742. Bremer Montagsdemo
am 10. 10. 2022  I◄◄  ►►I

 

Haben wir eine
„gigantische Gaskrise“?

Harald BraunSeit Monaten wird auf allen Kanälen die Angst vor einem kalten Winter geschürt. Mit den Gefühlen der Bevölkerung wird gezielt Schindluder betrieben, um eine Zustimmung zum Krisen- und Kriegskurs der Regierung zu erreichen. Dazu wird die Fata Morgana verbreitet, dass eine „gigantische Gaskrise“ existiert. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die Tanks sind im Oktober 2022 zu über 90 Prozent gefüllt. Das liegt deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen sechs Jahre.

Damit kann der Gasbedarf für zwei Wintermonate gedeckt werden. Dazu kommen täglich zusätzlich rund 2.800 Gigawattstunden aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden, wie die „Tagesschau“ am 7. September 2022 meldete. Sie kommt zu dem Schluss: „Reicht das Gas auch ohne Lieferungen aus Russland, um über den Winter zu kommen? Kurz gesagt, die Chancen dafür stehen gut.“ Warum wird eine „Gaskrise“ so heftig aufgebauscht?

Erstens wird damit seit Monaten die Verlängerung der Laufzeit von Kohle- und Atomkraftwerken gerechtfertigt. Alle Kohlekraftwerke haben 2018 zusammen 208 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. Das ist ein Viertel der gesamten Menge, die in Deutschland ausgestoßen wird. Allein die Braunkohlekraftwerke stoßen in Deutschland jährlich dreimal so viel Kohlendioxid aus wie der gesamte Verkehrssektor.

Noch vor einem halben Jahr war der Kohleausstieg bis 2038 beschlossene Sache. Für die Rettung unseres Planeten ist dies natürlich viel zu spät. Jetzt kehren auch noch die schmutzigen Stromproduzenten zurück ans Netz. Ab Oktober werden insgesamt zwölf Kohlekraftwerke mit einer Leistung bis zu knapp sieben Gigawatt zusätzlich Strom für das deutsche Netz zur Verfügung stellen. Auch in Bremen geht der abgeschaltete Steinkohlemeiler von SWB wieder ans Netz. Der Kraftwerksblock 6 im Industriehafen wird Ende Oktober wieder angefahren.

Drei bereits abgeschaltete Blöcke von Braunkohlekraftwerken von RWE gehen in Nordrhein-Westfalen wieder zurück ans Netz. Der bekannte Widerstandsort Lützerath soll dem Boden gleichgemacht werden. Nun hagelt es Proteste: „Habeck behauptet, es brauche die Kohle unter Lützerath für die Versorgungssicherheit. Was damit eigentlich gemeint ist: RWEs Sicherheit, weiter Profit zu machen“, so die Bürgerinitiative „Lüzerath lebt“. Der Kampf gegen die zu erwartende gewaltsame Räumung erfordert die bundesweite Solidarität.

Zweitens soll mit dem Märchen von der „Gaskrise“ von der Tatsache abgelenkt werden, dass eine deckende Energieversorgung mit erneuerbaren Energien möglich ist. Dieser Weg wird mit dem Rollback der Umweltpolitik durch die „Ampel“-Koalition massiv ausgebremst. Das begann schon 2021 und wurde mit der „Zeitenwende“ nach Beginn des Ukrainekriegs weiter forciert. 2021 stiegen die Treibhausgas-Emissionen um zehn Prozent, von 438 Gramm pro Kilowattstunde im Jahr 2020 auf einen Höchstwert von 485.

Verstärkt wird dies durch den vermehrten Einsatz von Kohle zur Stromerzeugung, so das Bundesumweltamt am 15. März 2022. Gleichzeitig ging der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung zurück. Das Wiederanfahren der alten Kohlekraftwerke wird insgesamt zusätzlich 70 bis 80 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Der Ausbau der fossilen Energien und das Weiterlaufen der Atomkraftwerke verdrängen die erneuerbaren Energien aus dem Stromnetz.

Drittens lässt die „Gaskrise“ die Börsenspekulanten jubeln: Die Bundesrepublik kauft zu jedem Preis Gas auf dem Weltmarkt ein, und die Preise schießen ebenso wie die Gewinne in die Höhe. Bei Exxon explodierten die Gewinne vom zweiten Quartal 2021 zum zweiten Quartal im Folgejahr von 4,7 auf 17,9 Milliarden Dollar, bei BP von 3,1 auf 9,3 Milliarden. RWE konnte allein im ersten Halbjahr 2022 seinen Gewinn auf 2,1 Milliarden Euro verdoppeln. Das sind die Gewinner der sogenannten „Gaskrise“ – und die Masse der Bevölkerung soll die Zeche bezahlen! Nicht mit uns!

Viertens soll das Schüren von Angst vor einem kalten Winter auch dazu dienen, dass die Bevölkerung der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zustimmt. Die staatlichen Medien, mit der „Tagesschau“ an der Spitze, stellen ihr Krisengejammer nicht ein: „Wenn der kommende Winter also gesichert scheint, gibt es für den übernächsten Winter 2023/24 noch große Unsicherheiten.“ Damit soll schon jetzt die Tür geöffnet werden für eine jahrelange Nutzung von Kohle und Atom.

Der Ausbau erneuerbarer Energien zusammen mit Energieeinsparungen, Effizienzmaßnahmen und dem Einsatz von Speichertechnologien ist der einzige Weg, Treibhausgas-Emissionen im Energiesektor schnell und dauerhaft zu senken. Atomkraft und fossile Brennstoffe sind keine Brücke in das Zeitalter der Erneuerbaren. Sie sind das Ufer, das wir schnellstmöglich verlassen müssen, wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen.

Der Kampf gegen die fossilen Energien und der konsequente Kurs auf 100 Prozent erneuerbare Energien erfordern den Zusammenschluss der Arbeiter-, Jugend-, Friedens- und Umweltbewegung! Eine gute Gelegenheit ist die gemeinsame Kundgebung zum Weltklimatag am Samstag, dem 12. November 2022. Kommt um 13 Uhr zum Marktplatz in Bremen!

Ich schlage auch vor, dass wir die nächste Montagsdemo mit einer Schweigeminute beginnen für Mahsa Amini und die mutigen Frauen im Iran und für alle Opfer von Krieg und Faschismus. Solidarität mit den Massenprotesten im Iran! Die brutale Ermordung der jungen Kurdin Mahsa Amini wurde zum Ausgangspunkt für Massenkämpfe im Iran. Diese richten sich gegen die faschistische Mullah-Diktatur.

Die Menschen kämpfen mutig für Freiheit und Demokratie, für die Rechte der Frauen – und gegen die brutale Unterdrückung, Diskriminierung und Ermordung von Frauen im Iran. Über 200 Protestierende wurden inzwischen ermordet, viele Menschen verletzt und verhaftet. Das geht uns alle an! Die Menschen im Iran brauchen unsere Unterstützung! Darum ruft die Bremer Montagsdemo gemeinsam mit iranischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und der „Bremer Stadtfrauenkonferenz“ auf: Kommt alle zur Protestkundgebung am 7. November 2022 um 17:30 Uhr zur Domsheide, vor die „Glocke“!

Harald Braun („Umweltgewerkschaft“)

 

Rücknahme der Gasumlage, ein Erfolg auch der Montagsdemos

Wolfgang LangeAm 6. September 2022 ist Hans-Dieter Binder verstorben – einen Tag nach unserer letzten Bremer Montagsdemo, deren Mitbegründer er war. Seine zahlreichen klugen Beiträge, seine wertvolle Unterstützung und die Begleitung vieler Hartz-IV-Betroffener: All das wird uns fehlen. Wir trauern mit seiner Frau Gudrun und seiner ganzen Familie. Im Gedenken an Hans-Dieter bitte ich um eine Schweigeminute. –

Zur Wahl in Niedersachsen: Die SPD feiert, dass sie mit 33,4 Prozent stärkste Kraft wurde. Aber bei nochmals geschrumpfter Wahlbeteiligung verloren CDU und SPD jeweils massiv an Stimmen. Sieger sehen anders aus! Die stärkste „Partei“ wurde jene der Nichtwähler. Die FDP flog mit nur noch 4,7 Prozent gleich ganz aus dem Landtag. Herzlichen Glückwunsch! Lediglich die Grünen konnten mit 14,5 Prozent zulegen, wenn auch weitaus weniger als noch vor Kurzem prognostiziert – und die AfD mit nunmehr 10,9 Prozent.

Das ist allerdings besorgniserregend. Viele Wähler der AfD erkennen nicht, dass diese Partei die Aufgabe hat, Wegbereiter des Faschismus zu sein. Die Demagogie zum Beispiel von Parteichef Chrupalla verfängt, zum Teil jedenfalls. So tut er, als ob er gegen den Krieg in der Ukraine wäre, und warnt eindringlich vor einem Dritten Weltkrieg, auf den wir ungebremst zusteuern, womit er Recht hat. Er zieht aber daraus den Schluss, Deutschland müsse viel stärker aufrüsten.

Die 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ und zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt sind ihm viel zu wenig. Er will Deutschland zur Supermacht machen – auf Kosten aller anderen Völker, gegen die er hetzt. Wehret den Anfängen! Mit Faschisten gibt es keine Gemeinsamkeit. Deswegen werden wir auch weiterhin keine gemeinsamen Demonstrationen mit AfD-Anhängern machen. Und wenn sie noch so sehr sich sozial und friedliebend geben – es sind Wölfe im Schafspelz!

Deswegen war es auch richtig, dass die bundesweite Montagsdemo ihre Herbstdemonstration am 1.Oktober 2022 in Berlin nicht zusammen mit diesen Leuten durchgeführt hat. Unser Motto an diesem Tag war: „Wir zahlen nicht für eure Kriege – wir stehen gegen eure Kriege auf!“ Trotz Dauerregen waren 1.300 Menschen zur kämpferischen Demo gekommen. Ein Höhepunkt war die Besetzung einer belebten Kreuzung. Stolz wurde die inzwischen erfolgte Rücknahme der Gasumlage als Erfolg gerade auch der Montagsdemos gefeiert. Am Tag darauf wurde eine „Neue Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg“ gegründet.

Der Krieg in der Ukraine eskaliert immer weiter. Der ukrainische Präsident Selenskyi forderte letzte Woche sogar einen „atomaren Präventivschlag“ gegen Russland. Putin wiederum drohte unverhüllt mit dem Einsatz von Atomwaffen. Die USA haben in Deutschland, in Büchel, nach wie vor Atomwaffen stationiert. Die Bundeswehr wird momentan auf neue Atomwaffen-Trägerflugzeuge umgerüstet. Noch in diesem Oktober beginnt ein Nato-Manöver, bei dem der Einsatz von Atomwaffen geprobt wird.

Ein Atomkrieg muss unter allen Umständen verhindert werden! Selbst wenn „nur taktische“ Atomwaffen eingesetzt würden, wären die Folgen verheerend. Nicht nur der Tod von Hunderten Millionen Menschen sofort, sondern auch durch den folgenden „atomaren Winter“ würden Ernteausfälle und Hungersnöte Millionen dahinraffen. Eine neue Friedensbewegung muss sich gegen alle Imperialisten richten: Verbot und Vernichtung aller ABC-Waffen! Verbindlicher Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen!

Das imperialistische Weltsystem befindet sich in einer tiefen Krise. Im Iran steht das Volk auf gegen das faschistische Mullah-Regime. Todesverachtung hat die Massen ergriffen. In Südafrika streiken die Hafenarbeiter. Die „Neue Friedensbewegung“ wird dann Erfolg haben, wenn sie sich nicht nur gegen alle Kriegstreiber richtet, sondern auch aktiv für die Überwindung des imperialistischen Weltsystems einsetzt. Der Imperialismus führt zum Weltkrieg – oder die internationale Arbeiterklasse erkämpft die sozialistische Revolution!

Die MLPD führt am Samstag, dem 29. Oktober 2022, eine Veranstaltung durch zum Ukrainekrieg, der Gefahr eines Dritten Weltkriegs und wie wir ihn verhindern können. Es wird einen Vortrag mit anschließender Diskussion geben zur Neuerscheinung „Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems“ (Autoren: Stefan Engel, Gabi Fechtner und Monika Gärtner-Engel). Dazu möchte ich euch ganz herzlich einladen! Die Veranstaltung beginnt um 16 Uhr und findet statt im Jugendfreizeitheim Buntentor, Geschwornenweg 11a, Bremen-Neustadt.

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Die nächste Bremer Montagsdemo beginnt am 7. November 2022 wieder um 17:30 Uhr, wegen des Freimarkts aber vor der „Glocke“ auf der Domsheide.
 
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www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz