Wüste von Marokko
Hilfsorganisation berichtet über 500 ausgesetzte Flüchtlinge
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat in der Wüste im Süden Marokkos nach eigenen Angaben mehr als 500 afrikanische Flüchtlinge entdeckt. Sie sollen dort nach ihrer Vertreibung aus den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta von der marokkanischen Polizei ausgesetzt worden sein.
Madrid/Tanger - Wie Ärzte ohne Grenzen heute unter Berufung auf Berichte von Flüchtlingen mitteilte, wurden die Menschen von der spanischen Polizei zunächst aus den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla vertrieben. Dann habe die marokkanische Polizei sie in Bussen und Lastwagen Hunderte Kilometer nach Süden gefahren. Rund 50 Menschen in der Gruppe, in der sich auch Frauen und Kinder befanden, seien verletzt gewesen. Sechs von ihnen mussten demnach in ein Krankenhaus gebracht werden. Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Prodein sollen derzeit etwa 1000 Menschen in der Wüste ohne Wasser unterwegs sein.
Der marokkanische Informationsminister Nabil Benabdallah widersprach den Vorwürfen: Marokko halte sich an internationale Standards und respektiere die Menschenrechte. Seine Regierung verlangte von Europa, mehr Druck auf Algerien auszuüben, um den Transit der Emigranten über sein Territorium zu unterbinden.
Eine Gruppe von 73 afrikanischen Flüchtlingen, die Spanien offiziell aus seiner Exklave Melilla abgeschoben hatte, traf unterdessen in Tanger ein. Die Gruppe, die aus dem südspanischen Algeciras kam, sei in der Nacht zu Freitag in der marokkanischen Hafenstadt angekommen, teilte ein ranghoher Mitarbeiter der Provinzverwaltung mit. Dort seien sie zunächst in einer Wohlfahrtseinrichtung untergebracht worden. Gestern Abend hatte Marokko mitgeteilt, dass es 73 von Spanien ausgewiesene Flüchtlinge aufnehmen werde.
Grundlage der Abschiebung ist ein marokkanisch-spanisches Abkommen aus dem Jahr 1992, das bisher nur teilweise angewendet worden war. Spanien will in den kommenden Tagen Hunderte weitere illegale Einwanderer nach Marokko abschieben.
In den vergangenen Wochen hatten Tausende afrikanische Flüchtlinge versucht die Grenzzäune zu den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zu überwinden. Hunderte von ihnen gelangten auf spanisches Territorium. Bei den nächtlichen Aktionen wurden 14 Menschen getötet. Bisher konnten Flüchtlinge, die auf spanisches Gebiet gelangten, damit rechnen, dort bleiben zu können. Die Regierung in Madrid duldete die Flüchtlinge bisher, weil es mit den meist im Afrika südlich der Sahara gelegenen Herkunftsländern keine Rückführungsabkommen gibt.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte die Abschiebungen als "menschenverachtend und völkerrechtswidrig". Den Abgeschobenen drohten in Marokko Misshandlungen. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler erklärte, bei den Abschiebungen handle es sich um ein "unmenschliches Zurückschicken in die Hoffnungslosigkeit". Der entwicklungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Christian Ruck, sagte, die Abschiebungen führten das "Scheitern der europäischen Afrikapolitik vor Augen".
Das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat inzwischen eine Delegation nach Marokko geschickt, um mit der dortigen Regierung über eine Lösung des Flüchtlingsdramas an den spanischen Enklaven zu beraten. Der Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge, Portugals früherer Ministerpräsident Antonio Guterres, äußerte die Sorge, dass unter den Hunderten Emigranten aus Afrika auch Menschen mit einem Anspruch auf Asyl sind. Das Mandat des UNHCR gilt für Menschen, die vor Kriegen und politischer Verfolgung fliehen, nicht aber für jene, die aus wirtschaftlicher Not ihre Heimat verlassen, um in reiche Länder zu gelangen.
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