Strafrechtler Schünemann zu Mannesmann-Prozess
"Es kann nun keinen faulen Frieden mehr geben"
Nach dem BGH-Entscheid im Fall Mannesmann hält der Strafrechtler Bernd Schünemann eine Verurteilung des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann für sehr wahrscheinlich. "Eine Verteidigung, die auf Freispruch setzt, wird es juristisch sehr schwer haben", sagte er im Interview mit SPIEGEL ONLINE.
SPIEGEL ONLINE: Herr Professor Schünemann, was war Ihr erster Gedanke, als Sie gehört haben, dass die Freisprüche für Josef Ackermann und die anderen Angeklagten im Mannesmann-Verfahren aufgehoben worden sind?
Schünemann: Es gibt noch Richter in Karlsruhe!
SPIEGEL ONLINE: Was ist aus Ihrer Sicht das entscheidende Element des BGH-Entscheids?
Schünemann: Dass das Urteil an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Der BGH hat sich nicht auf Formelkompromisse oder wachsweiche Formulierungen zurückgezogen. SPIEGEL ONLINE: ... insbesondere hat er nahe gelegt, bei Ackermann, Joachim Funk und Klaus Zwickel sei wohl doch strafbare Untreue gegeben, weil sie die Millionenprämien an Ex-Manager wie Klaus Esser ermöglicht haben. Schünemann: Deswegen ist das Urteil ein Markstein. Der BGH hat bewiesen, dass es in Deutschland noch möglich ist, in dieser Frage das Recht zur Geltung zu bringen. In den letzten Jahren haben viele versucht, den Tatbestand der Untreue madig zu machen. Auf diesem Terrain wurde reichlich Pulverdampf verschossen, es ist sehr unübersichtlich geworden. Ich meine: Wenn dieser Tatbestand richtig gehandhabt wird, ist er überzeugend und völlig unentbehrlich. SPIEGEL ONLINE: Sie selbst haben schon seit langem ähnlich argumentiert. Man könnte meinen, dass Sie auch persönlich erfreut sind. Schünemann: Erfreut wäre zu viel gesagt - ich bin ja persönlich nicht betroffen. Aber als Wissenschaftler verspüre ich eine gewisse Genugtuung. Aus meiner Sicht war der Fall nie so kompliziert, wie er gemacht wurde: Es gab einen Sachverhalt der Selbstbedienung - und der wurde von einem Aufsichtsratspräsidium gedeckt, das seine Pflicht nicht wahrnahm. Es ist erfreulich, dass auch der BGH das so sieht. Man muss auch mal klare Worte finden. SPIEGEL ONLINE: Was halten Sie von dem Argument, das Urteil sei wirtschaftsfeindlich und erschwere es Konzernen künftig, Leistung angemessen zu honorieren? Schünemann: Ich glaube, dass alle Aufsichtsräte in Deutschland mit dem Urteil zufrieden sein können. Sie wissen jetzt, wie sie sich zu verhalten haben. In der Diskussion wurde immer so getan, als gebe es Grauzonen. Der BGH sagt: Nein, die gibt es nicht. Verträge, die man mit dem Vorstand hat, sind einzuhalten. Nachträglich kann man ihm nicht mehr zahlen als vereinbart war. SPIEGEL ONLINE: Sind nachträgliche Boni denn für den Fall möglich, dass sie im Vertrag ausdrücklich als Möglichkeit erwähnt werden? Schünemann: Auch dann nur, wenn sie im Unternehmensinteresse liegen. Wenn aber eine AG übernommen wird wie Mannesmann, kann sie kein Interesse mehr haben, Incentives zu zahlen. Als Aufsichtsrat einer Firma verwalte ich Vermögen. Das darf ich nicht für firmenfremde Zwecke verschenken - so was darf ich nur als Privatmann. SPIEGEL ONLINE: Welchen Fortgang des Verfahrens erwarten Sie? Schünemann: Eine Verteidigung, die auf Freispruch setzt, wird es juristisch sehr schwer haben. Es wird zwar völlig neu verhandelt. Aber die Rechtsauffassung des BGH ist bindend. Und alle zentralen Argumente der Verteidigung sind vom Tisch gefegt worden. SPIEGEL ONLINE: Könnte das Verfahren gegen Josef Ackermann noch gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt werden? Schünemann: Warum sollte es? Die Anklage wegen Untreue im besonders schweren Fall steht im Raum. Darauf steht als primäre Bestrafung Freiheitsentzug bis zu zehn Jahren. Ich glaube nicht, dass die Staatsanwaltschaft nun überhaupt noch in Erwägung zieht, das Verfahren gegen eine Buße einzustellen. Das hätte nur passieren können, wenn der BGH gesagt hätte, dass es eine Grauzone gibt und es nahe liege, dass die Beteiligten in einem Verbotsirrtum gehandelt haben und man dies prüfen müsse. Aber nach diesen klaren Worten heute kann es keinen "faulen Frieden" mehr geben. Die Fragen stellte Matthias Streitz © SPIEGEL ONLINE 2005 Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH SPIEGEL ONLINE - 21. Dezember 2005, 14:30 URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,391663,00.html
Mannesmann-Prozess Untreue: Das Düsseldorfer Landgericht mit der Vorsitzenden Richterin Brigitte Koppenhöfer hatte die Angeklagten Josef Ackermann, Joachim Funk, Klaus Zwickel und Jürgen Ladberg vom Vorwurf der schweren, strafbaren Untreue und Klaus Esser und Dietmar Droste vom Vorwurf der Beihilfe zur Untreue freigesprochen. |