Parteitag der Linkspartei
Zwischen Dornröschenschlaf und Alptraum
Von Björn Hengst, Dresden
Auf ihrem Parteitag beschwört die Linkspartei ihre Zukunft mit der WASG - und hadert mit der Frage, ob sie künftig auf Bundesebene ans Regieren denken soll.
Was ist an diesem Tag nicht schon alles geredet worden in dem Saal des Dresdener Kongresszentrums. Die sächsische Landesvorsitzende der Linkspartei hat gesprochen, ein paar Grußworte gab es, der Ehrenvorsitzende
Hans Modrow ist gleich am Morgen ans Rednerpult geschritten, auch Linkspartei-Chef Lothar Bisky hat seinen Auftritt schon hinter sich, eine fast einstündige Rede, festgehalten auf einem elfseitigen Manuskript. Aber
es muss schon Gregor Gysi auftreten, um den 418 Delegierten des Bundesparteitages der Linkspartei ein deutliches Lebenszeichen abzuringen.
Seiner Partei sei schon oft der politische Tod prophezeit worden, sagt der Fraktionschef der Linksfraktion, die zur Linkspartei umbenannte PDS habe ja oft selbst nicht mehr an sich geglaubt, jetzt sei sie mit über acht Prozent in den Bundestag eingezogen: Man müsse nun doch einmal zeigen, "dass wir uns darüber freuen können", fordert Gysi. Und die Delegierten klatschen. Nicht matt und pflichtschuldig, wie schon so oft an diesem Tag, sondern begeistert.
Müde hatte es begonnen - obwohl der Parteitag doch als wichtige Etappe für die geplante Fusion von Linkspartei und Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) gilt. "Der linke Dornröschenschlaf" sei vorbei, sagt
Bisky in seiner Rede, aber sein Auftritt rüttelt nicht auf. Die große Geste, der lautstarke Appell - kein Fall für Bisky. Zeile für Zeile liest er sein Manuskript ab, nur als Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine mit leichter Verspätung im Dresdener Kongresszentrum ankommt und die Treppe zum Podium herunterläuft, löst er sich für einen Augenblick davon. "Ich begrüße dich, Oskar. Schön, dass du da bist." Das habe man nicht geübt, sagt Bisky den Genossen.
Der leicht verspätete Lafontaine und Gysi sind es, die die Stimmung drehen - indem sie die Große Koalition attackieren und eindringlich für das Zusammenwachsen von WASG und Linkspartei werben. Keine Reform hätten SPD und Union beschlossen, weder bei der Rente noch in der Gesundheitspolitik. "Wir dümpeln vor uns hin", sagt Gysi. Und Lafontaine geißelt unter dem Beifall der Delegierten das Wort Lohnnebenkosten als "Kampfbegriff des Neoliberalismus". Lohnnebenkosten seien das Geld für Alte, Kranke, Arbeitslose und Rentner. Wer Lohnnebenkosten senken wolle, strebe demnach Kürzungen für diese Betroffenen an. Die Linkspartei im Bundestag wolle deshalb "Sand im Getriebe der neoliberalen Parlamentsmehrheit" sein.
Dem Angriff gegen den politischen Gegner folgt der Appell nach Innen. "Wir müssen, wollen, und werden es schaffen, eine gemeinsame Partei zu gründen", sagt Gysi. Wenn dies nicht gelinge, würde man "vor der Geschichte" versagen,
mahnt Lafontaine. Die mehr als vier Millionen Wähler der Linkspartei bei der Bundestagswahl hätten WASG und Linkspartei bereits zu diesem Schritt verpflichtet. Gerichtet sind diese Worte vor allem an die zerstrittenen
Landesverbände beider Parteien in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Dort droht die WASG derzeit damit, bei Landtagswahlen gegen die Linkspartei anzutreten - und damit gegen eine Rahmenvereinbarung zu verstoßen, die die
Bundesspitzen von WASG und Linkspartei bereits unterzeichnet haben, um ihn in Dresden von den Delegierten bestätigen zu lassen.
Widerstand gegen die Rahmenvereinbarung, die auch die Fusion beider Parteien bis zum 30.6.2007 vorsieht, kommt in Dresden nur gelegentlich zum Vorschein - und in dosiertem Maße. Eine Delegierte meldet sich zu Wort, weil sie nicht
einverstanden ist, dass das Papier bereits vor dem Parteitag von den Parteispitzen unterschrieben wurde. Ähnlich sieht das Michael Stoeter, Delegierter aus Berlin. "Da ist etwas vorweggenommen worden", sagt er im
Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, auch wenn er den Zusammenschluss von WASG und Linkspartei nicht weiter in Frage stellen will.
Was den Parteitag im Lauf seiner Generaldebatte länger beschäftigen wird, ist Biskys Empfehlung, als Linkspartei auf Bundesebene nicht lediglich die Oppositionsrolle vor Augen zu haben. Opposition könne nicht bedeuten, "dass
wir zu allen Zeiten und unter allen Bedingungen gewillt sind, die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse einer bisweilen sozialdemokratisch gemäßigten CDU zu überlassen", sagt Bisky.
Sarah Wagenknecht, Sprecherin der Kommunistischen Plattform in der Linkspartei, ist da ganz anderer Auffassung. Es sei nun nicht maßgeblich, sich auf künftiges Regieren im Bund vorzubereiten, sondern entscheidend, die Interessen der Linkspartei-Wähler zu vertreten. "Mut zum Träumen" sei nicht zu beanstanden. Aber die Vorstellung, mit der SPD unter ihrem Vorsitzenden Matthias Platzeck und Finanzminister Peer Steinbrück zusammenzuarbeiten, komme einem "Alptraum" gleich. Der Applaus für Wagenknecht, die in rotem Rock und roter Jacke auf der Bühne steht und damit ganz hervorragend mit der Parteifarbe harmoniert, ist nicht zu überhören. Auch Diether Dehm, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, warnt vor übereilten Schritten. Erst müssten geeignete Partner für die Linkspartei gefunden werden.
Dornröschenschlaf und Alptraum - wahrscheinlich wünschen sich die Genossen ein Leben irgendwo dazwischen. Nur wo das eine endet und das andere beginnt, darüber sind sie sich noch nicht einig.
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Parteitag
Linkspartei beschließt Zusammenschluss mit WASG
Dresden - Die Linkspartei hat die Weichen für
einen Zusammenschluss mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale
Gerechtigkeit (WASG) gestellt. Auf dem Dresdner Parteitag der
Linken wurde am Samstagabend mit deutlicher Mehrheit ein Leitantrag
verabschiedet, in dem ein "fairer, solidarischer Einigungsprozess
mit der WASG" angekündigt wird.
"Die Wählerinnen und Wähler haben
bei ihrer Stimmabgabe für die Linkspartei bereits auf eine künftig
vereinigte Linke gesetzt", heißt es in dem Text. Die damit
verbundenen Erwartungen dürften nicht enttäuscht werden.
Die Delegierten billigten ebenfalls mit klarer Mehrheit das
kürzlich ausgehandelte Kooperationsabkommen von Linkspartei und
WASG, das einen Zusammenschluss beider Parteien bis Mitte 2007
vorsieht. Festgelegt ist darin auch, dass beide Parteien bis dahin
bei Landtagswahlen nicht gegeneinander antreten.
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