80. Bremer Montagsdemo
am 27. 03. 2006  I◄◄  ►►I

 

Wer kauft noch euren Kram?

Ursula GatzkeDie Schere ist ein gewolltes Monster, von der Wirtschaft und der Politik gemacht. Es ist schon immer so gewesen, denn Bonzen und Politiker haben die Macht!

Ihr Übermächtigen, ihr könnt doch lesen: Auf der einen Seite steht „reich“, auf der andern „arm“. Die einen verdienen Millionen Euro im Jahr, bei andern Menschen wird der Ofen nicht warm!

In den einen Köpfen sind nur die Millionen Euro, in den andern Köpfen ist ewig der knappe Teuro! Die Monsterschere ist knapp vor dem Anschlag, dann steht sie still! Ist es das, was die Politik und die Wirtschaft haben will?

Wenn alle Räder stehen still, wer kauft noch euren Kram? Dann werden ihr wohl erst merken: Die Menschen sind zu arm! Wollt ihr nur Menschen, die euch feindlich gesinnt? Dann weht euch Reichen bald ein anderer Wind!

Packt endlich das heiße Eisen an! Stellt an der Schraube der Schere dran! Die hässliche Ungleich-Schere muss bearbeitet werden, sonst haben wir nur noch Reiche und Hungrige auf Erden!

So fangen immer die grässlichen Kriege an! Was macht ihr dummen Superreichen dann? Auch ihr habt Kinder, die könnten sterben! Auch wollen sie kein Trümmerfeld erben!

Macht zu die Schere, fangt endlich an! Wenn ihr das nicht könnt, lasst andre ran! Doch ich wütende Rentnerin sehe schon, die Schere geht weiter und weiter auf: durch Streichen, Billiglohn, Minus-Renten und einen „Elite“-Kindergarten obendrauf!

Ursula Gatzke (parteilos)
 
Armutsursache Hartz IV: Jedes achte Kind in Deutschland
lebt auf Sozialhilfeniveau („Spiegel-Online“)

 

Fern ist dein Freund und Helfer

Gudrun Binder80 Demos, und es wird wieder wärmer, 80 Demos, und wir werden immer ärmer! 80 Demos haben uns hart gemacht. In 80 Demos haben wir es auf den Punkt gebracht: Wenn 80 Demos nicht reichen, dann werden wir nicht weichen!

80 Demos waren gut und richtig. Nach 80 Demos ist es wichtig, dass 80 Demos alle bewegen, dass sich auch Ängstliche und Träge regen! 80 Demos sind ziemlich viel. Ein Generalstreik ist jetzt das Ziel!

 

Die „grüne Minna“ braucht einen neuen Namen! Wenn ich davon ausgehen darf, dass die Polizeifahrzeuge jetzt mehr unterwegs sind, „in unserer Nähe“, dann sind Verschleiß und Abnutzung auch entsprechend höher und schneller. Da ist es ganz logisch und folgerichtig, dass dringend neue Polizeifahrzeuge angeschafft werden müssen. Und weil wir nun gerade beim Erneuern sind, können es auch mal neue Farben sein. Schließlich ist Frühling!

Hoffen wir, dass in den neuen Autos auch ein Navigationssystem vorhanden ist. Nun stelle sich die Bürgerin/der Bürger ein schönes neues blausilbernes Polizeifahrzeug mit einer grünbeige gekleideten Polizistin vor! Eine Beleidigung für das Auge! Darum ist es absolutes Muss, dass die Kleidung darauf farblich abgestimmt wird.

Nun haben wir schmuck aussehende Polizistinnen und Polizisten in schmucken neuen Autos, und die Sache mit den Ausgaben, die so dringend „reformiert“ werden mussten, hat sich damit auch erledigt. Außerdem trugen Polizisten früher schon einmal blaue Uniformen: Die wurden in grünbeige umgetauscht, weil die doch so viel freundlicher wirken!

 

Wenn es nicht so traurig wäre, könnten wir drüber lachen: Diese alberne Kriminalitätsstatistik, die Herr Röwekamp der Öffentlichkeit präsentiert, spottet wohl jeder Beschreibung. Es werden Delikte „begangen“, „angezeigt“ und „registriert“: drei verschiedene Wörter, drei verschiedene Bedeutungen!

„Es werden Delikte begangen“ bedeutet: Sie haben tatsächlich stattgefunden. „Es werden Delikte angezeigt“ bedeutet: Sie werden von betroffenen Menschen bei der Polizei zu Protokoll gegeben. „Es werden Delikte registriert“ bedeutet: Die Polizei nimmt die Straftat in die Statistik auf.

Drei unterschiedliche Bedeutungen, drei unterschiedliche Aussagen! Wenn er also sagt, dass in bestimmten kriminellen Bereichen Rückgänge zu verzeichnen sind, muss das noch lange nicht stimmen: Wenn eine Straftat zwar begangen, aber nicht angezeigt oder registriert wird, gibt es diese Straftat zwar real, aber noch lange nicht in der Statistik von Herrn Röwekamp!

Wenn er damit auch noch untermauern will, das seine sogenannte Polizeireform schon „gegriffen“ hat, dann ist das Ganze eine Lachnummer, nur leider nicht für die Betroffenen: Diese müssen als Geschädigte erst einmal ihr zuständiges Polizeirevier suchen und finden und sich dazu manchmal auf einen weiten Weg machen, der ihnen vielleicht aufgrund der ihnen zugefügten Tätlichkeit gar nicht möglich ist. Sind sie dazu in der Lage, müssen sie ihre Anzeige auch anbringen können, und das ist nicht immer so einfach!

Nun gibt es in der Statistik auch noch die „Aufklärungsquote“, und da gibt Herr Röwekamp ganz ehrlich zu: Die ist um zwei Prozent zurückgegangen. Aber darüber müssen uns nicht wirklich aufregen, das ist durch die Schwarzfahrer passiert! Im Vorjahr wurden einfach mehr ertappt. Die Fälle wurden registriert und sogleich aufgeklärt. Schwarzfahren in einer Kriminalitätsstatistik, ein äußerst bedrohliches Delikt in einer aussagefähigen Statistik!

 

Polizistinnen und Polizisten leisten eine verantwortungsvolle Arbeit. Bislang setzten die Bürger Bremens bei einem Notruf voraus, dass die für den Stadtteil zuständigen Polizistinnen und Polizisten schnell vor Ort eintreffen. Das scheint in der jetzigen Situation nicht unbedingt gewährleistet zu sein, denn Reviere in den Stadtteilen wurden geschlossen, und aus drei Revieren wurde dann eines.

Geht nun ein Notruf aus einem Stadtteil ein, der sein eigenes Revier verloren hat, gibt die Zentrale den Ruf an das jetzt zuständige Sammelrevier weiter. Darauf machen sich Polizistinnen und Polizisten aus einem weit entfernt liegenden Revier auf den Weg zum Einsatzort. Diese Kollegen müssen sich nicht unbedingt mit den örtlichen Gegebenheiten auskennen, geschweige denn mit den Besonderheiten!

Sie fahren also in einen ihnen unbekannten Bezirk, nehmen wir einmal an, bei Dunkelheit, und müssen die genannte Straße, das genannte Haus, den genannten Platz suchen und finden. Das kann dauern! Sie sind ja keine Taxifahrer, die eine Prüfung darüber ablegen, auf welchem Wege man am kürzesten von A nach B kommt, und wo B überhaupt liegt.

Also kann es durchaus zu zusätzlichen Verzögerungen kommen, außer denen der langen Anfahrt, Verzögerungen, die im schlimmsten Falle einem Menschen das Leben kosten können. Ich hoffe, diese Toten wird Herr Röwekamp mit Hilfe seiner Parteifreunde nicht überstehen!

„Wir sind ganz in Ihrer Nähe!“ – Diese Werbekampagne, die nach den Schließungen in Gang gesetzt wurde, scheint eher die Unzulänglichkeiten und Schwachstellen der sogenannten Polizeireform verdecken zu müssen. Was wurde erreicht? Was wurde verbessert?

Wenn Kosten eingespart werden sollten, dann ist für die Werbekampagne, die eine Sicherheit besonderer Art vorgaukelt, wieder viel von diesem Geld ausgegeben worden. Es ist auch keine Werbeaussage, die dazu dient, Vertrauen in die sogenannte Polizeireform zu schaffen. Wenn diese überhaupt zu Einsparungen führt, dann beim Personal. „Wir sind ganz in Ihrer Nähe!“ – Die Polizistinnen und Polizisten waren leider noch nie so weit weg von uns.

Gudrun Binder
 
Panne: Merkela fast erschossen („Spiegel-Online“)

 

Der Ruf nach vermehrter
Sicherheit ist bezüglich der
Ursachen deplatziert

Ungeachtet der alarmierenden Prognosen über die Gefahren der zunehmenden Verrohung des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist es bestenfalls eine Nachrichtenmeldung wert, wenn hierzulande die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in Armut leben, wächst, wenn das Schulsystem selektiert statt zu fördern und zu qualifizieren, wenn Jahr für Jahr Tausende von Jugendlichen keinen Ausbildungsplatz finden oder nach ihrer Ausbildung arbeitslos werden, wenn jahrelang keine jungen Lehrkräfte eingestellt und die Arbeitsplätze für qualifizierte Sozialpädagogen vernichtet werden, wenn geleugnet wird, dass die Bundesrepublik mittlerweile ein Einwanderungsland ist, wenn Migrantinnen und Migranten politisch rechtlos gehalten werden, wenn, wenn, wenn...

Die Folgen einer solchen Politik, die nicht zuletzt in Bremen durch eine verantwortungslose Staatsverschuldung und himmelschreiende Fehlinvestitionen flankiert wird, zeigen sich dann leider immer erst beim Blick in die Kriminalstatistik. Statt aber spätestens jetzt gesellschaftspolitisch umzusteuern, ergeht der in Bezug auf die Ursachen völlig deplatzierte Ruf nach vermehrter Sicherheit, nach der personellen Aufstockung der Kriminalpolizei, nach lückenloser Kontrolle von Kindern und Jugendlichen durch Kontaktbeamte bei Hausbesuchen und durch die Vernetzung der Polizei mit Schule und Justiz, nach zusätzlichen Überwachungskameras und dem Neubau von Jugendknästen.

Um die Öffentlichkeit vollends für dumm zu verkaufen, fehlt bei dem Plädoyer für neue Polizeistrategien allerdings noch der Hinweis, dass auf diese Weise Arbeitsplätze geschaffen würden und die Binnennachfrage belebt werde.

Leserbrief von Rudolph Bauer im „Weser-Kurier“
 
Aufruhr: Drei Millionen Franzosen demonstrieren gegen
Villepins mit Ausnahmeregelungen durchgedrücktes
Ersteinstellungsgesetz („Spiegel-Online“)

 

Die Hetze nach dem Schweigen

Elisabeth GrafNun sind die ersten Wahlen, seit Amtsantritt von Kanzlerin Merkel, in drei Bundesländern gelaufen. Wie erwartet wurden die bestehenden Machtverhältnisse bestätigt. Vielleicht liegt dies aber auch an der immer größer werdenden Partei der Nichtwähler? Eine Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent ist fast schon eine Absage an die parlamentarische Demokratie! Stimmt es wirklich, dass die Nichtwähler unpolitisch sind, sich nur bei sie persönlich interessierenden Themen an die Wahlurne begeben? „Unpolitisch sein heißt politisch sein, ohne es zu merken“, sagte einst Rosa Luxemburg.

Sind Protestwähler wirklich nur eine kleine Minderheit? Ich teile diese Annahme nicht. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass immer mehr Menschen resignieren und glauben, dass sie selbst sowieso nichts machen, nichts verändern können. Wahrscheinlich kommen aus diesem Grunde auch nur so wenige Betroffene zur Montagsdemo. Doch so unbedeutend können wir gar nicht sein, sonst hätte der „Spiegel“ es nicht nötig, im „Blöd“-Zeitungsjargon einen derartigen mehrseitigen Verriss über die „Montagsbürger“ zu bringen: „Sie kommen pünktlich, sie verschwinden still, sie sind die seltsamsten Rebellen der Republik.“

Im heute erschienenen Blatt (Heft 13/2006, Seiten 56–62) wird die Berliner Montagsdemo befremdlich beäugt. In respektloser Manier werden einzelne skurrile Typen benannt, fotografiert und beschrieben. Diese Menschen hätten Lücken im Gebiss, ein Klo in der Speisekammer, seien ewige Querulanten, bemerkten, wie sie Stück für Stück verwahrlosen, in der Wohnung, bei der Kleidung, beim Waschen. Sogar „das Zeitgefüge verrutscht“.

Der zwar sprachlich einfallsreiche, aber einseitig hetzende Redakteur Jochen-Martin Gutsch war offenbar auch bei der Bundesdelegiertenkonferenz. Anscheinend traf er dort auf völlig andere Menschen als die, denen ich sonst bei Montagsdemos begegne: Er sieht „Leute mit zerstörtem Gesicht, denen man die Armut ansieht“, „es riecht nach Kaffee und Frittieröl“, man „hofft immer noch auf die Rebellion der Lumpenbürger gegen die Bürgerlumpen.“

Mehr von diesem Vorurteile bedienen sollenden Geschmier möchte ich nicht zitieren, weil es das Papier nicht wert ist, auf das es hingekleckst wurde. Der Artikel ist eine bodenlose Unverschämtheit! Wenn ich’s nicht besser wüsste, dann müsste ich mich wirklich fragen, was das wohl für merkwürdige Menschen sind, die sich jeden Montag in vielen Städten zusammenfinden. Es würde mich schon interessieren, warum Herr Gutsch es nötig hat, derart abwertend über die Montagsdemonstranten zu schreiben. Vielleicht ist das seine Methode, sein Selbstwertgefühl zu erhöhen? Wenn das so sein sollte, muss ich ja beinahe Mitleid mit ihm bekommen!

Hier wiederholt sich lediglich, dass politisch Unliebsame, Andersdenkende, wenn schon nicht kriminalisiert, dann doch wenigstens für „seltsam“ erklärt werden. Ist „seltsam“ in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit „psychisch krank“? Ist die stetig steigende Armut in Deutschland etwa nur das Produkt einzelner Pechvögel? Es wird Zeit, dass wir endlich eine eigene Zeitung bekommen, weil die Medien nicht dazu bereit sind, realitätsbezogen über uns zu schreiben!

Elisabeth Graf (parteilos)
 
Hörsturz vor Gesundheitsgipfel: Matzi-Platzi im Krankenhaus („Spiegel-Online“)

 

Die Karusselle der Verschwender

Hans-Dieter Binder1. Die Bremer Uni wird als Sparschwein ein armes Schwein! Der international anerkannte Studiengang Behindertenpädagogik soll geschlossen werden. Nein, es gibt keinen entsprechenden Beschluss: Die notwendigen Professorenstellen werden nicht genehmigt, und damit ist der Studiengang erledigt. Verantwortlich ist Senator Willi Lemke: Er spart bei der Bremer Uni 100 Millionen Euro ein. Um dieses Ziel zu erreichen, muss jede Professorenstelle genehmigt werden. Die Studenten wehren sich. Wer Solidarität zeigen will, kann einen Aufruf der „Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung“ unterschreiben!

Das Sparziel vernichtet Ausbildungsmöglichkeiten! Dieser Senator gehört der SPD an und sollte doch wissen, dass die Nachfrage nach Studienplätzen stark gestiegen ist und der doppelte Abiturjahrgang vorbereitet werden muss. Dieser Senator hat gerade die Bildungs-GmbH um 24 Millionen Euro erleichtert und eingestanden, dass er unnötige Ausgaben in seinem Haushalt nicht erkennt! Darum wurde die Bildungs-GmbH gegründet, ebenfalls erfolglos. Dieser Senator ist überflüssig!

„Jeder Euro für die Jugendpolitik“, und dazu gehört unstrittig die Uni, „zahlt sich dreifach aus“: Dies wurde gesagt vom innenpolitischen Sprecher der SPD, Hermann Kleen, am 23. März 2006. Worte und Handlung stehen nicht im Einklang! Leiden und ausbaden müssen diese Politik die Betroffenen! Da hilft nur wegkreuzen!

Weitere Missetaten dieses Senators: Der Studiengang Elektrotechnik wird geschlossen, die Erwachsenenschule wurde stark eingeschränkt. Herr Lemke hatte dafür nur den Spruch: „Wer’s im ersten Durchgang nicht schafft, hat Pech gehabt!“ Weiterer Kommentar überflüssig. Eines irritiert die Politiker: Hinterfragen, Öffentlichkeit erzeugen. Darum Montagsdemo: Kopf zeigen! Jeder kann mitmachen! Wir schaffen eine Zukunft mit ehrlichen Politikern!

 

2. Der Insolvenzverwalter der ehemaligen Vulkan-Werft hat geladen, und alle sind gekommen, auch der Geschäftsführer der Bremer Investitions-GmbH. Er vertritt die Interessen der Freien Hansestadt Bremen in dem Gläubigerausschuss.

Für diese Sitzungen wird Sitzungsgeld gezahlt, pro Nase circa DM 3.000. In zehn Jahren hat dieser Ausschuss circa 40 Mal getagt, macht circa DM 120.000 nur für Herrn Ulrich Keller! Er konnte den Betrag einstreichen. Nur 300 Euro netto sind ihm davon jeweils geblieben und kein Unrechtsbewusstsein.

Diese Beträge gehen zu Lasten der Arbeitnehmer des Vulkans: Diese ehemaligen Mitarbeiter erhalten entsprechend weniger! Sie können sich wehren, durch Nachfrage beim Insolvenzverwalter über den Betriebsrat und, falls keine Änderung erfolgt (oder sowieso) durch Überprüfungsantrag beim Gericht auf Angemessenheit!

„Auch jeder Senator und Staatsrat kann seine Aufsichtsratsvergütungen behalten“, so Herr Keller. Circa 250 eigene GmbHs hat Bremen und zusätzlich die Aufsichtsratsmandate bei Bremer Landesbank und Gewoba. Will Herr Kastendiek den Aufsichtsrat des Bremer Theaters deshalb nicht abschaffen? Er ist auch dort Aufsichtsratsvorsitzender!

Wir waren am Sonntag im Bremer Theater, zur Operngala: das Bremer Philharmonie-Orchester und der Chor! Es war eine schöne Vorstellung, nur unterschwellig war zu spüren: Beide zeigen ihre Daseinberechtigung. Chor und Orchester sollen zum Sparschwein werden! Hafen- und Kultursenator Kastendiek habe ich übrigens nicht gesehen.

 

3. Dieser Betrug ist der Bundesregierung seit langem bekannt! Der Schaden wird auf mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr geschätzt, trotzdem gibt es kaum Gegenwehr. Die Finanzämter sind angewiesen, genauer hinzusehen, doch die Betrüger haben sich eine Variation einfallen lassen. Dem Treiben wäre Einhalt zu bieten durch eine Gesetzesänderung, sie ist im Detail seit mehreren Jahren geplant. Aber umsetzen?

Die Steuerberater geben „Mandantenbriefe“ heraus. Es sind keine Anleitungen zum Betrug, aber die Sorge, dass wir ehrlichen Steuerzahler diese Zeche bezahlen, ist unüberhörbar. Der „Mandantenbrief“ für März hat mich an diese Angelegenheit erinnert.

Er lautet sinngemäß: „Sehr geehrte Mandanten! Heutzutage ist ein Bankraub eigentlich überflüssig geworden, denn gegen die akute Finanznot gibt es ja die Umsatzsteuer. Statt dem Gang zum nächsten Geldinstitut wird eine Firma gegründet: Die reicht dann dem Finanzamt Belege ein und kassiert üppige Vorsteuerbeträge. Das gelingt, ohne dass die vorgelegten Rechnungen zuvor beglichen werden. Zwar muss der leistende Betrieb im Gegenzug die ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, doch bis der mangelnde Zahlungseingang bemerkt wird, ist die Firma erloschen und schon längst über alle Berge. So ein Umsatzsteuerkarussell vollzieht sich meist auf mehreren Ebenen und ist wegen der üppigen Erstattungsbeträge ertragreicher als ein Banküberfall.“

Ich habe während meiner Berufstätigkeit verfolgt, wie die Finanzämter versucht haben, dies zu verhindern, wie der Gesetzgeber für Teilbereiche Sonderregelungen getroffen hat und wie hilflos die Behörden sind. Ein Thema war die Vorsteuererstattung für Luxusjachten. Die Betriebsprüfer haben angeregt, dass ab einem bestimmten Betrag grundsätzlich erst erstattet wird, wenn der Zahlungseingang für die Umsatzsteuer erfolgt ist. Alles abgelehnt: Eine Änderung sei nur europaweit möglich! Das ist so nicht einleuchtend, denn diese Regelungen sind europaweit einmalig und der Bundesrepublik Deutschland erst nach zähem Ringen als abweichende Ausnahme zugestanden worden!

Wer will sich schon so blamieren? Diese ungerechtfertigten Ausgaben fallen doch keinem auf! Sie stehen in keiner Statistik, in keinem Haushaltsansatz. Nicht einmal der Forderungsausfall wird extra ausgewiesen. Die internen Zahlen sind gut verschlossen oder werden gar nicht erst erhoben! Die frustrierten Finanzbeamten in der Umsatzsteuer-Abteilung sind zu bedauern.

Betriebsprüfer haben sich auch als sehr störend herausgestellt. Daher werden Standortvorteile herausgearbeitet: „Wir haben nur wenige Betriebsprüfer, ausreichend für die Kleinbetriebe, und wir ermöglichen Betriebsgründungen innerhalb von zehn Tagen! Für die leeren Kassen haben wir Sozialaufwendungen, und diese müssen drastisch gekürzt werden, aber wir erklären dem Volk all dieses am besten überhaupt nicht! Die Leute fragen ja auch gar nicht.“ Darum Montagsdemo: Kopf zeigen! Wir schaffen eine Zukunft mit ehrlichen Politikern!

Hans-Dieter Binder
 
Dokumente tipptopp: Schlüssel zum Kernkraftwerk Philippsburg
trotzdem verschwunden („Spiegel-Online“)

 

Werden die Bremer
endlich mutiger?

1. Dieser Schritt war überfällig! Nach einer ganzen Serie von Erhöhungen des Gaspreises zeigen Bremer Initiative: Mehrere Tausend zahlen die steigenden Schritte nicht mehr. Sie benutzen ein Musterschreiben der Verbraucherzentrale. Darin wird der Bremer Gasversorger SWB dazu aufgefordert, seine Kalkulation transparent zu machen. Das geschah bisher nur mangelhaft. Diese Verbraucher zahlen also den bisherigen Preis, solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Die anderen müssen den überzogenen Tarif zahlen.

Jens Schnitker54 Kunden klagten vor Gericht, sie stellten die „Billigkeit“, also das Zustandekommen des Tarifes, in Frage. Nun kam das Landgericht Bremen zu einer ersten Bewertung und stellte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Frage. Zur „Billigkeit“ des Gaspreises kam kein Kommentar. Das endgültige Urteil wird Ende Mai gesprochen. Die Verbraucherzentrale Bremen nennt den Spruch einen Erfolg; man warte hoffnungsvoll auf die Urteilsverkündung.

Das kommende Urteil wird bundesweite Auswirkung haben. Der Streitpunkt waren die überhöhten Tarife: Von Oktober 2004 bis jetzt erfolgte eine Erhöhung um satte 38 Prozent. 37 Millionen Euro sind seit der Erhöhung zu viel geflossen. Die SWB hat sich nach dem Urteil wie folgt geäußert: Wird der Prozess verloren, bekommen nur die Kläger eine Entschädigung, die anderen gehen leer aus. Vorher hieß es, alle Kunden würden entschädigt.

Die Argumentation fällt mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Darin steht zum Beispiel festgeschrieben, der Gaspreis sei an den Ölpreis gebunden. Die Richter zweifeln aber die Logik der AGB an, auch weil diese an Verständlichkeit mangeln lassen. Sie bilden einen Vertrag, der denjenigen erschlägt, der ihn verstehen will! Bei der Bürgerinitiative gegen Gaspreiserhöhung haben sich nach dem Spruch des Gerichtes ganz spontan viele SWB-Kunden gemeldet, die nun ebenfalls Widerspruch einlegen wollen.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Gründung einer Energiegenossenschaft. Diese heißt „Bremer Energiehaus“ und will ab Ende September Gas liefern. Dazu braucht sie 12.000 Bürger, die mitmachen. Die Genossenschaft ist optimistisch: „Wir kriegen ausreichend viele Mitglieder zusammen, da wir ein besseres Angebot machen.“ Man habe keinen „Wasserkopf“ wie die SWB und müsse keine jährlichen Dividenden für die Aktionäre ausschütten.

 

2. Ein Bremer Ein-Euro-Jobber klagte gegen den Träger seines Beschäftigungsverhältnisses vor dem Arbeitsgericht. Zwei Verhandlungen gab es bereits, die zweite und vorerst letzte war Anfang 2006. Der Träger, der „Recyclinghof Findorff“, zweifelte an, ob das Arbeitsgericht die richtige Wahl sei für den Fall. Das Landgericht Bremen soll entscheiden, wie es weitergeht. Ist damit die Klage auf die „lange Bank“ geschoben worden?

Der Kläger arbeitete anderthalb Jahre dort, zunächst auf Prämienbasis, seit 2005 im Ein-Euro-Job. Der Träger suchte laut Stellenbeschreibung einen Fahrer. Doch seit seinem ersten Tag beim „Recyclinghof“ war dem Kläger eine andere Tätigkeit zugewiesen worden: Da er Informatiker ist, sollte er sich um die gesamte EDV des „Recyclinghofes“ kümmern. Er hat Programm-Installationen vorgenommen und eine dort benötigte Software in dreimonatiger Heimarbeit selbst erstellt. Seiner Meinung nach wurde er zu gering bezahlt. Er klagte wegen nicht gegebener Zusätzlichkeit seiner Arbeit.

Ein-Euro-Jobs dürfen die freie Wirtschaft nicht schädigen, und sie müssen der Allgemeinheit dienen. Dieser Passus wurde auf Druck der Wirtschaft formuliert. Der Realität entspricht er aber nicht. Der Kläger meint, er leiste Vollzeitarbeit: Ein regulärer Arbeitsplatz sei durch ihn vernichtet worden. Beide Begriffe, Zusätzlichkeit und Gemeinwohl, werden von den Beschäftigungsträgern großzügig gedehnt. Letztlich ist auch die freie Wirtschaft Nutznießer der rechtlosen Arbeitsverhältnisse.

Nicht selten arbeiten Ein-Euro-Jobber als Praktikanten einen Monat oder länger in Betrieben zu den Konditionen des Trägers. Nach dem Praktikum gibt es ein Händeschütteln vom Chef, mehr nicht. Auch sollen im Frühjahr viele Langzeitarbeitslose in die Feldarbeit gehen. Dort wird geschuftet für einen Hungerlohn! Das sind die Schattenseiten der freien Marktwirtschaft. In diesem Graubereich geht es nur voran mit Zwang und Hungerlohn!

Darum ist es wichtig, den auf Eis gelegten Prozess wieder mit Leben zu füllen. Der Richter sagte selbst, dieses Verfahren sei juristisches Neuland. Gäbe es mehr Klagen, gäbe es auch mehr Klarheit und Urteile mit mehr Gewicht. Bremen hat bundesweit die höchste Quote von Ein-Euro-Jobbern, es gibt hier über 4.000! Man muss den Ein-Euro-Jobbern klarmachen, dass sich der Weg zum Gericht lohnt: Er ist eine Chance, die genutzt werden sollte!

Jens Schnitker (parteilos)
 
Auch falls wir selbst von den Folgen betroffen sein sollten:
Die Bremer Montagsdemo ist solidarisch mit den Streikenden von Verdi!
 
Leserforschung: Es besteht Bedarf an ausführlichen Texten zu politischen Themen, aber sie müssen auch gut geschrieben sein („Frankfurter Allgemeine“)
 
Hauptschüler empört: Schreiben Journalisten nur Scheiße? („Spiegel-Online“)
 
Unternehmerstaat: Erhielt Gasprom eine Milliarden-Bürgschaft vom heutigen
Aufsichtsrat Schröder, als dieser noch Kanzler war? („Spiegel-Online“)
 
Wasserlose Regenwolke: Welcher Düppel verpestet den Luftraum
über der Nordsee mit Stanniolfäden? („Spiegel-Online“)
 
Schmelzwasserflut vor Dresden: Halten die
Deiche diesmal? („Spiegel-Online“)

 

Verunglimpfung der Montagsdemo
im „Spiegel“ zeigt Schwäche
von Kapital und Regierung

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlMilde Temperaturen, Aprilwetter mit Sturm, Sonne und Regen, das war die 80. Montagsdemo am 27. März 2006 in Bremen. Einige fehlten, andere waren wieder da: So pendelte sich die Teilnehmerzahl, zusammen mit den zeitweise Zuhörenden, wieder bei circa 35 Menschen ein.

Nach den drei Landtagswahlen wähnt sich die Merkel-Regierung bestätigt. Neue „Große Koalitionen“ sollen geschmiedet werden, bleierne Allmacht will jeden Widerstand ersticken. Selbst Westerwelle, der ja nun in Sachsen-Anhalt nicht mehr mitregieren darf, verkündet, dass die Große Koalition immer unkontrollierbarer werde. Das ist die eine Seite; andererseits geht aber der Loslösungsprozess von den bürgerlichen Parteien weiter.

Das große Redebuch
Band II (2005/2006)Die Wahlbeteiligung ist, besonders in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg, geschwunden: Nur noch 44,4 Prozent der Wahlberechtigten zwischen Altmark und „Chemie-Dreieck" Bitterfeld gaben ihre Stimme ab. Nichtwahl ist noch kein sehr bewusster Akt, und von „französischen“ Verhältnissen sind wir weit entfernt, doch diese Wahlenthaltung, verbunden mit den Streiks im öffentlichen Dienst und bei den Ärzten, zeigt, wie unzufrieden die Menschen mit der aktuellen Situation sind.

Die Montagsdemo, die bundesweit bisher nicht „totzukriegen“ war, hat ihre Aufgabe: Wir sind doch die einzigen, die einen öffentlichen Prozess des Widerstandes, der Aktivität und der Gewinnung von Selbstbewusstsein organisieren. Wir gewinnen den Einzelnen durch Hilfe und Überzeugung. Der Funke wird überspringen!

Der „Spiegel“ (Heft 13/2006) hat die Aufgabe, unter seiner Klientel Hohn und Verachtung über die Montagsdemo auszukübeln, die doch so unbedeutend sei, wie gerne behauptet wird. Von „grauen Gesichtern, ungepflegt und mit Lücken in den Zähnen“ und anderen Widerlichkeiten ist da die Rede. Solche Entgleisungen und Verunglimpfungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung erreichen, sind das beste Anzeichen, dass Kapital und Regierung auf heißen Kohlen sitzen!

Wichtig ist immer wieder, die Urteile und Entscheidungen der Gerichte, die zugunsten der ALG II-Betroffenen ergehen, in der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Das betrifft zum Beispiel zwei Urteile, die über die Hälfte der Bremer „Bagis“-Bescheide für rechtsungültig erweisen werden. Da ist Widerspruch gegen diese Bescheide notwendig! Wir helfen gerne und können jedem nur raten, herzukommen und auf der Montagsdemo von seiner Not zu berichten. Ohne Eigeninitiative wird sich aber nichts ändern!

Gewürdigt wurden die 80 bisherigen Montagsdemos, sie sind ein Zeichen für Widerstand und gegenseitige Hilfe. Darum wird es auch weiter heißen: Jeden Montag um 17:30 Uhr Demo auf dem Marktplatz am Roland. Kommt her!

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo
 
Witz des Tages: Arbeitslose schwanger nach Hamburg
gegen Schalke („Süddeutsche Zeitung“)
 
Schluss mit der Hetze gegen Arbeitslose: Es gibt auch 2030
noch längst keine Vollbeschäftigung („Spiegel-Online“)
 
Soziale Spaltung: In Stadtvierteln mit hoher Arbeitslosigkeit geht
nur noch jeder Vierte bis Fünfte zur Wahl („Spiegel-Online“)
 
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz