352. Bremer Montagsdemo
am 14. 11. 2011  I◄◄  ►►I

 

Beim Widerstand gegen „S21“ geht es nicht nur um einen Bahnhof

Harald BraunIn Baden-Württemberg sind viele Menschen auf der Straße, um das Milliardengrab „Tiefbahnhof Stuttgart 21“ zu verhindern. Am letzten Wochenende gab es 90 Aktionen in über 50 Städten unter dem Motto „Ja zum Ausstieg – gegen S21“. Immer deutlicher wird, dass es um viel mehr geht als um den Stuttgarter Bahnhof. Mit einer millionenteuren Werbekampagne, teilweise finanziert aus Steuergeldern, überschwemmen jene, die den Tiefbahnhof betreiben wollen, das Land und manipulieren einen Großteil der Medien.

Bahnvorstand und CDU/SPD-Politiker behaupten, dass 4,5 Milliarden Euro das Limit der Kosten seien. Die Spatzen pfeifen schon von den Dächern, dass dies schöngerechnet und gelogen ist. Für soziale Belange, Bildung oder Kindergärten ist angeblich nie Geld da. Während die Lasten der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf die Bevölkerung abgewälzt werden, erhalten Konzerne und Banken für „S21“ Milliarden aus Steuergeldern, und das nicht nur in Stuttgart und Baden-Württemberg: Insgesamt 600 Milliarden Euro winken Baugiganten und Spekulanten in ganz Europa, wenn sie bei solchen – für die Bevölkerung völlig unnützen – Großprojekten einsteigen. Was könnte damit alles Sinnvolles entstehen!

Die bevorstehende Volksabstimmung am 27. November 2011 wurde durch den Widerstand von unten erkämpft: Es gab bisher 100 Montagsdemonstrationen am Stuttgarter Bahnhof, mehrere Großdemonstrationen mit bis zu 100.000 Teilnehmern, zahlreiche Blockaden, die Dauermahnwache am Nordflügel, mehr als 30.000 eingetragene Parkschützer und bundesweit durchgeführte „Schwabenstreiche“ wie hier in Bremen seit 63 Wochen. Die Volksabstimmung hat aber einen Doppelcharakter durch ihre undemokratischen und manipulativen Bestimmungen: Auf dem Stimmzettel darf nicht gleichberechtigt zwischen dem geplanten Tiefbahnhof und dem bestehenden Kopfbahnhof entschieden werden, sondern nur darüber, ob die Landesregierung Kündigungsrechte bei der Mitfinanzierung wahrnimmt.

Außerdem entscheidet nicht in erster Linie die betroffene Bevölkerung in Stuttgart und Umgebung, sondern es wird eine riesige Hürde auferlegt: Mindestens ein Drittel aller Wahlberechtigten in Baden- Württemberg – mehr als die Wähler der neuen und der alten Landesregierung – müssen für den Ausstieg stimmen. Sehr bedeutend ist, dass immer mehr „Stuttgart-21“-Gegner inzwischen erklären, am Widerstand festzuhalten, selbst wenn das undemokratische Quorum für den Ausstieg nicht erreicht würde, denn auch dann wird aus dem „dümmsten Großprojekt“ („Süddeutsche Zeitung“) noch lange keine „heilige Kuh“.

Auch die Stuttgarter Polizei bereitet sich auf die Zeit nach der Volksabstimmung vor: Unter dem Namen „D-Day“  – (so wird der Zeitpunkt für militärische Operationen genannt) wird der bürgerkriegsähnliche Einsatz gegen den weiteren Widerstand gegen „S21“ geplant. Insgesamt 9.000 Polizisten sollen dann rund um die Uhr das angebliche Baurecht der Bahn durchsetzen. Für die gesamte Dauer der Aktion ist ein Vierteljahr angesetzt. Ihr Ende wurde von der Bahn auf den 29. Februar 2012 terminiert. Das bedeutet, dass direkt nach der Volksabstimmung der Abriss des Südflügels des Hauptbahnhofs und das Fällen von rund 280 Bäumen für die Baugrube von „Stuttgart 21“ losgehen soll.

Wir werden weiter aktiv bleiben gegen „S21“ und andere wahnwitzige Großprojekte“! Wir hoffen, dass die Volksabstimmung zu einer politischen Niederlage für die Betreiber des Projekts „S21“ in den Konzernvorständen und in der Landes- und Bundesregierung wird. Das wäre die passende Antwort auf die Arroganz der Macht!

Harald Braun

 

Bremen verscharrt Obdachlose
im Grünstreifen

Hans-Dieter Binder Als Kind habe ich gelernt, dass ich nicht auf ein Grab treten darf. Ich habe mich daran gehalten. Auch heute mache ich einen Bogen um teilweise kaum zu erkennende Gräber. Ich halte mich an den Grünstreifen dazwischen. Doch in Bremen kommt es vor, dass genau in diesem Grünstreifen Obdachlose begraben werden. Was für ein Kulturverlust! Die Innere Mission will dies ändern und benötigt dafür Spenden. Warum ist Bremen selbst der Platz auf dem anonymen Gräberfeld zu teuer? Bremen ist Haushaltsnotlagenland, aber auch dies rechtfertigt nicht den respektlosen Umgang mit einem Toten. Amerika hat sogar diese Entgleisung noch negativ überboten: Leichenteile wurden verbrannt und auf einer Mülldeponie „entsorgt“.

Nun zurück nach Bremen. Wo steht die Verwaltungsanweisung für die Bestattung von Armen? Wie soll die Sozialverwaltung der Hansestadt mit diesen Toten verfahren? Ist die Bestattung im Grünstreifen zulässig? In der Reform des Friedhofrechts steht: „(3) Die Asche jeder Leiche ist in ein amtlich zu verschließendes Behältnis (Urne) aufzunehmen. Urnen sind unverzüglich beizusetzen. Es muss jederzeit festzustellen sein, wo die Urne beigesetzt ist und um wessen Asche es sich handelt. Bei einer Ausbringung der Asche muss die Grabstelle vermerkt werden.“ Somit ist die Bestattung im Grünstreifen eigentlich unmöglich. Im Leichengesetz steht „§ 2 Ehrfurcht vor den Toten. Wer mit Leichen umgeht, hat dabei die gebotene Ehrfurcht vor dem toten Menschen zu wahren.“ Ist also alles in Ordnung auf den Friedhöfen in Bremen? Ich glaube, dass die Diakonie sich auskennt und die Rahmenbestimmungen zwar gut klingen, aber nicht eingehalten werden!

 

2. Ein Pfändungsschutzkonto braucht jeder, der eine Pfändung erwartet, sein Girokonto überzogen oder Schulden bei der Bank hat. Ab 1. Januar 2012 ist ein Zahlungseingang nur noch auf dem „P-Konto“ vor den Gläubigern geschützt. Der Basisschutz vor Pfändungen beträgt 1.028,99 Euro für einen alleinstehenden Menschen und kann bei Unterhaltspflichten erhöht werden. Die Obergrenze insbesondere für Erwerbseinkommen ergibt sich aus den Pfändungsfreibeträgen, für Sozialleistungen aus dem Leistungsbescheid, gegebenenfalls zuzüglich Kindergeld, eventuell plus Schulausstattung von 70 Euro im August. Falls Ihre Bank diese Obergrenze nicht vereinbaren will, können Sie dies mit Hilfe des Amtsgerichts durchsetzen.

Eine Zahlungsverschiebung des Leistungsträgers um einen Monat ist unerheblich, weil der nicht ausgenutzte Freibetrag für den Zahlungseingang auf den nächsten Monat übertragen wird. Falls Sie mit einer Nachzahlung oberhalb der Freigrenze liegen, sollten Sie vorher die Pfändungsfreigrenze für Ihr „P-Konto“ erhöhen oder Barauszahlung beantragen. Bei Gerichtsterminen sollte die notwendige Regelung in die Verhandlung einfließen, zum Beispiel als Barzahlung an den Berechtigten. Die „Solidarische Hilfe“ hat dazu ein gutes Informationsblatt erstellt. Rechtsgrundlage ist § 850k der Zivilprozessordnung. Falls Sie ein Privatinsolvenzverfahren haben, fragen Sie bitte Ihren Insolvenzverwalter. Eigentlich schützt das laufende Verfahren vor Pfändungen, aber eventuell hat sich auch da etwas geändert.

