204. Bremer Montagsdemo
am 27. 10. 2008  I◄◄  ►►I

 

Heute ist Weltspartag

„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, sagt das Sprichwort. Was geht mich das an? Ich habe doch nichts zum Sparen... Denkste! Auch im Hartz-IV-Regelsatz sollen 50 Euro zum Sparen enthalten sein: für Fahrrad, Waschmaschine oder Kühlschrank. Übrigens – in diesem Land sparen eigentlich fast alle!

Die Unternehmer sparen besonders viel: an Arbeitsplätzen – auf deutsch: mehr Arbeitslose –, an Löhnen – auf deutsch: mehr Armutslöhne –, an Sozialversicherung – auf deutsch: schlechtere Sozialleistungen.

Die Arbeitsagentur hat Milliarden-Überschüsse erspart, weil sie den Erwerbslosen Milliarden an Leistungen und Weiterbildung vorenthalten hat. Der Bund spart an den Arbeitslosen und die Länder an der Bildung. Die Kommunen sparen an allen Ecken und Enden: an der Jugend, den Alten oder den Kosten der Unterkunft für ALG-II-Empfänger und Rentner.

Nur unsere Banker und Zocker – oder wie sie alle heißen, die lustig im Finanz-Kasino Milliarden verspielen –, die sparen nix! Brauchen sie auch nicht, die Regierung sorgt schon dafür, dass die sparsame Bevölkerung ihnen die ärgsten Schäden wieder ersetzt: Die Arbeitnehmer(innen) mit ihren Steuern – und sie und alle anderen, weil Bund, Länder und Gemeinden noch mehr bei Schulen und Schwimmbädern, Radwegen und anderen öffentlichen Leistungen sparen müssen.

Schließlich wollen die großen Unternehmer und Finanzjongleure auf ihre Hobbys nicht verzichten: Kreuzfahrten, Segeln, Firmen kaufen und verkaufen und andere schöne Sachen. Irgendwie bleibt das verlorene Geld ja doch unter ihnen und ihren Kumpels. Zu uns kommt es nämlich nicht! Deshalb können wir uns darüber auch nicht freuen.

Für uns gibt es nur zwei Möglichkeiten: Gürtel enger schnallen, bis wir keine Luft mehr kriegen, oder das 500-Milliarden-Spiel nicht mehr mitspielen! Warum sollen wir für die Gier derer aufkommen, die unsere Armut verschuldet haben? Reichtum ist die Fähigkeit abzuschöpfen – und die um ihren Verdienst Betrogenen als Schuldige und Verlierer darzustellen. Wir verlangen unser Recht auf ein gutes Leben auch als Erwerbslose!

Die globale Überlegenheit des Kapitalismus sieht so aus: 385 Milliardäre besitzen mehr als die halbe Menschheit! 2007 gab es 1.125 Milliardäre. Wie viel besitzen sie? Woher haben sie ihr Geld? Was besitzt der größte Teil der Menschheit? Wie ändern wir das? Nicht, indem wir alles schlucken, was man uns vorsetzt!

Flugblatt des „Bremer Erwerbslosenverbandes

 

Soziale Grund- und Förderrechte Bedürftiger zielgerichtet verletzt

Elisabeth Graf1. Aha, was teilt uns die „576.“ Armutsstudie mal wieder mit? Natürlich dass die soziale Ungleichheit hierzulande rasant wächst und die Kluft zwischen Arm und Reich Deutschland immer weiter auf­reißt! Schneller als in den meisten anderen Industrieländern der Welt haben sich die Einkommensunterschiede und die Armutsquote bei uns drastisch verschlimmert. Nach dieser neuesten OECD-Studie hat der Anstieg zwischen 2000 und 2005 die Zunahme in den vorherigen 15 Jahren übertroffen. Während die Armutsquote in Deutschland Anfang der Neunzigerjahre noch rund ein Viertel geringer war als im OECD-Mittel, liegt der Anteil der Menschen, die in relativer Armut leben, der Studie zufolge mittlerweile knapp über dem OECD-Schnitt. Kein Wunder, denn seit Mitte der Neunzigerjahre bewegten sich die Löhne und Gehälter drastisch auseinander!

Auch ist der Anteil der Menschen, die in Haushalten ohne jegliches Erwerbs­einkommen leben, auf 19,4 Prozent gestiegen – der höchste Wert innerhalb der 30 OECD-Mitgliedsstaaten. Ebenso hat sich der Anteil der Single-Haushalte und Alleinerziehenden deutlich erhöht – und kleinere Haushalte benötigten ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als größere, um denselben Lebensstandard zu erreichen. Wachsende Armut ist auch immer wieder „weiblich mit Kind“! Und warum wächst die Kluft zwischen Armen und Reichen nun? Weil die Löhne der ohnehin gut Verdienenden überdurchschnittlich stark gewachsen sind und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit niederem Bildungsstand gestiegen sei.

Das klingt in meinen Ohren aber wie selbstgestrickt, staatlich gesteuert, denn dies sind ja keine unausweichlichen Naturkatastrophen, gegen die Politiker machtlos wären! Ich befürchte, dass die Zahlen drastisch ansteigen, wenn die Auswirkungen des menschenverachtenden Hartz IV hinzugenommen und die aus der Statistik herausgemogelten ALG-II-Bezieher wieder mitgezählt werden. Wenn nicht endlich mehr Geld für Frühförderung und Bildung bereitgestellt wird, dann steht zu befürchten, dass in Ländern mit einem hohen Einkommensgefälle – wie eben Deutschland – die Chancen für Kinder schlechter stehen, das Bildungsniveau ihrer Eltern zu übertreffen. So wird die soziale Mobilität deutlich niedriger ausfallen. Willkommen in der Ständegesellschaft, Deutschland! Auf, auf zum fröhlichen Rückschritt ins Mittelalter! Es muss doch wieder hinzukriegen sein, dass der dritte Stand aus 90 Prozent der Bevölkerung besteht!

Bei der Gesundheitsversorgung ist dies fast schon gelungen, wenn 80 Prozent der Kassenpatienten eine weitaus schlechtere medizinische Betreuung erhalten als die 20 Prozent Privatpatienten. Jedenfalls ist Deutschland inzwischen zum Negativbeispiel geworden, wenn es um die Geschwindigkeit geht, mit der Armut und Einkommensungleichheit zugelegt haben. Wie viele Berichte und Erhebungen „brauchen“ wir eigentlich noch, um der galoppierenden Armut entgegenzuwirken? Üblicherweise sollte nach der zigsten Erkenntnis doch mal eine Handlungsoffensive beginnen, eine staatliche Notbremse gezogen werden! Oder müssen wir uns vorstellen, dass die Umsetzung von Erkenntnis bei Politikern analog zur Verdauung bei Rindviechern verläuft, deren Nahrung erst fünf Mägen durchlaufen muss, bevor sie weiterverarbeitet werden kann? Bloß stellte ich mir dabei als Ergebnis eigentlich nicht gerade Kuhfladen vor!

 

2. Der Ludwigsluster Arge-Chef Bernd Hentrich und seine Stellvertreterin Sigrid Müller sind „entsetzt“ über ein neues Internetforum, in dem interessierte und aufmerksame Nachbarn sogenannte „Hartz-IV-Betrüger“ anschwärzen können: Die Etikettierung als „Hartz-IV-Betrüger“ sei eine unerträgliche Verunglimpfung und Kriminalisierung – wenn jetzt alle Hartz-IV-Bezieher unter Generalverdacht gestellt würden, könnten sie leicht zum Freiwild für Diffamierungssüchtige und Sozialneider gemacht werden. Für Joachim Rosseburg, den Vorsitzenden des „Ver­eins für soziale Aufgaben in Brandenburg“, der dieses allerliebste Hetzforum ins Leben gerufen hat, ist die ganze Aufregung unverständlich, weil es ja „Sozial­schmarotzer“ gebe, unter denen die Allgemeinheit leiden müsse.

Ich finde solch ein Forum natürlich auch unerträglich, doch regen sich hier die Falschen darüber auf! Die ganze Hartz-IV-Politik, diese Verfolgungsbetreuung, macht doch überhaupt nicht anderes, als alle Erwerbslosen unter den Generalverdacht des pausenlosen Betruges zu stellen – oder warum müssen ALG-II-Bezieher ihre Kontoauszüge vorzeigen, haben wir Stallpflicht, müssen jeden Mückenpups belegen? Das „Erwerbslosenforum Deutschland“ hingegen empört sich zu Recht und fordert die brandenburgische Landesregierung auf, alle Schritte zu unternehmen, dass dem „Verein für soziale Aufgaben in Brandenburg“ sofort die Gemeinnützigkeit aberkannt wird.

Der Verein fordert ganz offen dazu auf, vermeintliche Sozialleistungsbetrüger in einem öffentlichen Internetforum zu benennen. Für jede erfolgreiche Verurteilung würde der Verein 1.000 Euro Belohnung bezahlen. Der eigentliche Vereinszweck ist aber laut Satzung die häusliche Betreuung und Krankenpflege. Diese übelste Denunziation von bestimmten Bevölkerungsgruppen ist weder gemeinnützig noch mit irgendeinem Demokratieverständnis vereinbar! Das Prinzip der bewussten Dehumanisierung löst bei mir grauenhafte Verknüpfungen zu den Schrecken des Nationalsozialismus aus!

 

3. Schon wieder fließt eine „Neuigkeit“ durch den Äther: Arbeitslose Hartz-IV-Bezieher seien nicht „arbeitsunwilliger“ als andere Erwerbslose, aber „schlechter qualifiziert“ und hätten deswegen schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Gruppe der ALG II beziehenden Arbeitslosen beträgt inzwischen bundesweit satte 70 Prozent, hat es also zu einer traurigen Mehrheit gebracht. In den Stadtstaaten liegt dieser Anteil oft noch weit darüber. Angeblich sei ein Drittel aller Arbeitslosen als „arbeitsmarktfern“ zu bezeichnen, weil sie entweder einen angebotenen Job nicht annehmen würden, oder weil sie sich selbst nicht um eine Stelle bemühten. Ältere Arbeitslose seien vielfach nicht mehr bereit, am Arbeitsmarkt „teilzunehmen“.

Ich könnte es ihnen nicht verdenken, wenn sie irgendwann einfach keine Lust mehr auf diese sinnlosen Bewerbungen haben, weil sie das derzeit bei 35 Jahren liegende „Verfallsdatum“ schon lange überschritten haben und ohnehin nicht mehr vermittelt werden können! Meiner Meinung nach müsste es korrekter heißen, dass erwerbslose ALG-II-Bezieher weder fauler noch fleißiger sind als Erwerbstätige. In der Meldung wurde da sicherlich etwas unklar bis falsch ausgedrückt, um bloß nicht zu günstig für Langzeiterwerbslose zu klingen! Schließlich dürfen Sündenböcke niemals irgendwie positiv, nicht einmal eine kleine Prise weniger negativ dargestellt werden. Am Ende bröckelte gar das Feindbild!

 

4. Seit einiger Zeit verfolge ich im „Erwerbslosenforum“ mit wachsendem Entsetzen die Ereignisse im Leben des Bruno S. Dieser stellte wiederholt unbequeme Fragen an den CDU-Ortsvorsteher X eines Vorortes von Freiburg und Mitarbeiter der Arge Hochschwarzwald. Per einstweiliger Verfügung wehrte sich der und sorgte damit vor zehn Tagen für die Verhaftung des schwer kranken S. Wegen eines Formfehlers kam es jedoch nicht zur Inhaftierung. Polizei und Gerichtsvollzieher überließen S., der dringend Medikament benötigt und kein Geld dabei hatte, sich selbst. Mit Müh und Not schleppte sich S. über zwölf Kilometer nach Hause.

Verhaftet wurde S. wegen der Frage „Wieso haben Sie nicht einmal die Familie informiert, als Sie meinen Vater ins Krankenhaus brachten und er dann drei Wochen später starb?“ Das Amtsgericht Freiburg hatte ihm verboten, diese Frage an den CDU-Ortsvorsteher und Beamten der Arbeitsagentur zu stellen. Damit sollte wohl ein Exempel statuiert werden: Hartz-IV-Bezieher Bruno S. soll sich damit zufrieden geben, dass der Beamte einer Hartz-IV-Behörde die Aussage zu seinen Aktivitäten um den Tod des Vaters verweigert und sich ausdrücklich auf sein Schweigerecht beruft.

Das Drama begann mit dem Todesfall im September 2002 und findet den vorläufigen Höhepunkt am Morgen des 18. Oktobers 2008, als Bruno S. in die Freiburger JVA verbracht wurde. Das Ziel, S. zum Schweigen zu bringen, wurde über einem juristischen Trick erreicht: Der ALG-II-Bezieher wurde zu einem utopischen Ordnungsgeld von 20 Tagessätzen zu 100 Euro und 5.000 Euro Sicherheitsleistung oder 20 Tagen Gefängnis verurteilt. In der JVA stellte sich jedoch heraus, dass der Gerichtsvollzieher keinen ordentlichen Haftbefehl beantragt hatte. S. musste daher sofort wieder freigelassen werden. Weder Polizei noch Gerichtsvollzieher sorgten für die Rückreise des schwer kranken S. und überließen ihn sich selbst, obwohl bekannt war, dass er keine Medikamente gegen seinen Diabetes eingenommen hatte und seit Ende August krankgeschrieben war.

Die Polizei behauptete, dass sie ihn nicht mehr mitnehmen dürfe. Obwohl S. auf seine Krankheit hinwies und keine Möglichkeit hatte, nach Hause zu fahren, stellte die Polizei selbst die einfache „Diagnose“, dass er auf sie einen „normalen Eindruck“ mache, und ließ den Diabetiker einfach stehen, obwohl S. während der Fahrt mehrere Erstickungsanfälle in unmittelbarer Nähe eines Polizisten gehabt hatte. Der Feierabend schien wichtiger zu sein! S. wurde in einem schlimmen Zustand von einem Bekannten zu Hause angetroffen, der ihn erst mal versorgte und Hilfe organisierte.

Für das Gericht muss es völlig klar gewesen sein, dass S. die verhängte Strafe zu einem Tagessatz zu 100 Euro nicht aufbringen konnte. Weil kein Sozialleistungsbezieher jemals einen so hohen Satz bezahlen kann, bleibt die Frage nach der Rechtswidrigkeit dieser Festsetzung im Raume stehen. So soll wohl versucht werden, unbequeme Frager loszuwerden! Es entsteht der Eindruck, dass auf Beamtenkollegen untereinander „Verlass“ ist. Dabei ist S. auf dem Weg zur Wahrheit sehr weit vorangekommen. Er konnte beweisen, dass sowohl der Anwalt und Schwiegersohn des CDU-Politikers X sowie der Finanzbetreuer des Vaters von S. die Hinterbliebenen jahrelang belogen hatten. Der Finanzbetreuer hatte zunächst das Landgericht belogen, wurde jedoch mit seinen eigenen Unterlagen überführt. Lügen haben kurze Beine!

Der Vater von S. war gar nicht so plötzlich verstorben, wie der Politiker dies verbreitet hatte, sondern kämpfte mindestens sechs lange Tage gegen den Krebs­tod. Der Politiker und Arbeitsagenturmitarbeiter X. hatte jedoch angeblich keine Zeit, die Familie zu informieren. Er gab vor, von alledem nichts gewusst zu haben. Neue Unterlagen beweisen jedoch, dass er als Betreuer aktiv war, bereits vor dem Patienten über die tödliche Diagnose informiert war, sogar dem Pflegeheim zustimmte und seinen Aufgaben nur zum eigenen Nutzen nachging. Die Arbeit als Betreuer hatte er auch zunächst dem Gericht verschwiegen.

Darüber hinaus hatte er aber sehr wohl die Zeit, vom Konto des Sterbenden über 33.000 Euro bar abzuheben und ihm, angeblich ein paar Tage vor dem Tod, im Krankenhaus zu übergeben. Wie sich später herausstellte, war der Sterbende da schon nicht mehr klar ansprechbar: Er lag bereits im Todeskampf. Der CDU-Politiker attestierte in der anschließenden Notariatsaufstellung, also an Eides statt: „Bargeld 0,00 Euro“. Kein Cent für Telefonate oder Getränke? Nicht einmal pro forma wurde dies überprüft. All das wirkt sehr dubios! X. hat den Verstorbenen dann einfach gegen den Willen der Familie verbrennen lassen, wofür er fotokopierte Vollmachten aus der Vergangenheit zusammenstückelte und die Friedhofsverwaltung täuschte.

S. kam der Wahrheit um die Umstände des Tods seines Vaters täglich näher, doch es schien so, als ob er mit allen Mitteln bekämpft wurde, je mehr er zusammentrug. Der arbeitslose S. hatte sich zum Beispiel selbst um Stellen bemüht, die einen Umzug erforderlich gemacht hätten, doch seine zuständige Arge verschleppte etwaige Kostenzusagen so lange, bis die Stelle hinfällig war. In anderen Fällen wurden Anträge von ihm verschleppt beziehungsweise nicht bearbeitet oder völlig rechtswidrig abgelehnt. Auch für den laufenden Monat Oktober bekam S. seine Leistungen erst am 24. ausgezahlt, obwohl diese Anfang des Monats auf seinem Konto hätten gutgeschrieben werden müssen. Hier muss endlich Licht ins Dunkel kommen, um S.’ berechtigte Fragen zu klären. So darf einfach nicht mit Menschen, mit Erwerbslosen, mit Fragestellern umgegangen werden!

In meinen Augen herrscht hier ganz viel Amtsmissbrauch und Kungelei unter hochherrschaftlichen CDU-Mitgliedern, filzig verklebt mit Argen-Bossen vor! Das gehört ans Tageslicht, unters Mikroskop, vergrößert, öffentlich angeprangert, damit endlich die Wahrheit ans Licht kommt und Politiker und Machthaber nicht immer bloß vornehm zurücktreten, sondern ausnahmsweise für ihre Unrechtstaten Rechenschaft ablegen, ja sogar dafür büßen müssen! Nicht immer nur mit zweierlei Maß messen! Dem „Erwerbslosenforum Deutschland“ liegen umfangreiche Dokumente als Beweise vor. Ebenso sind der Initiative die Namen der Beteiligten bekannt.

 

5. Auch ein streitbarer Jurist aus Oldenburg soll mundtot gemacht werden. Dies scheint offenbar eine Moderichtung unseres repressiven neuen Zeitgeistes zu werden, obwohl wir dringend Menschen mit Rückgrat brauchen! Alfred Kroll ist Fachanwalt für Sozialrecht und setzt sich engagiert für seine Mandanten ein, die oft behindert oder finanziell bedürftig sind. Er spricht auch unbequeme Wahrheiten aus, wie jene, dass es ein „Werk der Rechtsvereitelung gibt, mit dem wichtige soziale Grund- und Förderrechte von Bedürftigen zielgerichtet verletzt werden.“

Weil die Verantwortlichen auf den Sozial- und Jugendämtern das nicht auf sich sitzen lassen wollen, muss sich Kroll als Beklagter vor dem Anwaltsgericht Oldenburg verantworten. Die Landeskreisverwaltung hat das Standesverfahren wegen eines unterstellten „schwerwiegenden Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot“ angestoßen. Kroll hatte bei der Vertretung zweier autistischer Kinder gravierende Grundrechtsverletzungen und willkürliche Verwaltungspraktiken der Behörden angeprangert und damit gedroht, dies öffentlich zu machen.

Ich persönlich finde seinen Einsatz sehr löblich! Tatsächlich geht es wohl um mehr als nur ein paar deutliche Worte. Laut Kroll setzen die Behörden vorsätzlich und rechtwidrig hohe Hürden vor die Bewilligung von Sozialleistungen, um Geld einzusparen. Offenbar missfällt den Behörden der Erfolg des Anwaltes. Vielleicht stellt er ihr verkörpertes schlechtes Gewissen dar, das ihnen mitzuteilen versucht, um wie viel einfühlender sie sich selbst in ihren Entscheidungen verhalten müssten? Das Gute: Durch seine Tätigkeit erreicht er viele Grundsatzurteile, die bundesweit veröffentlicht und anderswo bei ähnlichen Fällen herangezogen werden.

Aber weil Therapien für behinderte Kinder teuer sind und im Zeitalter des eiskalten Neoliberalismus alles zur Ware degradiert wird, scheinen diese Bedürftigen nicht den richtigen „Gegenwert“ zu besitzen, sprich: Sie sind das Geld wohl nicht wert! Es ist doch ein Skandal, wenn in der Regel die Betroffenen am Ende in einer Behindertenwerkstatt landen, obwohl sie als Hochbegabte auf die Uni gehen könnten! Kroll rechnet fest mit einem Freispruch vor dem Standesgericht, will aber, wenn nötig, bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Möge ihm der Erfolg gewiss sein!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Hartz IV kommt vors Bundesverfassungsgericht: „Die Regelsätze
reichen nicht aus, um das soziokulturelle Existenzminimum der
Arbeitslosen zu sichern“ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“)

 

„Wenn ihr den Kroll plattmacht, dann macht ihr uns platt!“

Hans-Dieter Binder1. Wir waren in Oldenburg. Verhandelt werden sollte gegen Alfred Kroll, wie Elisabeth berichtet hat. Auf dem Flur vor dem Sitzungssaal standen circa 100 Menschen. Der Saal war verschlossen, die Menschen ungeduldig. Durch Klatschen angeregt, kam der Verteidiger von Herrn Kroll vor die Tür des Sitzungssaals. „Es steht gut, seid ruhig!“, war seine Botschaft. Es hat wenig genützt. Ein Mensch war besonders aufgebracht. Die Justizangestellten vor der Saaltür fühlten sich bedrängt. Sie drohten und ruderten sofort zurück. Der Mensch brachte es auf den Punkt: „Wenn ihr den Kroll plattmacht, dann macht ihr uns platt!“ Beifall und Entspannung folgten.

Herr Kroll hat auch nach gewonnen Verfahren die Verantwortlichen scharf angegriffen. Dies wird ihm angekreidet. Er macht geltend, dass diese einzelnen Verfahren zwar gewonnen wurden, es aber insgesamt einen Handlungsstrang gibt, der nicht ausgehebelt wurde. Recht hat er! Nur bewiesen werden muss dies. Wer also Angaben machen oder Unterlagen für Entscheidungen nach Haushaltsvorgabe beibringen kann, ist hoch willkommen! Alfred hat es verdient, ganz bestimmt! Es waren viele ihm vertraute Gesichter anwesend. Er hat volle Unterstützung und Zustimmung. Presse und Fernsehen waren zahlreich vertreten. Somit einfach mal nachlesen!

 

2. Während die Milliarden alles überschatten, wird unser Trinkwasser gefährdet. Die Freie Hansestadt gewinnt 20 Prozent ihres Trinkwassers in Bremen-Nord. Die SWB betreibt diese Brunnen. Für das Sammelgebiet gibt es noch einen alten Bebauungsplan, der eine gewerbliche Bebauung zulässt: Auf gutem Sandfilter soll nun ein Autohaus errichtet werden. Die Voraussetzungen wurden mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan geschaffen. Der BUND kommentiert: „Das letzte aktive Wasserwerk Bremens beliefert Bremen-Nord mit wertvollem Trinkwasser. Gutes Wasser kann man nur an wenigen Orten gewinnen.“

Inzwischen ist dieser Bebauungsplan der Deputation vorgelegt worden und soll in die Stadtbürgerschaft. Der Text des Bebauungsplans – die Auflagen, Einschränkungen und Nutzungsmöglichkeiten – stehen nicht in der veröffentlichten Version. Außerdem wird auf einen Vertrag mit dem Bauherrn verwiesen. Dieser ist aber nicht beigefügt. Er wurde auch den Deputierten nicht vorgelegt, sondern nur im Bauamt Nord zur Einsicht vorgehalten. Dies ist ein klarer Verstoß gegen die politischen Spielregeln! Warum gehen die Beamten so mit den notwendigen Informationen um? Was sind das für Deputierte, die das mit sich machen lassen?

Auf Nachfrage erfährt mensch im Bauamt Bremen-Nord, der Vertrag werde noch geändert und der vorhabenbezogene Bebauungsplan der Deputation erneut vorgelegt. Ist das eine Tatsache oder ein Abwimmeln? Egal – dieses Autohaus darf dort nicht gebaut werden! Der alte Bebauungsplan ist aufzuheben und die Wassereinzugszone umfassend zu schützen! Dort gibt es feinsten Sandboden. Nur ein Gramm Öl kann zehn Kubikmeter Trinkwasser unbrauchbar machen, von anderen Schadstoffen wie Kaltreiniger ganz zu schweigen. Es gibt keinen Grund, dieses Risiko einzugehen! Stoppt diesen vorhabenbezogenen Bebauungsplan 45 und betreibt die Ausweitung des Wasserschutzgebietes, sofort! Sind die Grünen gegen sicheres Trinkwasser? Gegen den Erhalt der Versorgungssicherheit? In der Deputation waren die Grünen für diesen Plan! Wie wäre er sonst durchgegangen?

Das „Bremer Forum für Wohn- und Lebensqualität“ lädt für Mittwoch, den 19. November 2008, um 20 Uhr zur öffentliche DiskussionsveranstaltungUmweltschutz statt Autoschmutz“ im Kapitelsaal der Domgemeinde an der Domsheide ein. Geladene Gäste sind unter anderem Prof. Heiner Monheim (Verkehrsexperte Uni Trier), Dr. Reinhard Loske (Senator für Umwelt, Bau und Verkehr) und Klaus-Rainer Rupp (stellvertretender Fraktionsvorsitzender „Die Linke“).

 

3. Nun zu den 500 Milliarden Euro plus den anteiligen Risiken aus den Aktionen der EZB plus den Risiken aus der Garantie für die Spareinlagen! Gesamtrisiko? Unbezahlbar! Europaweit soll der Schutz der Spareinlagen auf 50.000 Euro erhöht werden, im zweiten Schritt auf 100.000. Dies ist sehr wichtig: Einer von 16 Trägern der Rentenversicherung hat circa 44 Millionen Euro bei der Lehman Brothers AG als Festgeld angelegt. Auch andere Versicherungsträger haben dort Geld angelegt. Ein Staatssekretär aus dem Finanzministerium sieht diese Termingelder als Spareinlagen an, die durch den Einlagensicherungsfonds abgesichert sind. Sosehr ich dies den Sozialversicherungsträgern gönne – hier war der Wunsch Vater des Gedanken! Allerdings wurde das Vermögen der Lehman Broth­ers AG Deutschland von der Bafin beschlagnahmt. Insofern besteht Hoffnung.

Angenommen, trotz der Riesensummen reichen die 500 Milliarden Euro zur Abwendung der Krise. Wie geht es weiter? Der Staat zahlt dieses Geld an die Banken. Er leiht sich dieses Geld dazu von ihnen. Die Zinsen gehen ebenfalls zulasten des Steuerzahlers. Nein, danke! Am Dienstag gab es hier in Bremen eine Veranstaltung in der Handelskammer. Die Banken sehen keinen Kreditengpass für die Unternehmen. Es werde nur teurer: Die Zinsen müssten angehoben werden. Warum? Zur Bezahlung der jetzigen Aufwendungen müssen die großen Vermögen herangezogen werden, wie von Attac vorgeschlagen! Herr Sinn hat mit sehr unangebrachten Worten eine „Hatz auf die Bankmanager“ angeprangert. Wollte er ablenken von den falschen Prognosen auch seines Instituts? Wie sagte doch Herr Huber als Finanzminister: „Wenn mir einer Bescheid gesagt hätte, dann hätte ich sofort gehandelt“ – oder so ähnlich! Bescheid gesagt hat keiner, genommen haben alle gern.

 

4. Die Bundesagentur für Arbeit hat die Faxen dicke: Im ALG-II-Bereich sind 60 Prozent aller Widersprüche erfolgreich, und die Hälfte aller Klagen wird von den ALG-II-Betroffenen gewonnen. In einer E-Mail-Info vom 29. September 2008 nennt die BA auf Seite 3 unter „Ziel 2“ die „unzureichende Qualifikation von Beschäftigten“ und „unklare Bescheide“ als Gründe. Auf Seite 2 bezeichnet sie im Absatz hinter Punkt 4 die Durchführung von Widerspruchsverfahren ohne Erfolgsaussichten, die von den Grundsicherungsstellen initiiert wurden, als „Verstoß gegen den Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln“. Dies sind klare Worte, die hoffentlich zu einer Verbesserung der Behördenhandlung führen.

Lesbare Bescheide, wie wäre das schön! Einfache Abhilfebescheide, wenn es bereits ein Urteil zur Sache gibt, wie wäre das schön! Die Arge soll Widerspruchsführer einladen und von der Richtigkeit des Bescheides überzeugen, um so eine Rücknahme des Widerspruchs zu erreichen. Der Bescheid soll dazu erläutert und erklärt werden. Auch dies ist eine Chance zur Besserung: Die Arge kann so zu Abhilfebescheiden bewegt werden. Wie dies geht? Wir gehen mit! Insgesamt soll so die Zahl der Widersprüche gesenkt und die Bearbeitungsdauer verringert werden. Damit diese Absicht Wirklichkeit wird, sollten erst einmal die Bescheide lesbar gemacht werden! Zum Glück entdecken immer mehr Sachbearbeiter die Möglichkeiten des Textes. Ein Grund mehr, gegen unverständliche Bescheide Widerspruch einzulegen und um Erklärung zu bitten!

 

5. Die Rentenversicherung und die Argen verstehen sich nicht: Sie spielen Stille Post, und leiden muss der zukünftige Rentner. Wer ALG II erhält, muss die Eintragung in seinem Versicherungsverlauf möglichst bald prüfen. Wenn dort aufgrund eines Übermittlungsfehlers „ALG-II-Leistungen ohne Arbeitslosigkeit“ steht, führt dies dazu, dass die Beiträge nicht berücksichtigt werden. Dann einfach einen Brief an die Rentenversicherung schreiben: „Ich habe ALG II bezogen und war arbeitslos.“ Dies gilt auch, wenn eine Nebentätigkeit ausgeführt wurde. In Bremen kann mensch auch einfach zur Rentenversicherung gehen und die Eintragung beanstanden. Versicherungsverlauf, Ausweis und einen ALG-II-Bescheid aus dem Zeitraum mitnehmen! Wie dies geht? Wir gehen mit!

 

6. Die Bahn hat die Fahrpreise erhöht, nur der Bedienungszuschlag wurde zurückgenommen. Herr Mehdorn hat gewusst, dass eine Ausgabe erheblich zu Buche schlagen wird: Die Prämien für ihn und seine Führungsriege! Bereits im Sommer wurden diese Millionenbeträge beschlossen und sollen nun auch ausgezahlt werden. Belohnt werden soll die Teilprivatisierung. Jetzt soll gezahlt werden, obwohl der Börsengang auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Herr Tiefensee war nicht informiert. Warum auch? Der Bund hat schriftlich auf alle Rechte als Eigentümer der Bahn verzichtet, Hartmut Mehdorn ist Herr im Haus und auch über die Fülle in der eigenen Brieftasche. Dies hat er bereits mehrfach bewiesen. Die Bundesregierung fordert Zurückhaltung von Managern, und im eigenen Haus tanzt die Maus auf dem Tisch! Die Bundesregierung schaut zu, wie Mitarbeiter(innen) der Bahn mit Kündigung bedroht werden, weil der Chef eine Erhöhung seiner Bezüge anpeilt!

 

7. Kinderzuschlag und Wohngeld gehören zu den vorrangigen Sozialleistungen, das ALG II ist nachrangig. Dies regelt § 12a SGB II. Die Argen heben jetzt Bewilligungsbescheide auf und fordern die Betroffenen auf, Wohngeld beziehungsweise Kinderzuschlag zu beantragen. Diese Leistungen und ALG II können nicht gleichzeitig bezogen werden. Die Bundesagentur hat eine überarbeitete Handlungsanweisung zu § 12a veröffentlicht. Das Ziel ist klar: Die Kinder sollen aus dem ALG-II-Bezug verschwinden. Mehr Geld gibt es dafür nicht. Es kann sogar auf Leistungsansprüche verzichtet werden.

Die Entscheidung ist schwierig. Wer von der Arge aufgefordert wird, Wohngeld beziehungsweise Kinderzuschlag zu beantragen, sollte sich diese Ansprüche ausrechnen lassen und die Berechnung schriftlich mitnehmen. Er sollte erfragen, welche Leistungen aus dem SGB II weiterhin gezahlt werden. Es besteht ein Rechtsanspruch auf die höhere Sozialleistung, niemand darf zum Verzicht auf Sozialleistungen gezwungen werden! Auch wenn nur ein Euro Anspruch auf SGB-II-Leistungen besteht, bedeutet dies die GEZ-Befreiung und den Anspruch auf alle Fördermöglichkeiten der Sozialgesetzbücher II und III.

Diese vorrangigen Leistungen bedingen Anträge bei zwei weiteren Ämtern mit unterschiedlichen Formularen und Anforderungen. Den Kinderzuschlag gibt es, wenn der Antrag vollständig (mit allen Unterlagen) gestellt wurde, erst für den Folgemonat. Das Wohngeldgesetz berechnet anteilige Wohnflächen anders als das SGB II. Auf Seite 2 steht Folgendes:

„(1a) Wohngeld bei sogenannten Mischhaushalten. Selbst wenn in einer Bedarfsgemeinschaft ausschließlich der Bedarf der Kinder durch deren Einnahmen und die Inanspruchnahme von Wohngeld gedeckt werden kann, sind die Eltern auf die Beantragung von Wohngeld für ihre Kinder zu verweisen. Die Eltern sind in diesen Fällen nach § 12a Satz 1 in Verbindung mit § 5 Absatz 1 SGB II verpflichtet, einen entsprechenden Antrag für ihre Kinder zu stellen, um dadurch die Hilfebedürftigkeit ihrer Kinder zu beseitigen und gegebenenfalls den Umfang der eigenen Hilfebedürftigkeit zu verringern.

Zwar sind die Eltern als Empfänger von ALG II von einem Anspruch auf Wohngeld ausgeschlossen (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 WoGG). Eine ausgeschlossene Person kann jedoch Wohngeld für Familienmitglieder im Haushalt beantragen, die nicht ausgeschlossen sind. Für die Berechnung des Wohngeldes wird nur der Mietanteil berücksichtigt, der kopfteilig auf das anspruchsberechtigte Familienmitglied (Kind) entfällt.“

Diese Familie hat es jetzt mit vier Behörden zu tun: Wie bisher die Arge fürs ALG II und die Kindergeldkasse fürs Kindergeld. Neu das Wohngeldamt fürs Wohngeld und die Kindergeldkasse für den Kinderzuschlag. Alles mit unterschiedlichen Fristen zur Erreichung eines Ziels! Wie lautete noch mal die Begründung für die Grundgesetzänderung zum Erhalt der Argen? „Anträge und Versorgung aus einer Hand!“ Wenn diese Familie noch ergänzende Leistungen nach dem SGB XII benötigt, ist auch noch das Sozialamt eingebunden. Teilweise muss eine Unterlage mehrfach, aber gleichzeitig und im Original vorgelegt werden. Berufstätige werden die Hauptbetroffenen sein. Damit ist jeder Donnerstagabend Behördenabend!

Die zweite Zielgruppe sind Alleinerziehende. Am Ende der Seite 2 steht: „(1c) Eine darlehnsweise Gewährung von Leistungen nach § 23 Absatz 4 SGB II ist ohne Auswirkungen auf den Wohngeldanspruch möglich.“ Dadurch wird eine Umstellung ohne Lücke möglich. Die Arge zahlt einfach weiter, bis die Zahlung der vorrangigen Leistung erfolgt. Zu regeln ist dies in einer Eingliederungsvereinbarung. Aber bitte nicht gleich unterschreiben, sondern mitnehmen, in Ruhe anschauen und eine Beratungsstelle aufsuchen. Es gilt, einen Vorbehalt einzubauen, falls die vorrangige Leistung niedriger ausfällt.

Um die Kinder umgehend aus dem ALG-II-Bezug zu entfernen, sind viele Klimmzüge und Besonderheiten definiert: Die Zuschläge für Alleinerziehende, für kostenaufwendige Ernährung sowie der nach § 24 SGB I gelten nicht als ALG II. Wer keinen Anspruch auf ALG II hat, besitzt auch keine Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Wer nicht anderweitig versichert ist und durch die Beitragszahlung zur Kranken- und Pflegeversicherung wieder hilfebedürftig würde, erhält von der Arge auf Antrag einen Zuschuss in der Höhe eines Beitrages zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung. Auch diese Leistung gilt nicht als ALG-II-Bezug. Recht kompliziert? Kompliziert ja! Aber rechtens? Dies wird sich zeigen! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Aktienindex manipuliert: Durch willkürlich stärkere Gewichtung der
grotesk überbewerteten VW-Aktie wird der Absturz des DAX
scheinbar gebremst („Spiegel-Online“)

 

Warum gibt es immer noch kein Sozialticket in der Freien Hansestadt?

Gudrun Binder1. Die BSAG rechnet und rechnet und weiß anscheinend nicht, wie und wo sie die Zusatzeinnahmen unterbringen soll: Wenn jeder in Bremen lebende arme Mensch sich das Sozialticket leisten würde, kämen jährlich 14 Millionen Euro zusätzlich in die Kasse der BSAG! Der Preis dieser Monatskarte darf nicht höher als 18,11 Euro ausfallen, weil das der Betrag ist, den das ALG II für „Verkehrsdienstleistungen“ enthält. Eine absolute Lachnummer, wäre es nicht so traurig für die Menschen, die damit überleben müssen!

Nun will die BSAG schon seit fast zwei Jahren eine „kostenneutrale“ Monatskarte entwickeln. Ich denke, das geht nicht, denn die erheblichen zusätzlichen Einnahmen sind nun mal da! Die BSAG wird sie sicher nicht dafür anlegen, die Fahrpläne zu ändern oder polnische Zusatzbahnen und -busse zu leasen. Das will uns doch wohl keiner weismachen!

Die BSAG muss auch gar nichts ändern, weil die 70.000 sozialticketberechtigten Menschen bestimmt nicht alle auf einmal zur selben Zeit an einer einzigen Haltestelle stehen werden. Die Gesamtzahl der Personen verteilt sich über den ganzen Tag und die Nacht. Apropos Nacht: Nicht vergessen, dass der Nachtzuschlag natürlich auch im Sozialticket enthalten sein muss!

Wer nun noch mal erzählt, dass eine billige Monatskarte für die sozial schwache Bevölkerung nicht möglich und machbar ist, sagt die Unwahrheit. Außerdem könnte der Druck auf die Bagis für eine Erhöhung der „Verkehrsdienstleistungen“ erhöht werden, würde jede und jeder die eigenen Fahrtkosten für die Bagis mit der Behörde abrechnen!

 

2. Was ist eigentlich mit den Ratingagenturen inzwischen geschehen? Werden sie noch von irgendwelchen kaufmännischen Einrichtungen in Anspruch genommen? Gibt es sie noch? Ich hoffe doch sehr, dass das nicht der Fall ist: Diese Agenturen gehören schleunigst aufgelöst! So lange so falsch beraten zu werden, kann sich das solventeste Unternehmen nicht leisten, wie wir ja erlebt haben. Rating bedeutet Einschätzung, und ich schätze mal, hier wurde wirklich geschätzt, und zwar Pi mal Daumen!

Ich schätze auch, die Agenten hatten entweder null Ahnung oder ihre Gründe; beides ist gleich schlimm. Anders kann und will ich mir diese wiederholten Fehlprognosen von Experten nicht erklären. Oder handelt es sich vielleicht um selbsternannte Fachleute? Auch diese angeblichen Experten haben für ihre miese Arbeit sehr gut abkassiert. Wenn sich Verdienst nach Leistung richtet, dann müssen nicht nur die betrügerischen Bankmanager, sondern auch diese fahrlässig arbeitenden Agenten zur Kasse gebeten und zur Verantwortung gezogen werden. Und das alles bitte global!

Ratingagenturen bestimmen durch die Eigenkapitalvereinbarungen Basel I und Basel II das ganz normale Kreditgeschäft jedes mittelständischen Unternehmens: Ein schlechtes Rating, und der Kredit wird teuer. Rating soll die Einschätzung der Hausbank ergänzen und ist gut zum „Verstecken“. Basel II gehört somit ebenfalls auf dem Prüfstand. Zwangsrating ist abzuschaffen!

 

3. Die Koordinierungsgruppe der Montagsdemonstrationen ruft für den 8. November 2008 zur nunmehr 5. bundesweiten Herbstdemonstration unserer Bewegung in Berlin auf. Hier in Bremen wollen wir einen Bus chartern und nehmen Anmeldungen zur Mitfahrt per E-Mail an Jobst.Roselius(at)nord-com.net, telefonisch unter 0421-705 687 oder montags auf dem Marktplatz entgegen. Wir hoffen, dass wir wieder mit attraktiven Fahrpreisen von sieben Euro für Hartz-IV-Betroffene, 15 Euro für ALG-I-Bezieher und Rentner sowie 25 Euro für Verdiener zurechtkommen werden und auch Mittellosen die Mitfahrt ermöglichen können. Der Bus fährt um 6 Uhr ab ZOB Breitenweg. Kommt alle mit und demonstriert mit uns gegen diese Regierung und ihre unsoziale Politik!

Gudrun Binder (parteilos) – siehe auch „Die Linke
 
„Konjunkturprogramm“: Im Jahr 2009 zahlt die Bundesregierung 30.000 Euro Ausbeutungssubvention pro Beschäftigten („Die Welt“)
 
Fingerabdrücke abgenommen: Demonstranten betasten Anzeigetafel
mit Kurseinbrüchen („Spiegel-Online“)

 

„Was ist der Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“

Harald BraunDiese Feststellung von Bertolt Brecht ist heute aktueller denn je. Überall auf der Welt bekommen die Banken Milliardengeschenke, die wir – das Volk – über kurz oder lang bezahlen sollen. Jahrelang hat uns die Regierung weismachen wollen, es sei kein Geld da. Innerhalb einer Woche konnte sich nun die Große Koalition auf Steuergeschenke an die Spekulanten einigen – aber eine Anhebung des Regelsatzes für Hartz-IV-Empfänger dauert Jahre und muss durch den Protest der Bevölkerung erst erkämpft werden!

Wer als Arbeitsloser leben muss, weiß nicht, wie er die Klassenfahrt seiner Kinder bezahlen soll. Und die Bankmanager jaulen auf, wenn ihr Jahreseinkommen auf eine halbe Million gekürzt werden soll! Ich finde, die Spekulanten sollten keinen Cent bekommen. Die Banken sollen ihr Finanzdesaster mit ihren Gewinnen bezahlen! Wir sind nicht für ihre Krise verantwortlich. Die verantwortlichen Spitzenmanager, die die Milliarden verzockt haben, gehören strafrechtlich verfolgt und müssen mit ihrem gesamten Vermögen haftbar gemacht werden!

Aber wir müssen noch weitergehen und den ganzen kapitalistischen Irrsinn beenden. Mit den Milliardengeschenken an die internationalen Banken könnten der Hunger und die Armut auf der ganzen Welt sofort beendet werden. Es ist kein Wunder, wenn kaum eine Talkshow im Fernsehen mehr um die Frage herumkommt, ob dieses Wirtschaftssystem überhaupt noch funktioniert. Der Kapitalismus ist überholt, und es ist eine Illusion, dass man ihn durch staatliche Regulierung und Gesetze zähmen kann. Dieses volksfeindliche System muss gestürzt und eine sozialistische Gesellschaft aufgebaut werden! Erst dann steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht der Profit. Wir brauchen solche Milliardäre nicht – die Porsches, Piechs, Abramowitschs und Ackermanns dieser Welt, die sich auf unsere Kosten in Saus und Braus durchs Leben schlagen!

Harald Braun
 
Wetten, dass: Ypsi-Püppsi bei der Königswahl in Hessen scheitert –
und Jürgen Walter einen Posten in Berlin kriegt? („Spiegel-Online“)

 

Billionenhilfe – umsonst

Wieland von HodenbergDer Zusammenbruch der internationalen Geldsysteme, von den Meinungsmachern auch gern „Finanzkrise“ genannt, beschleunigt sich inzwischen wie ein Porsche mit durchschnittenen Bremsleitungen. In einem haben die Meinungsmacher recht, weil sie nicht länger um die Wahrheit herumreden können: Die Katastrophe greift auf die warenproduzierende Wirtschaft über – siehe Autoindustrie. Die „Rettungspakete“ der Bundesregierung scheinen nicht zu greifen, denn an ihnen bereichern sich bisher nur die Bankrotteure.

Noch schlechter sieht es in den USA aus, wo Bush Stützungspakete von über einer Billion Dollar aus Steuergeldern geschnürt hat, und das bei einem laufenden Kriegsetat von mehreren hundert Milliarden Dollar. Sie dienten auch nur zur Bereicherung kriegsgeiler Wirtschaftsgangster. Zum Vergleich: Der Etat des deutschen Rüstungsministers Jung beträgt circa 25 Milliarden Euro jährlich. Ich wiederhole es hier noch mal: Die Bundeswehr muss raus aus allen Auslandseinsätzen – der Rüstungshaushalt gehört aufgelöst!

Die USA sind eigentlich längst pleite. Der Dow Jones landete kürzlich mit 8.579 Punkten auf einem Fünfjahrestief. Rund um den Erdball kam es erwartungsgemäß zu weiteren Kursstürzen – Globalisierung mal ganz anders, so wie sich das die Protagonisten wohl nicht gedacht hatten! Der Pleitegeier ist international auf dem Vormarsch, denn er steht offensichtlich unter Artenschutz. Das US-Beispiel zeigt, warum die Billionenhilfe letztlich umsonst war: Die Banken benutzen die Staatsknete, um ihre eigenen Bilanzlöcher zu stopfen, anstatt damit der sogenannten Realwirtschaft zu helfen.

In Deutschland zeichnet sich eine ganz ähnliche Vorgehensweise ab, und Verlierer der bisher schwersten Kapitalismuskrise seit dem Zweiten Weltkrieg wird der Großteil der Bevölkerung sein! Wem sage ich das? Schon kündigen Betriebe wie VW und Daimler neue Massenentlassungen an, weil kein Mensch mehr ihre Autos kaufen kann oder will. Wer zuerst fliegt, sind die Leiharbeiter! Das geben sogar die Konzerne schon unumwunden zu. Am Niedergang der Fahrzeugindustrie wird besonders deutlich, wie sehr sich mehrere Krisenfaktoren gegenseitig hochschaukeln: Überproduktion, Energiekrise, Verarmungspolitik und nicht zuletzt die beginnenden Niederlagen des Imperialismus in Afghanistan und Irak.

Was ist zu tun? Die gewerkschaftlichen Forderungen nach Lohnerhöhungen sind heftigst zu unterstützen! Ein flächendeckender Mindestlohn von wenigstens 10 Euro pro Stunde muss her! Die Renten und die Regelsätze bei Hartz IV gehören kräftig angehoben! Die Festsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre muss wieder weg! Ein bedingungsloses, repressionsfreies Grundeinkommen für alle müsste endlich eingeführt werden – und das schon sehr bald, was unter anderem aus Reichensteuern und Spekulationsprofiten zu finanzieren wäre. Gerade jetzt am Beginn der Rezession ist die Zeit hierfür reif!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Die Schnauze voll
von erlogenen „Erfolgen“

Jobst RoseliusDer massive Absatzeinbruch bei den europäischen Automobilkonzernen zeigt, dass wir einer neuen Wirtschaftskrise näher kommen: Daimler will die Produktion in Bremen und Sindelfingen ab 11. Dezember 2008 vier oder fünf Wochen stilllegen, Volkswagen will weltweit 25.000 Leiharbeiter entlassen, General Motors und Opel sowie Ford haben schon mit Betriebsstillstand angefangen. „Feiern“ die einen unfreiwillig, so knüppeln die anderen bis zum Umfallen.

Die Konzerne wollen vom Profit retten, was zu retten ist. Daimler hat heute den Startschuss für ein neues Autowerk in Ungarn gegeben. Natürlich wird es wieder aufwärts gehen, das tat es doch immer, verkünden die Konzernherren. Ihnen ist es wurscht, ob die Krise kürzer oder länger dauert. Ihre in den letzten Jahren kräftig gescheffelten Gewinne sind die pralle Kasse für ganz neue Investitionen auf Kosten der Menschen: Die ach so „lieben Mitarbeiter“ in den „alten“ Werken sollen die Zeche zahlen.

Bundespräsident Köhler hat gerade die Richtung vorgegeben: neue Produktivität im Umweltbereich und bei der ökologischen Produktpalette und natürlich mit viel weniger Arbeitern. Wir, die Arbeitslosen und noch Arbeitenden, wollen aber nicht diejenigen sein, die immer die Zeche zahlen: Nein, gerade jetzt muss die 30-Stunden-Woche her, bei vollem Lohnausgleich! Alle Leiharbeiter müssen feste Verträge erhalten, und außerdem müssen wir darum kämpfen, dass die Lohnforderungen von IG Metall und Verdi voll durchgesetzt werden! Die Montagsdemo wird alle diese Forderungen aktiv unterstützen.

Von der SPD und den Gewerkschaftsführern hört man nur, wir müssten uns „flexibel anpassen“ oder „auf besseres Wetter warten“. Sie haben in ihrem leutseligen Kuschen vor den Konzernherren die Werktätigen erst so richtig in die Defensive und in die Hartz-IV-Scheiße gebracht. Aber da wollen die Kollegen nicht rein und nicht bleiben! Von den erlogenen „Erfolgen“ der heuchlerischen und verräterischen SPD-Politik von Schröder bis Steinmeier haben die Kollegen die Schnauze voll!

Jobst Roselius

 

Finanzkrise beginnt Industrie­produktion zu erreichen

Wolfgang LangeVor allem Zeit- und Leiharbeiter werden als Erste entlassen, bei Volkswagen sind weltweit bis zu 25.000 Stellenstreichungen geplant! In anderen Ländern beschäftigen die internationalen Übermonopole zum Teil über 60 Prozent Leiharbeiter, etwa in Indien, wo der Mischkonzern Tata Massenentlassungen plant.

Leih- und Zeitarbeit sind hierzulande in großem Umfang erst durch die Hartz-Gesetze möglich geworden. Der Hauptzweck ist dabei die Spaltung in Stammbelegschaften und Leiharbeiter. Es ist widerwärtig, wenn von Gewerkschaftsführern und rechten Betriebs­räten – meist mit SPD-Parteibuch – nun frohlockt wird, dass Leiharbeit als „Puffer“ diene und daher die Stammbelegschaften „schütze“. So „dienen“ immer mehr Menschen in diesem Land als „Puffer“! Wenn wir fordern „Weg mit Hartz IV“, werden wir daher Hartz I bis III nicht vergessen! Alle Hartz-Gesetze müssen fallen!

Den Banken und Spekulanten werden Milliarden in den Rachen geworfen – aber für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Löhne soll nichts da sein? 500 Milliarden Euro sind mit einem Federstrich beschlossene Sache – aber wenn das Sozialticket pro Stadt ein paar Hunderttausend kostet, sind plötzlich die Kassen leer! Der „Weser-Kurier“ titelt heute: „Köhler fordert neue industrielle Revolution“. Das Beiwort „industriell“ kann er getrost weglassen, dann stimme ich ihm aus vollem Herzen zu! Ein System, dessen Zweck die Vermehrung von Kapital im Interesse der Kapitalbesitzer ist, muss immer wieder Krisen hervorbringen und ist nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen.

Vor 90 Jahren war die letzte Revolution in Deutschland. Sie beendete den Ersten Weltkrieg und die Monarchie; ein Ergebnis war auch die Einführung des Frauenwahlrechts. Ich möchte aus diesem Anlass alle herzlich einladen, am kommenden Samstag, dem 1. November 2008, zur Veranstaltung „90 Jahre Novemberrevolution“ mit uns nach Hamburg zu fahren. Dort geht es auch um die Ergebnisse des jüngsten Parteitags der MLPD. Beginn ist um 17 Uhr. Wir treffen uns am 14:15 Uhr in der Eingangshalle des Bremer Hauptbahnhofs und wollen günstig mit dem Wochenendticket fahren.

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Dreckschleuder-Konzerne schützen, damit die Krise nicht „übergreift“?

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlTrotz dunkler Jahreszeit kamen 40 Teilnehmer und Zuhörer zur 204. Montagsdemo in Bremen am 27. Oktober 2008 um 17:30 Uhr vor dem Dom beim Bismarck-Denkmal. Dort startete um 18 Uhr unsere kleine Demo zum Hanseatenhof durch die Obernstraße zum zweiten Teil der Kundgebung. Gleich zu Anfang konnten wir Zuhörer aus Duisburg begrüßen, die zu einem Geburtstagsbesuch hier waren, und als Redner auch das Montagsdemo-„Urgestein“ Jörg, der heute bei Saarbrücken lebt und uns Mut machte, den Kampf weiter fortzusetzen.

Einmal mehr stand die Banken- und Börsenkrise im Mittelpunkt der Beiträge und wurde unterschiedlich beleuchtet. Jetzt schon geht es ans „Umsteuern“, denn die alten Dreckschleuder-Autokonzerne müssen „geschützt“ werden, damit die Krise nicht „übergreift“. Außerdem wurde immer wieder die Bedeutung der bundesweiten Demonstration am 8. November 2008 gegen die Regierung hervorgehoben.

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz