nachvollziehbar, dass die Politik solche Kürzungen ausschließe. So sprechen mal wieder nur diejenigen, die nicht davon betroffen sind! Dabei gibt es eine Untergrenze für Sozialleistungen, und diese ist längst erreicht, wenn nicht gar unterschritten. Wer den Hartz-IV-Satz jetzt noch weiter senken will, kann das ALG II auch gleich abschaffen – dann soll er das aber bitte auch so sagen und verantworten, nicht nur vor den Wählerinnen und Wählern, sondern auch vor dem Bundesverfassungsgericht!

Wer nun darüber nachdenkt, die ALG-II-Bezieher noch mehr bluten zu lassen, ist wirklich ein unsozialer Mensch: Die Banken kriegen alles in den Allerwertesten gepustet, die Reichen werden geschont, und ausgerechnet die Finanzschwachen sollen dafür geradestehen! Die Parteien, die dies alles mit verursacht haben, sollten an der Wahlurne zum Teufel gejagt werden! Ansonsten gilt, dass vor den Wahlen alle nur auf Streichelzoo eingestellt sind, doch nach den Wahlen wird gnadenlos geschlachtet. Die Ausgaben für Hartz IV könnten sich drastisch verringern: durch die Einführung eines Mindestlohns in Höhe von zehn Euro netto pro Stunde sowie einem Verbot von Leiharbeit beziehungsweise, wie in anderen Ländern Europas üblich, indem dafür Sorge getragen wird, dass die Leiharbeitslöhne gesetzlich mindestens so hoch wie die Belegschaftslöhne sind! Dann würden auf einem Schlag 1,3 Millionen Hartz-IV-Hungerlohn-Aufstocker wegfallen, die vom normalen Steuerzahler subventioniert werden. Außerdem müssten alle Firmen, die Kurzarbeitergeld aus öffentlicher Hand kassieren, überwacht werden, damit sie während dieser Zeit keine billigen Leiharbeiter einsetzen, während die Angestellten zu Hause sitzen.

 

3. Laut einem Bericht des „Tagesspiegels“ könnte das menschenverachtende Hartz IV – die schikanöse Armut per Gesetz, die mittels Verfolgungsbetreuung und Zwangsarbeit die Erwerbslosen quält – nach der Wahl abgeschafft werden: Angesichts von drohenden Massenentlassungen hat es jeglichen „Sinn“ verloren, den Druck noch weiter zu erhöhen. Den Spezialdemokraten sind die Wähler in Scharen davongelaufen und haben den Aufstieg der Linkspartei möglich gemacht. Aber der neoliberale Abbau des Sozialstaates sorgte für eine gnadenlose Umverteilung von unten nach oben, einen unverantwortlichen Ausbau des Dumpinglohnsektors und für eine Stigmatisierung der Erwerbslosen, die als Sündenböcke nun für das Versagen der Politiker herhalten sollen. Ob die Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik je wieder handlungsfähig werden wird oder sich auch weiterhin von den Interessen der Wirtschaft lenken lässt, bleibt ein offenes Geheimnis! Dass in Richtung Abschaffung von Hartz IV gedacht wird, zeigte auch beim Parteitag der FDP der unausgegorene Gedanke, die Erwerbslosen mit lächerlichen 600 Euro monatlich abspeisen zu wollen. Es steht zu befürchten, dass eine neue Transferleistung geringer ausfallen soll, obwohl schon die jetzige bei Weitem nicht ausreicht, um davon leben, geschweige denn an der Gesellschaft teilhaben zu können!

 

4. Erstaunlicherweise zieht ungeachtet der allseits bekannten Problematik die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg eine positive Bilanz nach vier Jahren Hartz IV: Vorstand Heinrich Alt behauptet, das System funktioniere. Angeblich befänden sich derzeit 6,5 Millionen Menschen in der Grundsicherung, wovon 4,7 Millionen erwerbsfähig seien. Ein zentraler Erfolg sei die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, die fast halbiert worden sei. Auch die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit konnte demnach durchbrochen werden. Wie die Darstellung frisiert, äh: belegt werden soll, dass in den vergangenen vier Jahren die Zahl der Langzeitarbeitslosen um tatsächlich sage und schreibe 18 Prozent gesunken sei, wird leider nicht zu erklären versucht. Na, dann wird es doch Zeit, mit dem alten Heinrich zu jubeln, dass es ihm erfolgreich gelungen ist, die Statistik zur Jugendarbeitslosigkeit mit „Maßnahmen“ und Ein-Euro-Jobs zu euphemisieren. Ist er möglicherweise grenzdebil?

Das System funktioniert in der Tat. Es fragt sich nur, von welchem hier in Wirklichkeit die Rede ist! Das eigentliche Ziel von Lohndumping, Entrechtung weiter Bevölkerungsschichten und Erhöhung des Drucks auf die Arbeitnehmer wurde freilich erreicht. Die Betroffenen wurden ihrer Würde beraubt, finanziell von Almosen abhängig gemacht und der Willkür der „Leistungsträger“ ausgesetzt. Der Grad des Verfalls unserer Gesellschaft und des Sozialstaates ist daran messbar, wie mit den Schwächsten im System umgegangen wird. Noch haben wir Sozialgeld, Hartz IV und ein Arbeitslosengeld, doch wenn jene Lügner in Nadelstreifen in der Politik mit ihren Plänen durchkommen, wird dieses System von hinten nach vorne aufgerollt und vernichtet werden. Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Kuschen, Schnauze halten, nur ja nicht unangenehm auffallen...

 

5. Der Deutsche Gewerkschaftsbund warnt vor einer weiteren Verschärfung der sozialen Lage in Deutschland. Nach seinen Berechnungen rutscht jeder vierte Arbeitslose direkt in Hartz IV. Der DGB fordert Sofortmaßnahmen, um die Krisenfolgen abzumildern. Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach warnte am Donnerstag in Berlin vor einer gefährlichen Entwicklung, die sich im Laufe des Jahres wahrscheinlich noch deutlich verschärfen wird. Grund sei die nur kurze Beschäftigung vieler Arbeitnehmer, die damit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hätten. Linksfraktions-Chef Oskar Lafontaine sagte, Mini-Jobs, Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge führten zu immer kürzeren Beschäftigungszeiten. Ursache der Misere seien die Deregulierung des Arbeitsmarktes und der damit verbundene Abbau des Kündigungsschutzes. Er verlangte, dass in der jetzigen Wirtschaftskrise nicht nur die Finanzmärkte reguliert werden müssten, sondern auch der Arbeitsmarkt. Daher fordere er die Abschaffung von Hartz IV.

 

6. Ist es denn zu glauben: Zwölf Aufsichtsratsvorsitzende großer deutscher Unternehmen wehren sich gegen die geplante Verschärfung für Managergehälter! Sie haben deshalb einen Protestbrief an Kanzlerin Angela Merkel geschrieben, in dem sie eine Rücknahme der Regierungspläne fordern. Sie bringen auch ihr Missfallen darüber zum Ausdruck, dass die Diskussion über Managergehälter ein falsches Bild der wirtschaftlichen Verantwortungsträger reflektierte. Man stelle sich vor, dass gar die Vertragsfreiheit der Unternehmen eingeschränkt würde! Die Manager warnen nachdrücklich davor, unternehmerische Entscheidungen wie die Gestaltung von Vorstandsverträgen bis ins Detail zu verrechtlichen. Besonderen Unmut erregt bei den Managern die Vorschrift, dass zwischen einem Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat eine zweijährige Karenzzeit liegen soll. Dem „Handelsblatt“ sollen Unterlagen vorliegen, wonach Unions-Fraktionschef Kauder Kauderwelsch ablassen wolle, um die Karenzzeit wieder zu kippen. Angesichts der Tatsache, dass mit der größten Selbstverständlichkeit den Hartz-IV-Beziehern jegliche Vertragsfreiheit genommen wurde und sie zu Zwangsarbeit gezwungen werden, finde ich es schlimm genug, dass die Manager glauben, etwas fordern zu können! Die können ihren Hals nicht voll kriegen! Dazu fällt mir inzwischen nur noch ein: Dann heult doch!

 

7. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Rostock ist FDP-Chef Guido Westerwelle von einem Ei am Hinterkopf getroffen worden. Die FDP teilte mit, ihr Vorsitzender sei nicht verletzt worden. Es seien zwei Eier geworfen worden, von aber nur eines traf. Die Suche nach dem Tatverdächtigen blieb bisher erfolglos, obwohl ein braver Parteianhänger selbst entschied, wen er für verdächtig hielt, diese Personen fotogravierte und die Bilder der Polizei übergab. Nicht, dass ich das billigen dürfte, aber: So etwas kann einem passieren, der in meinen Augen Volksverhetzung betreibt! Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Der FDP-Sprecher stellte zugleich die Polizeitaktik an dem Abend infrage: Trotz des Eierwurfs auf den FDP-Vorsitzenden sei die herbeigerufene Polizei nach Aufnahme der Anzeige noch vor Ende der Veranstaltung wieder abgerückt. Wahrscheinlich hätte eher noch eine Hundertschaft geholt werden müssen!

 

8. Am vergangenen Samstag versammelte sich auf dem Ziegenmarkt im Steintor eine Demonstration „Für eine deutsche Friedenspolitik“. Der Demonstrationszug setzte sich dann in Richtung Hillmannplatz in Bewegung. Eine Stunde später schilderte der Theologe und Psychologe Eugen Drewermann die Schrecken der drei letzten Kriege, die von deutschem Boden ausgingen, und die Methoden, wie das eigene Gehirn ebenso wie das Gewissen praktisch ausgeschaltet werden müssen, um mit dem Militär mitmarschieren und den unmenschlichen Befehlen Folge leisten zu können. Mittels einer rigiden, die Persönlichkeit ausschaltenden Militärführung kann sich meiner Meinung nach kaum ein Krieg dafür eignen, Freiheit zu erstreiten!

Das deutsche Volk wird bei den Pseudo-Befreiungseinsätzen des Militärs beispielsweise in Afghanistan ständig belogen. Permanent werden wir von gleichgeschalteten Medien einer Gehirnwäsche unterzogen, die uns weismachen will, dass sich mit Krieg etwas gegen den Terror ausrichten lasse oder gar ein Krieg gegen das Böse Sinn ergebe! Ich kann nur hoffen, dass Besucher dieses Heiteitei-Kirchentages einmal etwas aufgerüttelt wurden, denn diese Problematik wurde offenbar nicht thematisiert und stattdessen den Neuanwerbungen des Militärs Platz gewährt. Gehirn anschalten ist sehr empfehlenswert! Mir wurde mal wieder überdeutlich bewusst, weshalb der klar und eigenständig denkende Eugen Drewermann seiner Posten bei der katholischen Kirche beraubt wurde. Eigenständiges Denken ist nicht erwünscht! Über eine Stunde lang sprach Herr Drewermann frei und aufrüttelnd zu den interessiert Lauschenden. Ich war sehr beeindruckt.

 

9. Am Sonntag stand im „Weser-Kurier“ zu lesen, dass Hartz-IV- Bezieher, die den vollen Preis für Eintrittskarten zum Kirchentag bezahlt haben, sich diese bis zum 15. Juni erstatten lassen können. Darauf haben jetzt die Organisatoren der Großveranstaltung in der Hansestadt hingewiesen. Toll, dass sie das tun, wenn der Kirchentag praktisch schon vorbei ist! Mir als Agnostikerin machte das nichts, doch weiß ich von finanziell armen, gläubigen Christen, die sich diesen Kirchentag nicht leisten konnten und sich vollkommen zu Recht ausgeschlossen fühlten. Das wäre nicht im Sinne Jesu gewesen, der alle Interessierten zugelassen haben soll!

Zuvor fragte ich mich, welche Hartz-IV-Bezieher sich wohl den ermäßigten Preis von 49 Euro für bloße vier Tage leisten könnten. Das ist ein Siebtel der mageren 351 Euro monatlich! Wo leben denn diese Kirchenleute, dass sie solche „Ermäßigungspreise“ für bezahlbar halten? Wenn dann am letzten Tag die Zeitungsmeldung erscheint, dass sich ALG-II-Bezieher das Geld für die Eintrittskarte zurückholen dürften, weiß ich nicht, in welcher Welt die Veranstalter leben. Welche Hartz-IV-Bezieher können sich denn einen „Weser-Kurier“ leisten? An die finanziell Armen wurde ganz bewusst nicht gedacht! Wer sollte sich so eine Karte gekauft haben können, etwa vom ALG II? Wer will, dass auch finanziell Ausgegrenzte daran teilnehmen können, der verbreitet dies im Vorfeld, andernfalls wird er unglaubwürdig! Der 32. Kirchentag sollte wohl nicht wirklich auch den Armen zur Verfügung stehen!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Keine Gewalt: Männer leben besser, wo Frauen
das Sagen haben („Spiegel-Online“)
 
Von allen Seiten: Tschechischer Spezialdemokrat wird in
jeder Stadt mit Eiern beworfen („Tagesschau“)
 
General-Motors-Pleite: Trümmerhaufen wird verstaatlicht („Spiegel-Online“)
 
Opel-Pleite: Als Nichteigentümer macht sich der Staat mit
nutzlosen Rettungsmodellen lächerlich („Spiegel-Online“)
 
Verfassungsbruch durch Parlamentsmehrheit: Im „Windschatten“ der Opel-Pleite führt die Große Koalition das Gesinnungsstrafrecht ein („Junge Welt“)
 
Staat der Konzerne: Beschlüsse zur Bahnprivatisierung auf Basis der Manipulation von Öffentlichkeit, Parlament und Regierung gefasst („Junge Welt“)
 
Schwarzer Baron von Zweifeln geplagt: Warum sollten die amerikanischen GM-Gläubiger das Filetstück Opel an die Russen verschenken? („Spiegel-Online“)
 
Wut in Bochum: Wo die MLPD einflussreich ist, müssen sich Arbeits­platzvernichter etwas einfallen lassen („Frankfurter Rundschau“)
 
Bitte unterschreiben: Petitionen gegen Atomkraft,
Bombodrom und Rassismus („Campact“)
 
Auf zur Lernmesse: Da haben Sie was Eigenes („Cinemaxx“)
 

 
35 Milliarden aus dem Fenster geschmissen: HRE-Rettungspaket in Höhe des
Hartz-IV-Jahresetats wurde ohne jede Prüfung vergeben („Spiegel-Online“)
 
Opel, Porsche, Karstadt: Wie viele Milliarden an Steuergeld haben die Wahlkämpfer diese Woche verballert? („Frankfurter Allgemeine Zeitung“)
 
Mangelhafte Schülerarbeit: Warum das Grundgesetz
nicht der Rede wert ist („Junge Welt“)
 
Die Häkchen-wechsel-dich-Routine: Wie Hartz-IV-Betroffene mit ungerechtfertigten Zahlungseinstellungen traktiert werden („Die Linke“)
 
20,8 Prozent: Die SPD kann nur noch winseln, dass sie
mit der CDU koalieren darf („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz