Lafontaine bei der Linkspartei
Gut gebräunt
zum Sozialismus
Von Carsten Volkery
An Selbstbewusstsein hat es Oskar Lafontaine noch nie gefehlt. Seinen Auftritt auf dem Parteitag der Linkspartei nannte der Spitzenkandidat ein "historisches Datum" in der Geschichte der Arbeiterbewegung. Der frühere SPD-Chef verteidigte sein Recht, ein Luxus-Linker zu sein, und forderte Respekt für alte SED-Kader.
Berlin - Oskar Lafontaine ist
heute eleganter als gewöhnlich. Er trägt einen grauen Dreiteiler und eine
silbrig schimmernde Krawatte. Er ist so herausgeputzt, weil er eine Attacke
gegen seine Peiniger reiten will. "Ich trage einen Luxus-Anzug, eine
Luxus-Krawatte. Luxus-Schuhe und ein Luxus-Unterhemd", ruft er in den Saal. "Ich
bin mit einem Luxusflieger von Air Berlin von der Luxus-Insel Mallorca
gekommen".
Lafontaine hat sich entschieden, offensiv mit der Kampagne der
"Bild"-Zeitung umzugehen, die Fotos vom urlaubenden Lafontaine vor seinem
Ferienhaus auf Mallorca gedruckt und ihn als "Luxus-Linken" bezeichnet hatte.
"Mallorca", sagt der gut gebräunte Lafontaine voller Sarkasmus. "Das kann sich
ja kein deutscher Arbeitnehmer leisten". Und einen Pool von zwölf Meter Länge
habe er, das sei ja nicht zu fassen.
Das Parteitags-Publikum im Berliner
Estrel-Hotel lacht und klatscht. Parteichef Lothar Bisky und Wahlkampfmanager
Bodo Ramelow hatten bereits am Morgen den Delegierten erklärt, dass ein Linker
nicht in Sack und Asche gehen müsse. Für einen "fröhlichen Sozialismus" hatte
Ramelow geworben. Lafontaine sagt: "Ein Linker kann sich ruhig selbst etwas
gönnen, dann kann er ab und zu auch anderen etwas gönnen". Gregor Gysi ergänzt
später: "Wir predigen nicht Wasser und trinken selbst Wein. Wir predigen
Wein".
Lafontaine: SED-Kader verdienen Respekt
Derartig
eingenordet, verteidigen die meisten der 400 Delegierten den nicht
unumstrittenen Spitzenkandidaten aus dem Westen. "Dass er sich ein Häuschen im
Saarland leisten kann, ist doch ok", sagt der Berliner Günther Wardzinski,
SED-Mitglied seit 1960. "Ich bin nicht dafür, dass alle gleich sind. Lafontaine
war immerhin Minister". Doch es gibt auch Unbehagen, insbesondere mit Blick auf
die öffentliche Wahrnehmung. "Es gibt schon eine innere Aversion dagegen, dass
Lafontaine immer im Glanz stehen muss", sagt Manfred Kapluck, der sich als
"alter Kommunist aus dem Westen" bezeichnet.
Doch der Saarländer schafft
es wie immer, den Parteitag auf seine Seite zu bringen. Er tut dies vor allem
mit einem Kotau vor dem Ehrenvorsitzenden der Linkspartei, Hans Modrow. Leute
wie Modrow, der letzter SED-Regierungschef der DDR war, verdienten den "ihnen
gebührenden Respekt". Es sei nicht einzusehen, warum Michael Gorbatschow heute
hofiert werde, Reformer in der SED-Führung aber nicht. Für diese Passage gibt es
den lautesten Applaus während der 40-minütigen Rede. Ansonsten bleibt der
Applaus eher brav, Jubel kommt erst später beim Partei-Darling Gregor Gysi auf.
Der wünscht sich "etwas mehr Lebendigkeit im Saal" und bekommt seinen Wunsch
erfüllt.
Indirekt erinnert Lafontaine in seiner Rede an den Parteitag von
1946, als KPD und SPD im Osten zur SED unter Otto Grotewohl zwangsvereinigt
wurden. Er sei stolz darauf, bei der "freiwilligen Vereinigung einer
demokratischen sozialistischen Linken" dabei zu sein, sagt Lafontaine. Dass er
als früherer SPD-Chef auf dem PDS-Parteitag spreche, sei ein "historisches
Datum". Es entspricht Lafontaines überhöhtem Selbstbild, seinen eigenen Auftritt
als geschichtliches Ereignis zu feiern. Er wolle sich nicht überhöhen, sagt er,
aber er sehe die Rede schon auch "in der Geschichte der
Arbeiterbewegung".
Partei der alten Männer und jungen
Frauen
Dem Pathos entgegen steht die bewusst schlicht gehaltene
Inszenierung. Nach der Mittagspause kommt Lafontaine beinahe unbemerkt auf die
Bühne. Kein Heldeneinzug zu triumphaler Musik, wie bei Parteitagen sonst üblich.
Er kommt einfach und setzt sich auf seinen Platz auf dem Podium. Eingerahmt wird
er dort von zwei fotogenen rothaarigen jungen Frauen, eine davon ist die
sächsische PDS-Kandidatin Katja Kipping. Neben Kipping folgt Gysi, dann wieder
eine attraktive junge Frau. Die Linkspartei, so sieht es aus, vermarktet sich
als Partei der alten Männer und jungen Frauen.
In seiner Rede präsentiert
sich Lafontaine einmal mehr als Volkstribun. "Das Volk will sich die Politik
wieder aneignen", ruft er. Als Beweise nennt er die Montagsdemos vom vergangenen
Jahr und das Nein der Franzosen zur EU-Verfassung. Ein "historischer Einschnitt"
sei das gewesen, tausende hätten auf der "Place de la Bastille" gefeiert. Er
glaubt erkannt zu haben: "Mehr und mehr steht das Volk gegen die Neoliberalen
auf". Der Träger dieses vermeintlichen Zeitgeistes, klar, ist Lafontaine. "Ja,
ein Gespenst geht um, das Gespenst der Linkspartei", sagt er. Links sein,
definiert Lafontaine, heiße, für die Schwächeren zu sein - und natürlich gegen
die "Mitte-Rechts-Regierung" von Gerhard Schröder.
Ausführlich zitiert
Lafontaine berühmte Dichter und Denker, vor allem französische. Von Rousseau
über Camus bis Victor Hugo ist alles dabei. In die Niederungen des Wahlprogramms
begibt er sich hingegen kaum. In der Wirtschaftspolitik fordert er den
gesetzlichen Mindestlohn und die Regulierung der internationalen Finanzmärkte,
in der Außenpolitik ein Ende deutscher Militäreinsätze. Zu der Frage allerdings,
wie die kostspieligen Wahlversprechen des Linkspartei-Programms finanziert
werden sollen, sagt er nichts.
Stattdessen äußert er sich lieber noch
einmal zu den "Fremdarbeiter"-Vorwürfen. Seine Äußerung vor einigen Wochen,
"Fremdarbeiter" nähmen deutschen Familienvätern die Arbeitsplätze weg, war wegen
des ausländerfeindlichen Tenors in der PDS auf scharfe Kritik gestoßen.
Lafontaine bezichtigt seine Kritiker einer "gigantischen Heuchelei". "Ich bin
demokratischer Sozialist, ich bin Internationalist, und ich lasse mir von
niemandem meine Ehre beschneiden".
An diesem Tag wird keine Kritik an
Lafontaine laut. Die Angriffe gegen den Spitzenkandidaten haben eine gewisse
Solidarisierung der Genossen bewirkt. Auch hat man sich inzwischen an das
Projekt Linksbündnis gewöhnt. Die Sorgen über die Vereinigung der beiden
unterschiedlichen Parteien PDS und WASG, die immer noch aussteht, werden in der
Aussicht auf die vorhergesagten acht Prozent bei der Bundestagswahl erst einmal
unterdrückt.
In Nordrhein-Westfalen etwa rechnet die PDS, die hier nur
als "Die Linke" antritt, mit einem Ergebnis von fünf bis sechs Prozent - nach
2,2 Prozent für die WASG bei der Landtagswahl. Der Unterschied wird allein
Lafontaine zugerechnet, der mit einem Schlag die PDS-Liste salonfähig gemacht
hat. Viele Wähler, so ein nordrheinwestfälischer Wahlkämpfer, wissen gar nicht,
dass sich hinter der Linkspartei die PDS verbirgt. Und er fügt augenzwinkernd
hinzu: "Hoffentlich finden es nicht allzuviele vor der Wahl heraus".
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