SPIEGEL ONLINE - 04. Oktober 2005, 18:29
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Sondierungsgespräche
 
Drohgebärden vor der dritten Runde

Von Carsten Volkery und Severin Weiland

Vor dem morgigen Sondierungsgespräch zwischen Union und SPD betonieren sich die beiden Lager ein: Ohne Klärung der Kanzlerfrage keine Koalitionsverhandlungen, postuliert die Union. Ohne Koalitionsverhandlungen keine Kompromisse, hält die SPD dagegen. Der kleinste gemeinsame Nenner: Niemand will Neuwahlen.

Berlin - Wenn am Mittwoch nachmittag Union und SPD zum dritten Sondierungsgespräch in der Parlamentarischen Gesellschaft am Reichstagsgebäude zusammenkommen, wird eine Frage mit Sicherheit wieder unbeantwortet bleiben: die nach der Kanzlerschaft. Beide Seiten beharren unverändert auf ihrem Führungsanspruch und drohen mit Abbruch der Gespräche. Dennoch wird die Unionsseite das Thema erneut ansprechen, wie es am Dienstag aus Kreisen der CDU hieß.

Die Positionen haben sich auch nach dem Gewinn des Direktmandats durch die CDU in Dresden nicht verändert: Die Kanzlerfrage will die SPD erst im Verlaufe der Verhandlungen klären, die Union hingegen davor. "Die Situation ist ziemlich verfahren", heißt es im Merkel-Lager. Als Hoffnungsschimmer wird dort immerhin gesehen, dass niemand Interesse an Neuwahlen hat - also irgendwann Bewegung in die Gespräche hineinkommen muss.

Die SPD hofft darauf, dass die Union von ihrem Ultimatum abrückt und Verhandlungen ohne vorherige Festlegung der Kanzlerfrage beginnt. "Die Union soll endlich aus ihrem Schmollwinkel herauskommen", sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, SPIEGEL ONLINE.

Auf beiden Seiten wird eifrig Kaffeesatzleserei betrieben. Misstrauisch belauern sich die Lager und suchen in jeder Erklärung der Gegenseite einen Hoffnungsschimmer. In einem Anfall von Wunschdenken hatten manche in der Union bereits auf einen Rückzug des Kanzlers am Montag gehofft. Bayerns Innenminister Günther Beckstein und CSU-Landesgruppenchef Michael Glos hatten entsprechende Spekulationen angeheizt. Am frühen Montagnachmittag schien zunächst auch alles in diese Richtung zu laufen, als der Kanzler erklärte, er wolle nicht einer "Entwicklung zur Fortführung des von mir eingeleiteten Reformprozesses und zu einer stabilen Regierung in Deutschland im Wege stehen". Doch am frühen Abend kam dann die Ernüchterung. SPD-Parteichef Franz Müntefering bekräftigte nach einer Präsidiumssitzung in Potsdam den Anspruch auf das Kanzleramt: "Wir gehen in die Debatte mit dem Anspruch, möglichst viel durchzusetzen und dass Gerhard Schröder Bundeskanzler bleibt".

Knapp eine halbe Stunde nach den Worten des SPD-Chefs hatte Merkel in einer telefonischen Schaltkonferenz mit Präsidiumsmitgliedern der CDU die Lage beraten. Verärgerung, aber auch Enttäuschung über die Haltung der SPD habe geherrscht, hieß es heute. Zugleich wurde die bisherige Linie bekräftigt: Die Union habe als stärkste Fraktion im Bundestag den Auftrag zur Regierungsbildung - mit Merkel als Kanzlerin.

In der Sache also gibt es auf keiner Seite Bewegung. Gebetsmühlenartig wird vor den morgigen Gesprächen die eigene Position wiederholt. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble erklärte heute, die Gespräche mit der SPD könnten nicht nach dem Motto verlaufen: "Jetzt fangen wir mal an, und dann verrechnen wir etwas Bürgerversicherung mit ein bisschen Bundeskanzler. Wir sind hier nicht beim Indianerspiel von ungezogenen Lausbuben". Im Streit mit der SPD gehe es nicht um eine x-beliebige Personalfrage, sondern allein um das Prinzip: "Mehrheit ist Mehrheit."

Dagegen argumentiert die SPD, dass sie nicht im Vorfeld auf Schröder verzichten könne, weil Verhandlungen "auf gleicher Augenhöhe" dann nicht möglich seien. "Wir nehmen doch nicht unseren besten Spieler vom Feld, bevor das Spiel begonnen hat", empört sich ein Parteivorstandsmitglied. Nur Schröder habe genug Gewicht, um den politischen Anspruch der SPD durchzusetzen. Außerdem werde er als Integrationsfigur gebraucht, um die SPD während der Verhandlungen zusammenzuhalten. Führende Vertreter sowohl des linken als auch des rechten SPD-Flügels haben bereits damit gedroht, dass sie eine Kanzlerin Merkel nicht mitwählen würden.

Die SPD wendet sich auch gegen die Interpretation der meisten Medien, Schröders angedeuteter Verzicht gestern sei der Anfang vom Rückzug. Vielmehr wolle man der Union erleichtern, auf Verhandlungen ohne Bedingungen einzugehen. Nach der Kritik am Pattex-Kanzler müsse man endlich die Aufmerksamkeit darauf lenken, warum die Union sich nicht bewege. "Der Ball liegt im Feld der Union", sagte das Vorstandsmitglied.

Bis zu drei Stunden haben die Unterhändler für die dritte Sondierungsrunde eingeplant - Verlängerung nicht ausgeschlossen. Als wahrscheinlich gilt aber, dass die Runde bereits früher auseinander geht - und die Sondierungsgespräche zunächst unterbrochen werden. Es herrscht Abstimmungsbedarf: Am Donnerstag tagen Präsidium und Vorstand der CDU sowie der Vorstand der SPD. In den wichtigsten Parteigremien soll das weitere Vorgehen beschlossen werden.

Die Themenpalette der Sondierungsgespräche ist breit: Haushalt und Finanzen, Föderalismusreform, Arbeit und Soziales, Bildung und Forschung. Auch hier sind die Lager noch von gemeinsamen Sprachregelungen weit entfernt. Während die SPD die vergangenen sieben Jahre unter Rot-Grün weitestgehend als Erfolg wertet, sieht die Union es genau umgekehrt. Doch eine gemeinsame Einschätzung der Ausgangslage gilt in Unionskreisen als eine der Voraussetzungen, um in spätere konkrete Verhandlungen eintreten zu können und gegenseitiges Vertrauen herzustellen.

Die Besetzung der morgigen Runde wird dieselbe wie vergangene Woche sein. Von der Union sitzen Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber, NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, CSU-Landesgruppenchef Michael Glos und Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus am Tisch. Die SPD schickt neben Schröder und Müntefering wieder Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wiczorek-Zeul.

Protokollieren werden der Chef der bayerischen Staatskanzlei Erwin Huber, CDU-Generalsekretär Volker Kauder sowie SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel und Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier.

Glaubt man allerdings den vollmundigen Ankündigungen der Scharfmacher auf beiden Seiten, dann könnten die Schriftführer morgen wenig zu protokollieren haben. Wenn die Union sich nicht bewege, werde man nur Tee trinken und wieder gehen, sagte SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler.
 


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SPIEGEL ONLINE - 05. Oktober 2005, 19:57
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Koalitionspoker
 
Viererrunde will den Kanzler küren

Von Carsten Volkery und Severin Weiland

Donnerstagabend ist Showdown. Dann wollen Kanzler Schröder, Unions-Kanzlerkandidatin Merkel, SPD-Chef Müntefering und der CSU-Vorsitzende Stoiber in einer Spitzenrunde aushandeln, wie das Personaltableau einer möglichen Großen Koalition aussehen wird.

Berlin - Betont optimistisch präsentieren sich die Spitzenduos von Union und SPD nach der dritten Sondierungsrunde. Vergessen die Drohungen vom Vortag, die Gespräche platzen zu lassen, wenn die andere Seite sich nicht bewegt. Ein "eher guter Tag" sei das gewesen, sagt CDU-Chefin Angela Merkel, die als erste reden darf. Es gehe "wirklich nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner". SPD-Chef Franz Müntefering kommt lachend aus dem Aufzug im dritten Stock des Reichstagsgebäudes. "Die Dialogfähigkeit ist bewiesen", sagt er. Morgen im Parteivorstand werde er sagen: "Die Sondierungsgespräche haben sich gelohnt."

Was ist der Anlass für die Zuversicht? Nach zweieinhalb Stunden in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft einigten sich die beiden siebenköpfigen Delegationen auf ein "Spitzengespräch" unter acht Augen. Merkel, Müntefering, Kanzler Gerhard Schröder und CSU-Chef Edmund Stoiber sind dabei, wenn es endlich ans Eingemachte geht. Man wolle über die "Arbeitsweise in Parlament und Kabinett" reden, sagt Schröder etwas verklausuliert. Im Klartext: Die Personalfragen kommen auf den Tisch. Man werde über die Kanzlerfrage reden, sagt Merkel, "aber auch über andere personelle Fragen".

Die CDU-Chefin wertet die Bereitschaft zum Spitzengespräch als "Signal" der Sozialdemokraten. Schröder sagt, das Gespräch diene dazu, "dass man eine bestimmte Situation nicht vor sich her schiebt".

Die SPD hat sich also auf die Bedingung der Union eingelassen, die Kanzlerfrage vor Aufnahme von Verhandlungen zu erörtern - wenn auch nicht bedingungslos. Der Union sei klar geworden, "dass man nicht eine Frage vorab regeln, sondern die Struktur insgesamt regeln und soweit möglich entscheiden" müsse, erklärt Schröder. Es wird also einen Kuhhandel über Kabinettsposten und andere Ämter wie etwa das des Bundestagspräsidenten geben.

Auffällig ist, dass sowohl Müntefering als auch Schröder das Wort "Kanzler" erst gar nicht in den Mund nehmen: Müntefering referiert ausschließlich inhaltliche Fragen, Schröder spricht von "grundlegenden Dingen", die geklärt werden müssten. Teile der SPD unternehmen sofort den Versuch, das Nachgeben als Sieg zu präsentieren. "Mit seiner klugen Verhandlungsführung hat Bundeskanzler Gerhard Schröder den Weg zu einer stabilen Regierung geebnet", teilt der konservative Seeheimer Kreis mit. "Erst muss über die Inhalte, dann über die Personalfragen in ihrer Gesamtheit gesprochen werden, das haben wir immer gefordert - und genau so ist es jetzt auch gekommen."

Unmittelbar nach der Sondierungsrunde tauchen die ersten Spekulationen auf: Der "Kölner Stadtanzeiger" will erfahren haben, dass die Union auf den Posten des Bundestagspräsidenten verzichten wird. Im Merkel-Lager zeigt man sich zuversichtlich, dass die CDU-Chefin Kanzlerin wird. Unsicherheit jedoch herrscht nach wie vor über die künftige Rolle Schröders. Tritt er ab oder will er womöglich ins neue Kabinett? "Wenn er Außenminister werden will, können wir kein Veto dagegen einlegen, genauso wenig wie die SPD gegen unsere Personalentscheidungen", heißt es in der Union.

SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler wettert trotz der Äußerungen erneut gegen Merkels Ambitionen. "Kanzler geworden ist immer der, dem es gelungen ist, eine Mehrheit hinter sich zu versammeln. Frau Merkel wird dies nicht gelingen", sagte er dem "Münchner Merkur". "Die Vorstellung, dass ein Parlament, das zu 55 Prozent aus linken Parteien besteht, ausgerechnet eine rechte Politikerin zur Kanzlerin wählen soll, ist mir fremd." Er bringt Stoiber ins Spiel - als Vizekanzler in einer Regierung unter Führung Schröders.

Ob das eine Konstellation ist, die am Donnerstag verhandelt wird - wer weiß. Zunächst rufen Schröder noch letzte Kanzlergeschäfte: Er fliegt zum Abendessen mit dem spanischen Premier José Luis Rodríguez Zapatero nach Madrid, um die Sitzung des Europäischen Rats Ende Oktober vorzubereiten. Am Freitag und Samstag wird er sich in Sankt Petersburg mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen.

Kurz nach der Sondierungsrunde wird bekannt, dass das Spitzengespräch wohl am Donnerstagabend stattfinden wird - nachdem die Spitzengremien von CDU, CSU und SPD zuvor am Vormittag getagt haben.

Merz meckert sich ins Abseits

Merkel und Stoiber werden auch mit den Äußerungen des früheren Unions-Fraktionsvizes Friedrich Merz konfrontiert. Der Finanzexperte schreibt in einem vorab veröffentlichten Beitrag für die "Wirtschaftswoche", das im Vergleich zu den Erststimmen deutlich schlechtere Zweitstimmenergebnis der Union sei eine "überdeutliche Antwort" der Wähler auf "Wahlprogramm und personelles Angebot der Union". Dies wurde von Journalisten als indirekte Kritik an Merkel gewertet. Der Beitrag war unmittelbar vor der Sondierungsrunde über den Nachrichtenticker gelaufen.

Die Kanzlerkandidatin, die Merz einst vom Stuhl des Fraktionschefs verdrängt hatte, lässt sich im Reichstagsgebäude nicht auf ein Geplänkel ein. "Ich habe davon gehört", sagt sie. Das müsse man mit gebotener Zurückhaltung betrachten. "Vieles wird heute überspitzt." Dann wiederholt Merkel das, was sie seit eineinhalb Wochen predigt: Eine Wahlanalyse werde es zu einem späteren Zeitpunkt geben. Auch Stoiber betont, er sehe keine Veranlassung, "Nebengeräusche überzubewerten".

Was immer Merz bezweckt haben mag - mit dieser Aktion hat er sich selbst keinen Gefallen getan. Nach der Wahl am 18. September war er als möglicher Kandidat für das Finanzministerium genannt worden. Dass Merz in ein Kabinett unter Merkel eintreten könnte, war allerdings in Unionskreisen bezweifelt worden. Mit seinem Artikel dürften seine Chancen weiter gesunken sein. Zwar plädiert Merz in dem Beitrag für eine Große Koalition. Ganz am Ende aber heißt es: "Wenn dagegen abzusehen ist, dass der neuen Regierung die Lösung des Beschäftigungsproblems nicht bald gelingt, dann sollte man ihr schon am Anfang ein schnelles Ende wünschen. Alles andere kostet nur noch mehr Zeit."

Noch am Nachmittag versucht Merz die Aufregung, die er verursacht hat, zu legen - ohne allerdings inhaltlich etwas zurückzunehmen. Gegenüber der "Welt", die seine Äußerung vorab an Medien versendet, erklärt er: "Ich habe Frau Merkel ausdrücklich in meinem Artikel nicht erwähnt. Die Vorabveröffentlichung der Kolumne ist ohne meine Zustimmung erfolgt."

Doch die Wirkung ist erzielt. Einen Tag, bevor die SPD möglicherweise Merkels Anspruch auf die Kanzlerschaft anerkennt, hat die CDU-Chefin damit noch einmal einen deutlichen Dämpfer aus den eigenen Reihen erhalten. Merz wird in diesen Tagen eine einzelne Stimme in der Union bleiben. Aber er hat nur ausgesprochen, was viele in den beiden C-Parteien denken.
 


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SPIEGEL ONLINE - 06. Oktober 2005, 14:31
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Koalitionspoker
 
Entscheidung über Kanzler/in frühestens am Sonntag

Vor Beginn des ersten Spitzengesprächs zwischen Union und SPD zeichnet sich eine Verschiebung der Kanzlerfrage ab. CDU-Chefin Angela Merkel und SPD-Chef Franz Müntefering dämpften entsprechende Erwartungen. Beide rechnen nicht vor Sonntagabend mit Ergebnissen.

Berlin - Merkel sagte heute nach Gremiensitzungen ihrer Partei, dass es in der für heute Abend angesetzten Spitzenrunde zwar wichtige Entscheidungen geben werde. Mit Resultaten sei jedoch nicht vor Sonntagabend zu rechnen. Merkel forderte von der SPD ein "ganz klares Bekenntnis" zu den Koalitionsverhandlungen mit der Union.

Müntefering bezeichnete im Anschluss die Große Koalition als "einzig realistische und vernünftige" Option. Ein Ampel-Bündnis sei derzeit nicht in Sicht, eine Minderheitsregierung habe seine Partei ausgeschlossen, und auch Neuwahlen könnten nicht das Ziel der SPD-Politik sein. Jetzt werde geprüft, ob die SPD in Koalitionsverhandlungen mit der Union trete.

Die SPD geht seinen Worten zufolge mit dem festen Willen in die abendliche Spitzenrunde, konkrete Resultate bei dem Treffen mit der Unionsspitze zu erzielen. Ziel sei es, "fixierte Ergebnisse" über die Arbeitsweise und den Zuschnitt der künftigen Regierung zu vereinbaren, sagte er nach Beratungen der SPD-Spitze. Dazu gehörten die Kanzlerfrage und inhaltliche Punkte. Diesen Absichten habe der Bundesvorstand der Sozialdemokraten bei einer Enthaltung zugestimmt, sagte der SPD-Chef.

Der Parteichef bekräftigte zugleich das Ziel der SPD, dass Kanzler Gerhard Schröder an der Spitze einer großen Koalition stehen solle. Müntefering betonte, für die Spitzenrunde zur Klärung der Personalfragen hätten beide Seiten bis Sonntagabend oder sogar Sonntagnacht Zeit. Ziel sei es zu prüfen, ob die Voraussetzungen für Koalitionsgespräche vorlägen. Am Montagmorgen wollten die Teilnehmer dann das Ergebnis des Spitzengesprächs berichten. Dazu seien erneut Gremiensitzungen anberaumt.

Müntefering machte deutlich, dass es im Falle von Koalitionsgesprächen mit der Union "keine anderweitigen Bemühungen" seitens der SPD "als diese Koalitionsgespräche" mehr gebe. Über Ergebnisse werde dann ein SPD-Parteitag abstimmen, der nach Aussage Münteferings laut einem Vorratsbeschluss des Vorstands ab dem 5. November zusammentreten könnte. Vorstellbar sei aber auch eine Verabschiedung auf dem bereits geplanten Parteitag der SPD vom 14. bis 16. November in Karlsruhe.

Keine "Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners"

Merkel sagte, die mögliche Große Koalition sei eine "Koalition neuer Möglichkeiten" und keine "Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners". Als Aufgaben nannte sie die Haushaltskonsolidierung, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Reform des Föderalismus. Sie sehe eine "ausreichende Basis", um mit der SPD in Koalitionsgespräche gehen zu können, dafür müsse aber die SPD "bestimmte Regeln" anerkennen, damit eine Vertrauensgrundlage geschaffen werden könne. Dafür solle in dem anstehenden Spitzengespräch gesorgt werden.

Zu den üblichen Regeln gehöre auch, dass die stärkste Fraktion den Bundestagspräsidenten stelle, sagte Merkel. Diese Regel müsse eingehalten werden. Zuvor hatte bereits der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, betont, dass die Union ihren Anspruch auf das Amt nicht aufgeben werde.

Auf die Frage, ob sie sich eine Vizekanzlerschaft Schröders vorstellen könne, sagte Merkel lediglich, dass jeder Partner einer Koalition sein Personal selber bestimme. Für Montag seien sowohl das Präsidium als auch der Bundesvorstand der CDU einberufen worden.

CSU-Chef Edmund Stoiber ließ erneut offen, für welches Amt er in einer Großen Koalition zur Verfügung stehen würde. "Wenn es Sinn macht, will ich mitgestalten", sagte Stoiber nach einer Sitzung von Vorstand und Bundestags-Landesgruppe der CSU in München. Die Funktion hänge aber von den Gesprächen ab.

Stoiber nannte nochmals die Konsolidierung des Staatshaushalts als eine zentrale Aufgabe der neuen Regierung. Seine langen Ausführungen über die Staatsfinanzen wollte der CSU-Chef aber nicht als Hinweis darauf verstanden wissen, dass er das Amt des Bundesfinanzministers anstrebe. "Schließen Sie nicht wieder auf persönliche Ambitionen", sagte er dazu.

Schröder will nicht Vizekanzler werden

Bundeskanzler Gerhard Schröder will nicht Vizekanzler in einer Großen Koalition werden. Der Regierungschef habe im SPD-Vorstand einen entsprechenden Vorschlag des Sprechers der Ost-Abgeordneten im Bundestag, Stephan Hilsberg, mit einem Scherz zurückgewiesen, hieß es in Teilnehmerkreisen. Er stehe auch als Staatssekretär nicht zur Verfügung, wurde Schröder zitiert. Informationen des "Tagesspiegels" zufolge sagte der Kanzler im SPD-Führungsgremium: "Da gibt es welche, die wollen mich als Vizekanzler - vielleicht demnächst auch noch als Staatssekretär!" Zugleich habe Schröder erklärt, es sei für ihn nicht zumutbar, "Verhandlungsmasse" in den Gesprächen mit der Union zu sein.
 


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SPIEGEL ONLINE - 07. Oktober 2005, 15:04
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Kanzlerfrage
 
SPD setzt Schröder und Müntefering unter Druck

Von Carsten Volkery

Vor dem entscheidenden Spitzengespräch zwischen Union und SPD wächst der Druck der SPD auf ihre Verhandlungsführer. Nur Schröder sei als Kanzler akzeptabel, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden einflussreichsten SPD-Flügel.

Berlin - In der Erklärung fordern der konservative Seeheimer Kreis und die Parlamentarische Linke in der SPD ihre beiden Verhandlungsführer auf, "hart zu bleiben und kein Ergebnis zu akzeptieren ohne Gerhard Schröder als Bundeskanzler".

Damit erhöhen die beiden wichtigsten Flügel der Partei, die zusammen die große Mehrheit der SPD-Abgeordneten stellen, den Druck auf Parteichef Franz Müntefering und Kanzler Gerhard Schröder, die am Sonntagabend mit CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber die Kanzlerfrage klären wollen.

Die Verbrüderung der beiden SPD-Flügel war bereits in den vergangenen Tagen vorangeschritten. Johannes Kahrs, einer der drei Sprecher des Seeheimer Kreises, hatte mehrfach mit dem Parteilinken Ludwig Stiegler telefoniert. Beide hatten Rundrufaktionen bei den Redaktionen gestartet, um die Maximalposition der SPD zu bekräftigen.

Kahrs behauptet, die Seeheimer würden Merkel nur wählen, wenn man sich auf die "israelische Lösung" einige. Das heißt: zwei Jahre Schröder als Kanzler, danach zwei Jahre Merkel. Ohne die Unterstützung der Seeheimer sei eine Große Koalition nicht denkbar, so Kahrs. Fraktionsvize Stiegler hat sich bereits darauf festgelegt, Merkel unter keinen Umständen zur Kanzlerin zu wählen. Nur Schröder komme für den Posten in Frage.

"Keine plumpe Parteitaktik"

Die Forderung, dass Schröder Kanzler bleiben müsse, war in der SPD seit der Wahl zunehmend abgeschwächt worden. Zwar ist sie weiterhin die offizielle Verhandlungsposition der Partei, wie Müntefering gestern noch einmal bekräftigte. Aber in der gestrigen Parteivorstandssitzung hatten Schröder und Müntefering auch Kritik an der unnachgiebigen Position Stieglers geäußert. Nach der Sitzung hieß es, die Mehrheit des Parteivorstands sei dagegen, mit nichtverhandelbaren Bedingungen in die Gespräche zu gehen.

Mit der heute veröffentlichten Erklärung der beiden Flügel verschärft sich die Rhetorik wieder. Das Beharren auf Schröder sei "keine plumpe Parteitaktik", wird da beteuert, "sondern der Tatsache geschuldet, dass in einer schwierigen Umbruchsituation unseres Landes der Beste Kanzler bleiben muss".

Kahrs nannte die gemeinsame Erklärung gegenüber SPIEGEL ONLINE einen "Aufstand der Abgeordneten". Er machte kein Geheimnis daraus, dass es der Gruppe offensichtlich darum geht, die Spitzengespräche zu torpedieren: "Wir wollen keinen faulen Kompromiss am Sonntag." Vielmehr strebten die Autoren laut Kahrs längere Gespräche über Inhalte an, um erst danach über die Personalfragen zu entscheiden. "Das Tempo muss raus", sagte Kahrs SPIEGEL ONLINE.

In einer separaten, konzilianteren Pressemitteilung erklärte der Seeheimer Kreis ein wenig später: "Klar ist, Kompromisse muss es geben, bei Inhalten wie auch beim Personal." Dies wurde allerdings nicht spezifiziert. Erneut hieß es, die Große Koalition brauche einen "starken Kanzler". Das sei "in unseren Augen unangefochten Gerhard Schröder."

Scholz wird Fraktionsgeschäftsführer

Unterdessen wurde bekannt, dass der frühere SPD-Generalsekretär Olaf Scholz Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion werden soll. Fraktionschef Müntefering hat den 47 Jahre alten Rechtsanwalt dem Vorstand und den Mitgliedern der Fraktion vorgeschlagen. Scholz soll am kommenden Donnerstag zum Nachfolger für Wilhelm Schmidt gewählt werden, der nicht mehr für den Bundestag kandidiert hatte.

Scholz sei der einzige bekannte Kandidat für das Amt, hieß es in Fraktionskreisen. Der Posten gilt als zentrale Schaltstelle in der Fraktion und dürfte in einer Großen Koalition noch mehr Bedeutung erlangen. Scholz hatte sich zuletzt als SPD-Obmann im Visa-Untersuchungsausschuss bewährt.
 


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