663. Bremer Montagsdemo
am 14. 05. 2018  I◄◄  ►►I

 

Sicherheit oder
Einschränkung der Freiheit?

Vor einiger Zeit habe ich geschrieben, dass ich die Gefahr der Entstehung einer Diktatur in Deutschland sehe. Die neuen Polizeigesetze sind ein weiterer großer Schritt in dieser Richtung. Mich wundert nur, wie leicht die Menschen und Parteien das hinnehmen, wenn es um Sicherheit oder Einschränkung der Freiheit geht. Medien, fremdenfeindliche Parteien und Netzwerke haben den Bürgern in den letzten Jahren genug Angst eingejagt, um sie jetzt nach Sicherheit schreien zu lassen.

Aber bringt es Sicherheit? Und wem? Denen, die an der Macht sind, ja! Denen, die keine kritische Stimmen hören wollen, ja! Der Polizei auch, aber Kriminalität wird dadurch nicht bekämpft. Auch bei Regimes mit totaler Überwachung entsteht immer eine kriminelle Unterwelt, die Geschichte zeigt das. Aber für die gesamte Gesellschaft, für die Freiheit, für die Menschlichkeit, für die freien Wahlen wird es ein gewaltiger Rückschritt sein.

Ich möchte an die Organisation NSU erinnern, die ungestraft fast zehn Jahre lang Anschläge verüben konnte. Menschen wurden getötet, aber Polizei und Ermittlungsbehörden machten einen Fehler nach dem anderen. Dass der „Nationalsozialistische Untergrund“ kriminell war, wussten die zuständigen Behörden angeblich nicht. Ein Blick in den Abschlussbericht des NSU-Un­ter­su­chungs­aus­schus­ses des Bundestages vom 22. August 2013 zeigt deutlich, dass weder Polizei oder Ermittlungsbehörden noch der Verfassungsschutz oder die politischen Verantwortlichen interessiert waren, die Mordserie richtig aufzuklären. Bei der Polizeiarbeit wurden „diverse fachliche Defizite“ festgestellt.

Wir haben noch in Erinnerung, wie von der Polizei in Bremen falscher Alarm wegen eines drohenden Terroranschlags ausgelöst wurde. Unschuldige Menschen lagen auf dem Boden, und die Kinder müssten das ansehen. Alles war nur auf Vermutungen und falsche Informanten aufgebaut, aber die Würde der Menschen wurde massiv verletzt. Wir sehen an den Ergebnissen der letzten Wahlen, wie schnell die Gesellschaft nach rechts gerückt ist. Die Menschen, die bei der Polizei arbeiten, sind keine Ausnahme: Sie sind, wie auch früher schon, auf dem rechten Auge blind.

„Die Linke“ in Bremen macht sich zu Recht Sorgen darüber, dass es keine richtige Kontrolle der Polizei gibt: „Kaum ein Fall von polizeilichem Fehlverhalten oder von Polizeigewalt wird geahndet, denn de facto ermittelt die Polizei gegen sich selbst. Auch die parlamentarischen Möglichkeiten der Aufklärung stoßen schnell an Grenzen.“ Viele Verfahren gegen Polizisten werden eingesellt. Diese Polizei wird entscheiden, wer „gefährlich“ ist und wer nicht, und Menschen im Gefängnis halten aufgrund bloßer Vermutungen und Verdachtsmomente.

Das sind Menschenrechtsverletzungen, weil ein Mensch unschuldig bleibt, solange die Schuld nicht bewiesen ist. Die Schuld kann nur ein Gericht beweisen, alles andere wäre bloße Nachrede. Man muss dem Menschen die Möglichkeit geben, sich zu äußern. Vielleicht ist er nur einmal irgendwo falsch verstanden worden. Das Gericht muss die Glaubwürdigkeit der Zeugen und Informanten prüfen. Das stört mich an den Maßnahmen gegen „Gefährder“.

Wenn ein Mensch wirklich gefährlich ist, müssen die Beweise reichen für ein ziviles Gericht und für eine Strafe mit Gefängnisaufenthalt. Wenn die „Gefährlichkeit“ nur auf Vermutungen und nicht geprüfte Informationen aufgebaut wird, dann sind es nur Verleumdungen und üble Nachreden, nichts weiter. Die Gutachter spielen sich in diesen Fällen als Götter auf und nehmen sich noch vor dem Richterspruch das Recht zu urteilen. Ihre Aussagen beruhen auf Spekulationen, und dem gesunden Menschenverstand zeigt sich jene Spinnerei oder Paranoia, an der fast alle Diktatoren gelitten haben.

Menschen hingegen, die sich in der Gesellschaft verstecken, die schweigen und sich äußerlich anpassen, können gefährlich sein, wo die andern es nicht sehen. Das sind Täter, die andere mobben oder die falsche Anschuldigungen und Informationen verbreiten. Sie sammeln sich in verschiedenen Gruppen. Diese Menschen werden nicht weniger gefährlich, wenn das Internet überwacht wird. Die Anpasser passen sich erneut an und finden andere Wege, sich zu verstecken. Die Freidenker, die freien Geister und kritisch Denkenden gelten jedoch schnell als „Gefährder“, weil nicht alle Polizisten so weit ausgebildet sind, um zu entscheiden, was eine freie politische Meinung oder was Kunstfreiheit ist.

Nicht jeder kann über philosophische und ethische Diskussionen urteilen. Oft werden im Internet Zitate aus der Weltliteratur benutzt, die für Unwissende „Kramola“ sind, Volksverhetzung. Anderswo werden Listen vorbereitet, in denen steht, was erlaubt ist und was nicht. So kommen wir zu Diktaturen, wo Bücher verbrannt werden. Zwar haben sich die Zeiten geändert, und für die neue Generation ist das Internet, was für frühere Generationen die Bücher waren. Doch wenn im Internet eine Zensur herrscht und entscheidet, welche Seiten wir anschauen können und welche nicht, dann ist es das Gleiche wie Bücherverbrennung.

Wenn Bücher verbrannt werden, endet die Freiheit. Alle Diktaturen haben damit angefangen. Jetzt sind gefährliche Zeiten, gefährlich wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals hat sich Deutschland entschieden, in Freiheit zu leben, und im Jahr 1949 das Grundgesetz angenommen, worin steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt“ (Artikel 1 Absatz 1). „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit es nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“ (Artikel 2 Absatz 1).

Die Diktaturen in der Sowjetunion und auch in Ostdeutschland sind nur deshalb so schnell und fast ohne menschliche Opfer zerfallen, weil sich in diesen Ländern eine Sehnsucht nach Freiheit angestaut hat. Ein russisches Lied aus den Zeiten der Perestrojka heißt: „Ein frischer Wind“. Eine Strophe lautet in der Übersetzung: „Ich wurde behandelt gegen den freien Geist in mir, und manche haben sich gewünscht, ich wäre blind. Für mich wurde entschieden, wie ich zu leben hätte. Nun weht ein frischer Wind, und ich warte auf dich.“

So ähnlich fühlen sich jetzt viele freie Geister in diesem Land. Ohne einen „frischen Wind“ wird es für Deutschland vermutlich viel gefährlicher, als die vermeintlichen Gefährder je sein könnten, denn vergessen Sie nicht, wie viele Millionen Menschen unschuldige Opfer von Diktaturen wurden!

Valentina Schneider (parteilos)

 

Für eine ordentliche Gewinnbesteuerung fehlen uns die Gesetze

Hans-Dieter Binder1. Die Waffen zeigen Wirkung: Flüchtlinge aus der Türkei landen in Griechenland. Ein Neuankömmling wurde gefragt: „Warum?“ – „Bei uns ist Krieg! Da sind wir gegangen.“ Eine nachvollziehbare Entscheidung. Wer Waffen liefert oder Waf­fen­lie­fe­run­gen genehmigt, muss zumindest diese Flüchtlinge gut umsorgen. Da ist Ex-Außenminister Gabriel, jetzt Eh­ren­bür­ger von Gos­lar, gefordert!

Deutschland hat die „Leopard“-Panzer, die der türkische Präsident gegen die Kurden einsetzt oder vorhersehbar einsetzen wird, bereits vor längerer Zeit geliefert. Aber noch nach dem Angriff auf Afrin hat Deutschland sich zur Lieferung von Munition sowie Ersatzteilen und weiteren Waffen an die Türkei als Krieg führende Macht verpflichtet, nachzulesen auf „Zeit-Online“: „Wie aus dem Papier hervorgeht, wurden in den ersten fünfeinhalb Wochen der türkischen „Operation Olivenzweig“ gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien 20 Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter im Wert von 4,4 Millionen Euro erteilt.“

Die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ vom 27. Januar 2018 hat sich mit den Waffenexporten auseinandergesetzt, wie immer treffend und entlarvend. Beispielhaft werden Tricks und Umwege zur Genehmigung und Durchführung der Waffenexporte aufgezeigt. Die Zusammenarbeit von Waffenindustrie und Politiker wird transparent gemacht. „Warum haben wir so scharfe Exportbestimmungen?“ – „Zur Beruhigung der Bürger und Wähler!“ Exporte werden ja nur zögerlich bekannt. Einfach ansehen, gruseln und den „Faktencheck“ lesen!

Eine friedliche Welt ist nur OHNE Waffenverkäufe zu erreichen. Das Risiko der Produzenten und Verkäufer, für gelieferte Waffen beziehungsweise das damit angerichtete Unheil zur Verantwortung gezogen zu werden, ist gestiegen. Hoffentlich macht die Verurteilung des Pistolenverkäufers Schule, siehe 661. Bremer Montagsdemonstration.

Die „NDR-Info“-Sendung „Zeitzeichen“ brachte am 18. April 2018 den Beitrag „Affäre Kornwalzer“: „Am 18. April 1913 enthüllt der SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht einen Wirtschaftsskandal. Die Krupp AG in Essen hatte Hunderte Geheimberichte der Regierung bekommen.“ Schon damals bestand eine Verflechtung der Rüstungsindustrie mit den Behörden. Das Aufstacheln der Völker gegeneinander erhöht den Waffenverkauf. Deutschland hat trotzdem (oder gerade deswegen) noch immer kein verpflichtendes Lobbygesetz.

 

2. Wir träumen einfach – positiv. Nehmen wir an, wir schreiben das Jahr 2028. Die digitalisierte „Gesellschaft 4.0“ mit vielen Facetten wurde umgesetzt. Weitere Veränderungen sind absehbar. Wie sieht die Zukunft aus, wenn nur noch 13,5 Prozent der arbeitsfähigen Menschen arbeiten können? Schweigen.

Machen wir es einfacher. Denken wir an die Zukunft in fünf Jahren. 50 Prozent aller Tätigkeiten sind entfallen oder werden von Robotern durchgeführt. Die Menschen sind da. Wie gehen wir mit den Menschen um? Können wir es uns wirtschaftlich leisten, alle auf das jetzige Hartz IV zu verweisen? Nein, denn die Nachfrage würde rasant einbrechen. Die Menschen würden es nicht akzeptieren.

Gehen wir noch zögerlicher mit den Annahmen um. Für den Einsatz der Roboter und die damit für Menschen wegfallenden Arbeitsschritte kann ich mir viele Details vorstellen. Immer wieder sind Erfolge der Robotik in den Medien. Ich komme darauf zurück. Die Politik sagt, in fast gleichem Umfang werden neue Arbeitsplätze entstehen. Details? Keine Angabe, nur Behauptungen: „Die Wartung von Windrädern ist neu!“ Aber gewartet wurden auch die bisherigen Anlagen.

Gehen wir doch von der jetzigen Situation aus: Wir haben noch immer zu viele Menschen ohne Arbeit. Wir haben viele Rahmenbedingungen der Statistiken verändert und führen trotzdem noch den Nachweis: Es gibt zu viele Menschen ohne Arbeit (auch wenn Olaf Scholz die jetzige Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung als „Vollbeschäftigung“ bezeichnet, siehe 662. Bremer Montagsdemonstration).

Wir haben ein Sozialgesetzbuch II, das es ermöglicht, per Federstrich aus gelernten Facharbeitern ungelernte Erwerbslose zu machen. Das ist sehr wirksam in der Arbeitslosenstatistik sowie im Umgang mit den degradierten Menschen. Die Aberkennung der Ausbildung macht auch vor Meistertiteln nicht halt, nur akademische Titel kann das Jobcenter nicht löschen. Auch diese Akademiker werden dem Fallmager für ungelernte Hilfsarbeiter zugewiesen. Die Aberkennung seiner Ausbildung bemerkt der Erwerbslose nur an der Änderung des Ansprechpartners. Der Mensch wird weder gefragt noch informiert!

Wir haben Hartz IV, das für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht ausreichend ist, auch weil die Bemessungsgrundlagen nach Volumenvorgabe festgelegt wurden. Wir haben Hartz IV mit vielen anwendbaren „Daumenschrauben“; Sanktionen und „angemessene“ Kosten der Unterkunft sind die bekanntesten. Aktuell entziehen diese Daumenschrauben allein dem Einzelhandel und Gewerbe in Bremen jährlich über zwei Millionen Euro! Es ist Geld, das gerade dem kleinen Gewerbetreibenden fehlt.

Welche Schäden erleiden die Erwerbslosen? Schuldnerberater und Ärzte können bücherfüllendes Leiden benennen. Ein „Paket zur Bildung und Teilhabe“ sollte Kindern im Hartz-IV-Bezug das Leben erleichtern. Da gibt es noch sehr starke Nachbesserungsmöglichkeiten. Die Aufzählung ist unvollständig; einfach weiterlesen und „Die Anstalt“ vom 23. April 2018 über Hartz IV und den dazugehörigen „Faktencheck“ ansehen!

In einer geschrumpften Großen Koalition haben wir eine SPD, die noch immer nicht einsieht, dass Hartz IV das größte Verbrechen an den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Deutschland war und ist, obwohl Hartz IV noch immer Leiden schafft. Die Superreichen haben daraus eigene Schlüsse gezogen. Der Finanzminister hat nicht angemerkt, dass die Steuerzahlungen nicht der wirtschaftlichen Entwicklung gefolgt sind. Die „Mont-Pèlerin-Society“ war schließlich der Ideengeber für Hartz IV, siehe „Die Anstalt“ vom 7. November 2017.

 

3. „Arbeitsmarktpolitik muss vorsorgen“: Im „Weser-Kurier“ vom 12. Mai 2018 wurde Arbeitsminister Hubertus Heil über „Hartz IV und die künftigen Anforderungen in den Jobs“ befragt. Dieser Artikel steht nicht mehr im Netz. Das ist ungewöhnlich. Hier eine Zusammenfassung mit meinen Anmerkungen.

Angesprochen auf Jens Span, sagt Heil, er würde „es anders machen“. – „Was bedeutet es, mit 416 Euro auszukommen?“ „Wenn es konkret um ein Leben und um Teilhabe in Deutschland geht, wissen wir aber: Das ist verdammt wenig Geld.“ – „Wie wollen Sie diesen Menschen helfen?“ – „Die Antwort kann nicht sein, dass wir allein darüber reden, ob wir Grundsicherungsempfängern mehr Geld geben sollen.“ (Nicht nur darüber reden, sondern einfach machen! Als erstes zurückkehren zum Warenkorb und innerhalb von sechs Monaten weitere Entscheidungen treffen!)

„Es geht darum, ob der Sozialstaat Menschen aus so einer Situation herausholt. Darauf konzentriere ich mich, auf die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes.“ (Bisher hat jede geförderte Beschäftigung normale Beschäftigung zurückgedrängt. Trotzdem wird das Programm Zuspruch finden, weil viele Erwerbslose mehr als „ausgehungert“ sind! Allerdings reichen vier Milliarden Euro nicht. Was machen die unversorgten Erwerbslosen? Regelsatzhöhe und Sanktionen wirken sich spürbar aus.)

„Sie stehen also voll und ganz und gar zum Grundsatz ‚Fördern und Fordern‘?“ – „Genau. Es bleibt bei der Mitwirkungspflicht. Es kann auch Sanktionen geben – was, um einmal die Größenordnung klarzumachen, nur bei drei Prozent der Fälle vorkommt.“ (Diese drei Prozent sind nur die nicht gebeugten Erwerbslosen. Das „angemessene“ Arbeitsangebot ist inzwischen jedes Arbeitsangebot. Die Ablehnung wird per Sanktion bestraft. Ohne diese Sanktionen würden sich Löhne und Arbeitsbedingungen wieder erholen. Heute kann der Arbeitgeber alles diktieren, und ein Hartz-IV-Bezieher kann sich nicht wehren! Der Arbeitgeber baut darauf.

Die Überzahl der Sanktionen ahndet das Nichterscheinen zu einem Termin im Jobcenter. Das Gespräch dort erfolgt selten, um ein vorliegendes Arbeitsangebot abzuklären. Der Fallmager erhält die Bewerbungskostenabrechnung. Mit der Kontrolle sind circa 15 der 30 Minuten ausgefüllt. Der Erwerbslose kann Fragen stellen, aber nach einigen Besuchen fällt dem Menschen nichts mehr ein. Es lässt sich viel berichten über diese Gespräche oder auch Schweigeminuten, ebenso über abgeschlossene Dienstzimmer, weil der Erwerbslose sich etwas verspätet hat.

Es gibt auch Einladungen zu produktiven Gesprächen und Fallmanager, die sich Mühe geben und Sachverstand haben. Vor einigen Jahrzehnten konnten die Arbeitsvermittler noch Auskunft geben über die Besonderheiten der Unternehmen und des Ansprechpartners. Da kam eine Bewerbung richtig in Schwung! Herr Heil will nun die Sanktionen bei den Kosten der Unterkunft und die verschärften Sanktionen gegen junge Menschen entschärfen.)

Im weiteren Gespräch beschreibt Herr Heil den sozialen Arbeitsmarkt in der Wirtschaft, in Kommunen, in Wohlfahrtsverbänden. Die Digitalisierung bringe Veränderungen, Sicherheit gebe es durch Weiterbildung. „Die Arbeit geht uns nicht aus, es entstehen neue Jobs mit anderen Anforderungen. Die Chefs großer Unternehmen wie Siemens und Telekom schlagen leichtfüßig ein bedingungsloses Grundeinkommen vor, aber wir akzeptieren kein Leitbild nach der Art: Die Unternehmen können nach Belieben Leute raussetzen, und dann soll der Staat sich mal kümmern.“

(Herr Heil hat nicht gesagt, wie er das verhindern will. Aktuell haben wir kein Gesetz, das dies verhindert. Die Umstellung der Produktion kann aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung durchgeführt werden. Leiharbeit sowie befristete Arbeitsverträge erleichtern dies noch. Die Idee, etwas zu ändern, ist gut und die Umsetzung per Gesetz dringend erforderlich, sofort nach der Änderung vom Hartz IV, aber ohne Einschränkung der Produktionsfortschritte wäre dies nicht möglich.)

„Keine Maschinensteuer, dafür Gewinne ordentlich besteuern.“ (Herr Heil, auch dafür fehlen uns die Gesetze. Bayer hat letztlich nicht einmal ein Prozent Steuern bezahlt. McDonald’s hat sich in Luxemburg von jeglicher Gewinnbesteuerung befreien lassen. Nach alledem sollten Sie sofort die Knechtschaft unter Hartz IV beenden! Falls Ihnen noch Argumente fehlen, einfach vorbeikommen!) –

Herr Heil hat somit nicht nur aus dem fernen Amerika, sondern auch von hiesigen Unternehmen gehört, dass diese erheblichen Personalabbau vorhersehen oder durchführen. Auf Seite 3 im „Weser-Kurier“ von diesem Montag steht, dass die Textilfabriken in Bangladesch Maschinen das selbständige Nähen übernehmen lassen. Berichtet wird von einem Bekleidungshersteller, der demnächst 1.000 Näherinnen entlassen wird. Google experimentiert mit sprechenden Computern. Sie würden sich bei Anrufen angemessen zu erkennen geben, sagt das Unternehmen zu. „Bisher haben wir zu dritt die Uferkante gemäht, eine echte Knochenarbeit. Heute mache ich dies allein per Fernsteuerung.“ Auf der Seite zur 630. Bremer Montagsdemonstration ist nachzuempfinden, wie sich die Umstellung auf Maschinen anfühlt. Ein Rentner besucht seinen ehemaligen Arbeitsplatz – und findet Roboter.

 

4. Fehlerhafte Zahlen finden zurzeit große Verbreitung (siehe Vorwoche). Verbreitet wurden sie von der DPA unter der Überschrift „Steuerzahlerbund: Hartz IV bringt oft mehr Geld als Arbeit“. Als die Zahlen widerlegt wurden, änderte DPA die Schlagzeile in „Steuerzahlerbund: Hartz IV bringt nicht selten mehr Geld als ein Job“ und ergänzte den lapidaren Satz: „Der Steuerzahlerbund hatte bei seinen ersten Einkommensberechnungen das Kindergeld nicht berücksichtigt.“

Wie begehrt diese Schlagzeile trotz Änderung ist, zeigt sich, wenn man sie einfach mal in die Suchmaschine tippt: Führende Medien sind der Falschmeldung aufgesessen. Auch die geänderte Meldung ist zu hinterfragen, denn wer durch Arbeitslohn und andere Sozialleistung weniger als Hartz IV erhält, kann aufstockendes Hartz IV beantragen. Dabei wird das anzurechnende Arbeitseinkommen um Freibeträge vermindert; somit hat der Aufstocker mehr Geld als aus dem Hartz-IV-Regelsatz. Insofern ist Hartz IV auch niemals mehr Geld als Arbeitsleistung plus Sozialleistungen. Bitte veröffentlichen Sie diese Klarstellung entsprechend der Falschmeldung!

Arbeitslosigkeit ist keine Voraussetzung für Hartz IV. Für Vermögen wie Sparbuch oder Bargeld gibt es Freibeträge. Lebensversicherungen sind vorher „Hartz-IV-fest“ zu machen, Rentenversicherungen ebenfalls vorher zu prüfen. Geldeingänge während des Leistungsbezugs werden angerechnet (Geldgeschenke, Einkommensteuererstattung, Jahresabrechnung der Nebenkosten mit Guthaben). Es kommt nicht auf das Datum der Gutschrift an, maßgeblich ist der Zahlungseingang, die Wertstellung. Daher sind die Kontoauszüge zumindest der letzten drei Monate vorzulegen, außerdem der Mietvertrag mit Beschreibung der Wohnung und der Arbeitsvertrag. Das Jobcenter kann auf die Vorlage von Unterlagen verzichten und auch andere Abweichungen zulassen, wenn absehbar ist, dass Sie kein Dauerkunde werden.

Der Antrag gilt rückwirkend ab Monatsanfang. Das Jobcenter erlangt mit Antragstellung Weisungsbefugnis. Einfach das Formular abholen und abstempeln lassen, dann gilt der Antrag als gestellt. Alles andere kann nachgeliefert werden, siehe 661. Bremer Montagsdemonstration. Sozialleistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag vertragen sich nicht mit Hartz IV. Beantragen Sie, dass die Ämter diese Leistungen miteinander verrechnen, insgesamt ein Batzen Bürokratie. Stellen Sie den Antrag schriftlich und erbitten Sie bei Ablehnung einen begründeten Bescheid. Die Jobcenter haben eine Ablehnungsquote von über 30 Prozent – auch durch Fehlauskünfte!

Weitere Informationen erhalten Sie durch Nutzung der Such­ma­schi­ne auf unserer Homepage, einfach mal ausprobieren! Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender. Wir arbeiten daran! Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Erfahrung! Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“, „so:leb – Sozialer Lebensbund“)

 

Zigaretten und Autos

Helmut MinkusAus meiner Sicht gibt es gravierende Unterschiede im Umgang mit diesen beiden „Drogen“: Mit Zigaretten bringt der Raucher sich selbst um. Mit dem Auto bringt der Fahrer nicht nur sich selbst um, sondern häufig auch Unbeteiligte oder Unschuldige. Bei Letzterem gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Todesursachen: den schnellen, gewaltsamen Tod durch Zerschellen an einem Hindernis – Gründe sind meist zu hohe Geschwindigkeiten, Telefonieren oder Einschlafen am Steuer, Alkohol und andere Drogen – sowie den langsamen, qualvollen Tod durch abgasvergiftete Atemluft.

Wer schützt uns vor diesen Todesursachen, seit über hundert Jahren, seit es Autos gibt? Niemand! Vor den Abgasen der Zigaretten und ihren Rauchern sind wir gesetzlich geschützt. Es gibt seit Juli 2007 bekanntlich ein Bundesnichtraucherschutzgesetz. Menschen werden also davor geschützt, dass sie in Räumen öffentlicher Gebäude, in Gaststätten, Eisenbahnen, Flugzeugen oder Fahrzeugen des öffentlichen Nahverkehrs die Schadstoffe von Tabakprodukten einatmen müssen, die andere Menschen ausatmen. Eine tolle Regelung, die sogar europaweit innerhalb weniger Jahren umgesetzt wurde, trotz geringerer Einnahmen aus Genussmittelsteuern für den Staat – und zum Ärger der Tabakindustrie.

Gaststätten wurden umgebaut, wenige Quadratmeter kleine Raucherzonen auf Bahnsteigen eingerichtet. Warum so viel Aufwand wegen eines kleinen zylinderförmigen Tabakröllchens, das sich süchtige Menschen in den Mund stecken und anzünden, um den Rauch selbst einzusaugen und wieder auszublasen? Ärzte hatten festgestellt, dass die von weiblichen wie männlichen Rauchern ausgeatmeten Schadstoffe immer noch so gesundheitsschädlich sind, dass andere Menschen der Umgebung gesetzlich davor geschützt werden müssen. Was erfolgreich gelungen ist.

Wer schützt aber die Nicht-Autofahrer vor den Abgasen der Autofahrer? Diese Trennung ist hier nicht möglich wie beim Nichtraucherschutzgesetz. Wir alle leiden unter den naturgesetzmäßigen Auswirkungen von Verbrennungsmotoren. Sie sind so global, dass einzelne Gruppen nicht isoliert betrachtet oder gar geschützt werden können. Wir alle verspüren die Auswirkungen der einzelnen Verursacher. Jeder Mensch, der einen Liter Flüssigtreibstoff verbrennt, ist mit etwa drei Kilogramm Kohlendioxid am Klimawandel beteiligt. Jeder verbrannte Liter Die­sel­treib­stoff erzeugt pro Liter eine spezifische Anzahl von Rußpartikeln verschiedenster Größe, die in kleinste Lungenbläschen passen und direkt ins Blut wandern.

Kohlenmonoxid, Stickoxide, Benzol und Blei sind weitere gesundheitsschädliche Stoffe, die in zunehmender Menge aus Verbrennungsmotoren in unsere Atemluft geblasen werden. Es ist unfair, Menschen, die keine Autoabgase produzieren, nicht schützen zu können vor jenen, die glauben, dies in unbegrenztem Maße tun zu dürfen! Wer schafft hier „Gerechtigkeit“? Es helfen weder Anwälte, Gerichte, Polizei noch Verhaftungen, Strafen, Ersatzansprüche, Sammelklagen oder Schmerzensgeld. Dieses Problem ist durch kein Gesetz der Welt lösbar, sondern nur durch Entwicklung eines klaren, persönlichen Bewusstseins zu ändern, das sich jeder verantwortungsvolle, nachhaltig lebende Mensch selbst schaffen kann.

Es gibt schon seit Tausenden von Jahren Menschen, die irgendetwas rauchen, aber erst seit 2007 in Deutschland ein Nichtraucherschutzgesetz. So lange dauert es offenbar, bis endlich etwas unternommen wird, um Unbeteiligte zu schützen! Autos gibt es erst seit etwa 150 Jahren, aber schon jetzt ist festzustellen, dass etwas Grundsätzliches damit nicht stimmen kann. In heutiger Zeit sind sie in solchen Mengen nicht mehr akzeptabel. Sie werden keine große Zukunft mehr haben. Atomkraftwerke sind eher als moderne Massenvernichtungsgeräte geeignet denn zur effizienten Stromproduktion. Anders als Tabakwaren sind Individualfahrzeuge perfide Massenvergiftungsgeräte. Ich bin jedoch zuversichtlich und werde daran mitarbeiten, dass sie in den nächsten Jahren auf unserem Planeten zur Seltenheit werden!

Helmut Minkus (parteilos)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz