Ex-Verfassungsrichter
"Missbrauchsvirus
infiziert Linkspartei"
Die Listenaufstellung der neuen
Linkspartei und die WASG trifft auf vehementen Widerspruch von ehemaligen
Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts. Ihre Kooperation verstößt nach
Ansicht von Karin Graßhof und Hans H. Klein gegen das Wahlgesetz.
Frankfurt am Main - Formal hätten beide Parteien bei der
Kandidatenaufstellung zwar darauf geachtet, dass man nicht von einer
unzulässigen Listenverbindung sprechen könne, schreiben die Verfassungsjuristen
in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "Es soll aber genau
das erreicht werden, was mit dem Verbot von Listenvereinigungen verhindert
werden soll. Der Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten, die das Wahlrecht
eröffnet, ist offenkundig", argumentierten sie.
Die Wähler wüssten auch
nicht, ob die Kooperation nach der Wahl fortgesetzt werden solle, ob also eine
gemeinsame Bundestagsfraktion gebildet würde, schreiben Graßhof und Klein
weiter. "Bei diesem Vorgehen handelt es sich ersichtlich nicht darum, dass nur
im Einzelfall Bewerber einer anderen Partei, der WASG, auf den - wie es heißt,
offenen - Listen der Linkspartei kandidieren sollen", erklärten sie. Die
Zusammenarbeit beider Parteien habe den alleinigen Zweck, der eigens umbenannten
PDS Wähler aus dem Westen zuzuführen.
"Das Missbrauchsvirus infiziert
alle Listen der Linkspartei", urteilen die beiden ehemaligen Verfassungsrichter.
Deshalb müssten die Landeslisten von den Landeswahlleitern zurückgewiesen
werden. Sie entsprächen nicht den Anforderungen des Bundeswahlgesetzes. Bei
einer späteren Wahlprüfung, die mit Sicherheit zu erwarten sei, müsste die Wahl
ansonsten für ungültig erklärt werden.
Bundeswahlleiter Johann Hahlen
hatte in der vergangenen Woche erklärt, es sei "durchaus möglich", dass die
Linkspartei in einigen Ländern Probleme bekommen könnte. Es seien nur
"homöopathische Dosen" an WASG-Mitgliedern auf den Listen der in Linkspartei
umbenannten PDS zulässig.
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Prozess angekündigt
Staatsrechtler warnt vor Zulassung der Linkspartei
Der Bonner Staatsrechtsprofessor Wolfgang Löwer glaubt nicht, dass die Wahllisten der neuen Linkspartei den Wahlgesetzen entsprechen. Sollte das Bündnis aus PDS und WASG zugelassen werden, will er die gesamte Wahl anfechten.
Berlin - "Ich habe Zweifel, ob die Listen der Linkspartei - der ehemaligen PDS - rechtlich einwandfrei sind", sagte Löwer der Nachrichtenagentur dpa. "Die Listen müssen von einer Partei sein. Zwar sind die Listen auch nur von der Linkspartei aufgestellt worden. Aber es scheint offensichtlich Wahlabsprachen zwischen der PDS vor ihre Umbenennung in Linkspartei und der WASG gegeben zu haben." Und darin liege die Problematik.
Grundsätzlich darf laut Löwer nach dem Bundeswahlgesetz nur die Liste einer Partei und keine Listenverbindung von zwei Parteien antreten. Der Staatsrechtler verwies darauf, dass ursprünglich auch die WASG eine Teilnahme an der Bundestagswahl angemeldet hatte. "Dies zeigt, dass die PDS und die WASG konkurrierende Parteien sind. Und die gehören nicht auf eine Liste."
Vor Löwer hatten bereits andere Staatsrechtler Bedenken gegen die Zulassung der Landeslisten angemeldet, über die Landeswahlausschüsse an diesem Freitag entscheiden. In Bayern und Baden-Württemberg kandidieren etwa WASG-Kandidaten auf Platz eins der jeweiligen Landesliste. Auch der ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine, inzwischen WASG-Mitglied, steht in Nordrhein-Westfalen auf Platz eins.
Nach Ansicht von Löwer spielt es kein Rolle, wie viele Mitglieder der WASG auf den Landeslisten der Linkspartei kandidieren. Es beruhe aber ganz offensichtlich auf Wahlabsprachen, wenn vom schwächeren Partner auf einmal Kandidaten auf Spitzenplätze der anderen Partei nominiert würden. "Das passt nicht richtig zusammen."
Er forderte die Wahlausschüsse auf, dem nachzugehen. Die Vorstände beider Parteien müssten über mögliche Absprachen befragt werden. Die Tatsache, dass Linkspartei und WASG eine Fusion angekündigt haben, zerstreuten seine Zweifel nicht. "Was wäre, wenn es nicht zur Fusion kommt? Dann wäre der Wahlfehler gemacht. Und doch sollen die Abgeordneten im Bundestag sitzen bleiben?" So sicher sei die Fusion außerdem gar nicht, wie Nachrichten aus verschiedenen Landesverbänden zeigten, fügte der Professor hinzu.
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