SPIEGEL ONLINE - 17. Juli 2005, 18:55
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Linkspartei
PDS sagt dem Sozialismus leise
Servus
Von Carsten Volkery
Trotz Gegrummel an der Basis hat die PDS mit einer deutlichen
Dreiviertelmehrheit entschieden, sich in "Die Linkspartei." umzubenennen. Gregor
Gysi überzeugte mit der Rede des Tages - doch am Ende gab es doch noch
Ärger.
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DDP
Lothar Bisky und Gregor Gysi: "Ein
historischer Tag" |
Berlin - Einsam
weht die rote Fahne der PDS am Mast vor dem Berliner Congress Center (BCC). Vor
dem Eingang werden Unterschriften gegen den Abriss einer
Ernst-Thälmann-Gedenkstätte gesammelt. Von einem Bauzaun aus spricht ein
Transparent der sozialistischen Jugend zu dem abwesenden Oskar Lafontaine:
"Links ist, wo keiner fremd ist".
Die PDS-Spitze hat zum Sonderparteitag
nach Berlin-Mitte geladen. Aus den Panoramafenstern des Tagungszentrums blicken
die Delegierten auf die realsozialistische Tristesse des
Alexanderplatzes.
Einziger Tagesordnungspunkt: Die Umbenennung der Partei
des demokratischen Sozialismus in "Die Linkspartei.". Damit erfüllt die
PDS-Führung ihren Teil des Deals, den sie mit der Wahlalternative Arbeit und
soziale Gerechtigkeit (WASG) ausgehandelt hat. Die WASG-Leute verzichten auf
eine eigene Liste bei der geplanten Bundestagswahl und treten stattdessen auf
der PDS-Liste an. Dafür muss die PDS ihren Namen opfern.
369 Delegierte
sind aus der ganzen Republik angereist, um Geschichte zu schreiben. Von einem
"historischen Tag" ist die Rede. Schließlich wird die Partei auf Bundesebene zum
ersten Mal nicht mehr das Wort "Sozialismus" im Namen führen. Die Landesverbände
dürfen fortan entscheiden, ob sie das Kürzel PDS anhängen wollen oder nicht. In
Sachsen und Baden-Württemberg hat man sich bereits dafür entschieden, im
Saarland dagegen. Auch im 26-seitigen Wahlprogramm, das heute vorgestellt wird,
kommt das Wort "Sozialismus" nicht mehr vor. Allerdings firmiert dort die Partei
durchgängig unter dem Namen "Die Linkspartei.PDS".
"Bauchgrummeln" bei
Delegierten
Die Zugeständnisse an die WASG und ihren bayerischen
Verhandlungsführer Klaus Ernst passen vielen Genossen überhaupt nicht. "Wir
dürfen den Anspruch auf eine sozialistische Gesellschaft nicht aufgeben", sagt
Gunter Schneider, ein 59-jähriger Delegierter aus Sachsen-Anhalt. Der gemeinsame
Auftritt mit der WASG sei eine Chance, aber die Zukunft sieht er skeptisch. In
der WASG tummele sich alles von "ehemals hohen SED-Funktionären" bis hin zu
Schill-Parteigängern. "Da kommen eine Menge Probleme auf uns zu."
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DPA
Klares Abstimmungsergebnis: "Ein Parteiname
ist nicht Schall und Rauch" |
Richtig
glücklich ist kaum jemand über das Bündnis. "Es ist eine wahltaktische
Notwendigkeit", sagt Horst Brandner, ein 53-jähriger Mathematiker. Auch Cornelia
Seldner von der Frauen-AG der PDS hat "Bauchgrummeln" bei der
Entscheidung.
Doch die PDS-Führung überlässt nichts dem Zufall. Der
Parteitag ist straff durchchoreographiert. In der ersten Reihe sitzt der
Gastredner Klaus Ernst. Der WASG-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine hingegen
fehlt. Man wolle heute keine Fremdarbeiter-Diskussion führen, heißt es dazu in
der PDS. Lafontaine hatte nach seinen Äußerungen zu "Fremdarbeitern", die
Deutschen Arbeitsplätze wegnähmen, scharfe Kritik auch aus der PDS
erfahren.
Trotz Abwesenheit ist Lafontaine der wohl meistzitierte Name
des Tages. Kaum ein Redner vergisst, ihn in Schutz zu nehmen oder sich
abzugrenzen. PDS-Spitzenkandidat Gregor Gysi fordert "kritische Solidarität" mit
Lafontaine, der gerade "fertig gemacht" werde.
Neuer Name, alte
Inhalte
In seiner Begrüßungsrede zieht Parteichef Lothar Bisky eine
Parallele zu 1989. Die Umbenennung der DDR-Regierungspartei SED in PDS sei ein
"Aufbruch" gewesen, sagt er. Damals habe man sich von den "im Namen des
Sozialismus begangenen Verfehlungen und Verbrechen" distanziert. "Es ist, als
habe einer ein Fenster aufgestoßen", zitiert er den Autor Stefan Heym. Die
Linkspartei, suggeriert Bisky, sei wieder so ein Aufbruch. Erneut sei die PDS
bereit, ihren Namen zu ändern, "als Zeichen dafür, dass wir etwas Neues beginnen
wollen".
Doch wie schon damals ändert sich außer dem Namen zunächst
nichts. Was unter dem Logo Linkspartei firmiert, ist die alte PDS, erweitert um
einige neue Gesichter. Auch wenn heute viel von Veränderungsbereitschaft die
Rede ist - was die alten Parteimitglieder wollen, ist klar. "Ich hoffe, es wird
sich nicht viel ändern", sagt Schneider, der inzwischen je 15 Jahre SED und PDS
erlebt hat.
Ein Blick ins Wahlprogramm bestätigt: Die Linkspartei sieht
sich auch weiterhin als die Anti-Partei. "Wir werden dort sein, wo in unserem
Land Protest und Widerstand notwendig sind", heißt es in dem Heft. In den
Bundestag wolle man, um das "Kartell der sozialen Kälte" zu bekämpfen, welches
die vier dort vertretenen Parteien bildeten. Das Strickmuster des Programms ist
schnell zusammengefasst: Es werden zusätzliche Investitionen und Ausgaben in
fast allen Bereichen angekündigt, zur Finanzierung heißt es immer nur: Mehr
Steuern für Reiche und Unternehmen.
Delegierter fürchtet "Kainsmal der
Wählertäuschung"
Nach dem sechswöchigen Namensstreit geht die
Veranstaltung heute recht zügig über die Bühne. In der zweieinhalbstündigen,
sehr diszplinierten Aussprache kommen auch ein paar Bedenkenträger zu Wort.
Sahra Wagenknecht, die Wortführerin der Kommunistischen Plattform, darf ihren
Gegenantrag begründen, in dem sie sich gegen die Umbenennung ausspricht. "Ein
Parteiname ist nicht Schall und Rauch", sagt sie. Wer jetzt das Kürzel PDS zum
Zusatz herabstufe, der nehme in Kauf, dass der Name bald ganz verschwinde. Die
WASG sei keine sozialistische Partei, es bestünden erhebliche Differenzen. Der
Delegierte Gerhard Pein aus Thüringen warnt vor dem "Kainsmal der
Wählertäuschung". Der einzige Grund für die Umbenennung sei die Absicht, den
Wählern im Westen vorzugaukeln, die Linkspartei sei nicht die PDS.
Doch
die Gegner sind in der Minderheit. Ein Führungsmitglied nach dem anderen wirbt
für den Antrag des Parteivorstands. Der Ton ist durchweg triumphierend. "Sie
haben Angst vor uns", sagt Bundesgeschäftsführer Bodo Ramelow über die anderen
Parteien. Anders könne man sich nicht erklären, wieso die Brandenburger SPD
Lafontaine als "Hassprediger" bezeichne. Die Argumente der Befürworter lassen
sich auf zwei Worte reduzieren: Medieninteresse und Umfragen. "Es ist das erste
Mal, dass wir in den Wahlkampf ziehen, und es ist kein Schicksalswahlkampf",
sagt der Delegierte Ulrich Wilken. "Wir können und wir werden siegen. Das ist
ein schönes Gefühl."
Gysi: "Ein fairer Kompromiss"
Die Rede
des Tages hält Gregor Gysi. Er zieht alle Register und bringt die Delegierten
ein ums andere Mal zum Lachen. "Wir sollten stolz sein und nicht vor uns
hinmäkeln", sagt er. Die Rede vom Markenzeichen PDS sei schön und gut, aber man
möge sich doch bitte den Realitäten stellen. Außerdem sei dies die erste
Vereinigung, in der der Osten mehr Gewicht habe als der Westen. "Dieser
Kompromiss ist fair." Dennoch sei die "Erweiterung der Identität" nicht einfach,
warnt Gysi. Wenn die beiden Partner nach der Wahl mit der Gründung einer
gemeinsamen Partei Ernst machen wollten, dann müsse die PDS die Probleme der
Bayern "mitfühlen".
Mit Bedacht war Gysi als letzter Redner eingeplant.
Nach seiner Rede scheint die Annahme des Antrags gesichert. Doch als mit der
Abstimmung begonnen werden soll, erhebt sich wütender Widerspruch. Jens-Uwe
Heuer, ein Veteran der Kommunistischen Plattform, steht plötzlich auf der Bühne
und beschimpft mit erhobenem Zeigefinger den geschäftsführenden Funktionär
Dietmar Bartsch. Er habe die Zusage für ein fünfminutiges Schlusswort erhalten,
behauptet Heuer. Daran könne er sich nicht erinnern, sagt Bartsch.
Nach
einigem Hin und Her erhält Heuer das Rederecht, "ausnahmsweise", wie Bartsch
sagt. "Ihr beendet heute die PDS als eigenständige Partei", ruft Heuer in den
kreisrunden Saal unter der Kuppel des BCC. "Es darf heute nicht der letzte
Parteitag sein, auf dem das PDS-Logo erscheint." Die PDS habe "ohne Not" den
WASG-Forderungen nachgegeben.
Die Parteiführung sieht die nötige
Zweidrittelmehrheit in Gefahr. Bundesgeschäftsführer Bodo Ramelow tritt ans
Mikro und entschuldigt sich bei den Delegierten, falls der Eindruck entstanden
sein sollte, man wolle gewisse Leute nicht zu Wort kommen lassen. Es habe sich
um ein "Missverständnis" gehandelt.
Nach vier Stunden ist das Wunder
vollbracht: Das Linksbündnis steht. 311 Delegierte, das sind 74 Prozent, stimmen
für die Umbenennung. Nur 20 sind dagegen. Vergangene Woche hatten bereits 81
Prozent der WASG-Mitglieder dafür votiert, auf der Liste der Linkspartei
anzutreten.
Kaum ist die Abstimmung vorbei, wird auf der Bühne ein Plakat
enthüllt: "Die Linke. PDS" steht darauf. Im Foyer werden Aufkleber und Poster
mit dem neuen Logo verteilt. Und als die Delegierten das Kongresszentrum
verlassen, wehen zwei rote Fahnen an den Masten. Darauf steht: Die Linke.
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