Wenn Sie Ihr Girokonto auf ein „P-Konto“ umstellen, lassen Sie sich nicht von Ihrer Bank sauerfahren. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf ein Girokonto, aber nur ein solches, jedoch kein Gemeinschaftskonto, kann in ein „P-Konto“ umgewandelt werden. Regen Sie sich nicht über eventuell höhere Gebühren auf. Ihre Bank fragt vor der Umwandlung bei der Schufa an, um sicherzustellen, dass Sie noch kein „P-Konto“ besitzen. Die Schufa soll diese Info bei Kreditbeurteilungen et cetera nicht berücksichtigen. Die persönlichen Erfahrungen bitte auf der Bremer Montagsdemo schildern! Gemeinsam können wir manches Problem beseitigen. Das „P-Konto“ ist scheinbar zur längerfristigen Geldaufbewahrung ungeeignet. Der Pfändungsschutz bezieht sich auf den Geldeingang des Monats – egal, warum die Zahlung erfolgte!

 

3. Das Sozialgericht Hildesheim wurde verklagt. Ein Verfahren dauert dort vier Jahre und damit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu lange. Eine Strafe oder Frist für die Erledigung darf das höchste Gericht jedoch nicht vorgeben. Eine Entschädigung für den Betroffenen wurde mangels entsprechender Regelungen abgelehnt. Dieses Urteil wurde am 27. September 2011 gefällt. Die gesetzliche Grundlage für eine Entschädigung bei solch einer Verschleppung wurde zwei Tage später im Bundestag verabschiedet. Beschränkt wird sie auf 1.200 Euro pro Jahr. Der Bundesrat muss noch zustimmen. Im Entwurf war vorgesehen, dass das Gericht gerügt werden muss. Dafür wird ein Extraverfahren eröffnet. Es unterliegt der Gebührenpflicht, auch wenn dem Kläger für das Sozialgerichtsverfahren keine Gebühren entstehen. Insofern bitte rechtzeitig Prozesskostenhilfe beantragen. Es gibt auch weitere Entscheidungen über Entschädigungen für überlange Verfahrensdauer. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann angerufen werden, ohne dass vorher das Bundesverfassungsgericht angerufen wurde, weil letzteres dem Betroffenen nicht helfen kann.

 

4. Die Kliniken der Freien Hansestadt Bremen sind personell unterbesetzt. Im Rahmen der Strukturänderung wurden zahlreiche Arbeitsplätze vernichtet und befristete Verträge nicht verlängert. Durch diese Kopfplanung waren die Mitarbeiter(innen) nicht unbedingt dort, wo sie gebraucht wurden – eine lange Geschichte. Zuletzt wurde mit Prämien für Anwerbungen versucht, die Lücken zu schließen. Die neuen Mitarbeiter(innen) erhielten aber trotzdem nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Dies machte die Aktion nicht sehr erfolgreich. Wie viele Überlastungsanzeigen sind auf den Schreibtischen der Verantwortlichen gelandet? Frau Pieper wird dies alles den Stuhl kosten! Nehmen Sie Ihren Hut! Sie sind zwar erst seit Kurzem für Gesundheit zuständig – es hätte aber gereicht, um Abhilfe zu schaffen. An diesem Dienstag steht die Bildung im Fokus, mit einer Demonstration ab 15 Uhr am Hauptbahnhof und einer Kundgebung ab 15:30 Uhr auf dem Marktplatz Die Verweigerung von guter Bildung ist ein weiterer Grund, endlich den Hut zu nehmen! Die Schüler wurden von Ihnen vorsätzlich getäuscht und ausgetrickst! Einfach zurücktreten! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 

 
Am 18. November 2011 macht der „Campact“-Castor-Transport Station in Bremen. Vom Bahnhofsvorplatz aus wird sich der Transport um 13 Uhr, begleitet von „Strahlenschutzexperten“ und „Schutzpersonal“, auf den Weg nach Gorleben machen. Doch immer wieder wird er von vielen Aktionsteilnehmer(inne)n zum Abbiegen gezwungen. Enden wird die Aktion mit einer Kundgebung um 14:30 Uhr auf dem Marktplatz.

 

Millionenfach sanktionieren, als würde massenhaft Arbeit verweigert

Elisabeth Graf1. Alle paar Tage kommen tröpfchenweise neue Fakten im Zusammenhang mit den toten Säuglingen im Klinikum Bremen-Mitte ans Tageslicht. Erst kürzlich wurde von Krankenhausleitung und SPD-Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper zugegeben, dass der lebensgefährliche Keim, an dem drei Frühchen starben, schon vor einem halben Jahr festgestellt wurde.

Seit April wurde der Erreger bei 23 Kindern nachgewiesen, mindestens neun sind seitdem erkrankt. Selbstverständlich hätte die Gesundheitsbehörde früher informiert werden müssen, und es macht die toten Babys nicht wieder lebendig, wenn jetzt öffentlich bekannt gegeben wird, dass hier ein „Fehler“ gemacht wurde. Warum die Ärzte nicht bereits im April oder Mai Meldung über das Auftreten des Keims erstatteten, ob es menschliches Versagen oder ein Fehler in der Organisation war, sei „völlig unerklärlich“.

Privat kann ich mir schon vorstellen, warum nicht frühzeitig bekannt gegeben wurde, seit wann tatsächlich diese gefährlichen Keime auftraten. Das hätte ja bestimmt die Konsequenz haben müssen, dass teure Maßnahmen durchzuführen wären, die die zuvor festgelegte Pauschale jedoch überschreiten und daher neoliberal kostensparend zu ignorieren sind! Das ist meine persönliche Sicht der Dinge, die bestimmt so nirgendwo zu lesen sein wird. Dass nach Auftreten des Keims nicht sofort die entsprechenden Stellen informiert wurden, ist nur die eine Seite der Medaille, denn wir lesen ständig von den unerhörten personellen Einsparungen in den Kliniken.

Bei solcher Arbeitsverdichtung müssen einfach mehr Fehler gemacht werden, indem zum Beispiel aufwendige Hygienemaßnahmen nicht so effizient durchgeführt werden, wie sie nach den Kriterien des Robert- Koch-Instituts vorgeschrieben sind. In einem bundesweiten Vergleich von Krankenhäusern schneiden die Hygieneverhältnisse auf der Neugeborenenintensivstation in dem wegen des Todes dreier Frühchen in die Schlagzeilen geratenen Klinikum Bremen-Mitte äußerst schlecht ab.

Viele Zimmermädchen bekommen keinen echten Stundenlohn, sondern werden pauschal danach „bezahlt“, wie viele Zimmer sie gereinigt haben, und somit dermaßen gering entlohnt, dass sie hinterher nur auf 600 Euro im Monat kommen und davon nicht leben können, weil mit externen Dienstleistern der Mindestlohn kreativ umgangen werden soll.

Ich weiß es nicht, ob die Kliniken ebensolche Verträge mit „outgesourcten“ Hygiene-Mitarbeitern haben, aber ich weiß, dass Menschen keine Maschinen sind, die unbegrenzt immer mehr in immer kürzerer Zeit erledigen müssen, um auf ein Gehalt zu kommen, von dem sie ihre Lebenshaltungskosten bezahlen können. Klar ist nur, dass die Schwächsten am meisten unter den brachialen Kürzungen im Gesundheitsbereich zu leiden haben, und das sind nun mal die kleinen zarten Frühchen, deren Immunsystem noch völlig unreif ist. Mein Mitgefühl gilt den verwaisten Eltern!

 

2. Noch läuten keine Glöckchen die Vorweihnachtszeit ein, sondern es bläst der frische Herbstwind das bunte Laub von den Bäumen. In Bremen haben bestimmt die meisten Menschen einen (teuren) Rewe-Markt in ihrer Nähe. Seit etwa einer Woche werden die dort einkaufenden Kunden dazu aufgefordert, gemeinsam „Gutes“ zu tun. Wie das geht? Nun, alle sind eingeladen, sich als Gutmenschen zu fühlen, indem sie eine Plastiktüte für fünf Euro erwerben, die dann in eine Spendenbox des jeweiligen Marktes gelegt werden soll und direkt an die „Tafeln“ in der Umgebung weitergeleitet wird.

Die Tüte soll mit haltbaren Lebensmitteln zusammengestellt sein, die dringend benötigt, aber selten gespendet würden. Ich sah mir an, was darin enthalten ist und entdeckte lauter „Ja“-Produkte, die zu meinem Erstaunen bis 2013 haltbar sind: ein Päckchen mit Kartoffelknödel-Pulver, ein Tütchen mit Milchreis, eine Schachtel mit Pfefferminzteebeutelchen, ein Tütchen Weinsauerkraut, ein Päckchen Haferflocken, ein Beutel Gnocchi, ein Glas Rotkohl, eine Dose Maiskörner, eine Dose mit geschälten Tomaten, ein Päckchen Eiernudeln. Warum sind „Ja“-Produkte so günstig? Weil an bunter Werbung für die No-Name-Produkte gespart wird, oder weil Rewe den Erzeuger kaum etwas verdienen lässt?

Nie würde ich mich mit den vermeintlichen Gutmenschen zusammentun und dieses Projekt unterstützen, damit sich der Staat weiter aus seiner Pflicht ziehen kann, gefälligst wie ein echter Sozialstaat dafür zu sorgen, dass alle Menschen hier wirklich genügend Geld haben und nicht nur so eine Pseudo-Grundsicherung! Darf Rewe noch am Umsatz der „Tafel“-Spender unter den Kunden mitverdienen? Es ist doch ein Skandal, dass es bald 900 „Tafeln“ gibt, die regelmäßig rund eine Million bedürftige Personen mit Lebensmitteln versorgen, von denen beschämenderweise ein Drittel Kinder und Jugendliche sind.

Aber Rewe scheint stolz darauf zu sein, dass der Konzern der größte Spender von Lebensmitteln an die „Tafeln“ und einer der ältesten Förderer des „Bundesverbandes Deutsche Tafel“ ist. Wolfgang Wieland, Bundestagsabgeordneter der Grünen, bezeichnete die „Tafeln“ als Ausdruck wachsender Armut und Versagens des Staates. Werner Schulten, Bundesvorstandsmitglied der Linkspartei, forderte die Überwindung des „Tafel“-Systems, denn die Versorgung Bedürftiger gehört zu den Aufgaben des Staates und nicht eines Charity-Modells.

Der Soziologe Stefan Selke stellte fest, dass die „Tafeln“ eine Symbiose mit der Politik eingegangen seien, indem sie sich für einen Ausgleich der Folgen des Sozialabbaus instrumentalisieren ließen. „Tafeln“ machen Armut sichtbar und behandeln nur deren Symptome. Sie tragen ungewollt zur Normalisierung von Armut und einer Stärkung der Politik bei, die sich der Armutsbekämpfung verweigert.

Mit dem „Tafel“-System wird die Menschenwürde mit Füßen getreten und eine Voraussetzung geschaffen, dass der Staat meint, seiner Pflicht nicht nachkommen zu müssen, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in diesem Land überall einkaufen können, was sie wollen und brauchen, und nicht bloß das, was andere ihnen zubilligen oder „spenden“, weil das Verfallsdatum abgelaufen ist und sie es so nicht entsorgen müssen. Wozu gibt es denn die Armen, die Müll schlucken sollen? Auf Dauer muss hier eine andere, wirklich soziale Lösung gefunden werden wie ein unabhängiges Grundeinkommen!

In einer Studie wurden Hartz-IV-Bezieher befragt, wie sie sich beim Besuch einer „Tafel“ fühlen: Bei ihnen kommt Scham auf, sie möchten dort nicht gesehen werden, ungern mit Verwandten darüber sprechen. Die „Tafel-Kunden“ leiden unter gesellschaftlicher Abwertung, fehlender Anerkennung und mangelndem Selbstwertgefühl. Eltern schämen sich vor den eigenen Kindern, weil sie eben nur Mangelware aus zweiter Hand erhalten und nicht wie alle anderen einkaufen können. Dennoch übernahmen die Ministerinnen Ursula von der Leyen und deren Nachfolgerin Kristina Schröder jeweils eine Schirmherrschaft.

Ich weiß nicht, ob sie selbst tatsächlich daran glauben können, „Gutes“ zu tun, wenn sich der Sozialstaat immer weiter zurückzieht und ein Mäzenatentum an seine Stelle tritt, das großzügige Mildtätigkeit nach Belieben verteilen oder auch einstellen kann, wodurch die Verantwortung für Mängel im Sozialsystem nicht an den Staat, sondern jeweils an den einzelnen zurückverwiesen wird. Nicht die finanziell Armen sollten sich schämen, sondern die Politiker, die sich aus der Verantwortung ziehen und in diesem reichen Land solche erbärmlichen Zustände wie die „Tafeln“ ermöglichen und begünstigen!

 

3. Letzte Woche meldete die Bundesagentur für Arbeit, dass es im ersten Halbjahr 2011 so viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher gegeben habe wie noch nie. Jeden Monat wurden in diesem Zeitraum durchschnittlich 147.000 Personen mit Regelsatzkürzungen von durchschnittlich 89 Euro für vermeintliches Fehlverhalten bestraft – als ob Hartz-IV-Bezieher massenhaft Arbeitsangebote ablehnen würden. Wie das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom Februar 2010 bestätigte, ist diese Sanktionspraxis, die das angebliche Existenzminimum unterschreitet, natürlich nicht nur verfassungswidrig, sondern beschädigt auch die Würde des Menschen, insbesondere bei den Unterfünfundzwanzigjährigen, die noch drastischer sanktioniert werden. Leider ist „Die Linke“ die einzige Partei, die eine sanktionsfreie Mindestsicherung fordert, mit der endlich alle Sanktionen nach dem Sozialgesetzbuch II und alle Leistungseinschränkungen nach SGB XII abgeschafft würden.

Nur ein eigentlich gar nicht erwähnenswertes klitzekleines Grüppchen verweigert die Arbeit, sodass Sanktionen vorwiegend verhängt werden, wenn Betroffene gegen Auflagen verstoßen, die sie zum Teil nicht einmal kennen, stecken doch hinter den Sanktionen häufig Zielvorgaben der Jobcenter-Mitarbeiter(innen). Gegenwehr lohnt sich immer: 2010 waren 73 Prozent der Sanktionen rechtswidrig. In den Fällen, die vor Gericht landeten, erhielten 55 Prozent der Kläger Recht.

Der CDU-Unterhändler bei den Berliner Koalitionsverhandlungen, Stoffel, äh: Frank Steffel, strebt freilich eine „härtere Gangart“ gegen Hartz-IV-Bezieher an. Er fordert einen „Paradigmenwechsel“ in der Arbeitsmarktpolitik und postuliert auf Stammtischniveau, dass „wir“ es „nicht länger hinnehmen“ könnten, dass Berliner es sich „auf Kosten der Allgemeinheit“ ohne Arbeit „bequem“ machten. Um das Ziel des neuen rot- schwarzen Senats, eine Verringerung der Hilfsquote um zehn Prozent in den kommenden fünf Jahren, zu erreichen, müssten die Jobcenter „notfalls“ mehr Sanktionen verhängen.

Auch soll die Zahl der rund 300.000 Hartz-IV-Haushalte um 30.000 reduziert werden. Wollen sie halt bei den finanziell Schwächsten sparen? Da die Erwerbslosen nicht in nicht vorhandene Arbeitsplätze zu pressen sind, „müssen“ sie weggestraft werden, obwohl das bekanntermaßen verfassungswidrig ist! Sollte Steffel ein Scherzkeks sein, der, wenn er davon redet, es sei nicht mehr tolerierbar, dass Berliner es sich „auf Kosten der Allgemeinheit“ ohne Arbeit „bequem“ machten, eigentlich gar nicht die Erwerbslosen, sondern die „Bonzen“ meint?

 

4. Nach den Zahlen des jüngsten Gutachtens der „Wirtschaftsweisen“ wird in den kommenden Jahren der Hartz-IV-Regelsatz in schwindelerregende Höhen steigen und bereits ein Jahr später um weitere neun Euro in die Höhe katapultiert werden. Dieser Boom liege an der Koppelung der Hartz-Sätze an die Inflation und die Löhne, die in den nächsten Monaten kräftig steigen würden.

Mit dieser irreführenden Wortwahl, die den Anschein von unermesslich steigenden Regelsätzen vermitteln sollen – obwohl der Regelsatz ab 2011 faktisch um 30 Prozent gekürzt wurde, weil Hartz-IV-Bezieher seit Monaten durch die Verkürzung der Wirksamkeit des § 44 SGB X bei zu Unrecht nicht erbrachten Leistungen sowie durch Streichung des Elterngeldes, des Rentenbeitrages und vieles mehr geschröpft werden –, soll die Bevölkerung bewusst für dumm verkauft und manipuliert werden. Schwindelerregend sind hingegen die Milliardenbeträge, mit denen das Zocken der Bankster subventioniert wird. Oder würde Professor Wolfgang Franz, einer der „Wirtschaftsweisen“, auch selbst eine Arbeit aufnehmen, deren Entgelt so gering wäre, dass er auf Kosten der Steuerzahler „aufstocken“ müsste – des „Anreizes“ wegen?

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

Montag ist Widerstandstag!
Dom, Nep(p)tun,

Montag ist Widerstandstag!
Landesbank:

Montag ist Widerstandstag!
„Occupy“ Bremen am 11. November 2011 – Fotos: Frank Kleinschmidt

 

Die Macht der Bürger ist größer
als die der Banken

Helmut Minkus In Deutschland hat nahezu jeder geschäftsmündige Bürger ein Girokonto bei irgendeiner Bank. Vor etwa 50 Jahren haben sich damit clevere Banker neue, unerschöpfliche, riesige Einnahmequellen geschaffen. Sie verdienen Geld damit, Einkünfte und Gehälter fremder Leute einzukassieren und in einem Konto zu führen. Dafür werden Gebühren verlangt. Früher bekamen Beschäftige ihre Verdienste als Geld direkt vom Arbeitgeber, und man verwaltete und „lagerte“ sein Geld selbst. Heute muss jeder seinem Geld hinterherlaufen und darauf hoffen, dass es nicht schon gepfändet ist, bevor man selbst etwas bekommen hat.

Die Banken lagern das Geld der Kunden bekanntlich nicht, sondern geben es sofort wieder aus. Sie kaufen Aktien oder versuchen gar, mit amerikanischen Privatbanken Geschäfte mit möglichst hohen Gewinnen zu machen. Banken haben in Wirklichkeit außer Zahlen wirklich nichts, doch lassen sie sich damit Finanzpaläste bauen oder zahlen ihren gewissenlosesten Spekulanten die höchsten Gehälter. Das funktioniert, weil tatsächlich die meisten Bundesbürger einen großen Teil ihres Geldes bei den Banken „gelagert“ haben müssen. Es würde nicht mehr so funktionieren und gäbe große Pleiten für die Banken, wenn alle Bürger ihre Gelder sofort abheben wollten. Das ist möglich, und damit wäre bewiesen, dass Banken tatsächlich mit nichts gute Geschäfte machen.

Am besten verdienen sie an Kunden, die ihr Konto möglichst hoch überziehen, nämlich 17 Prozent Überziehungszinsen. Das ist schlicht skrupellos, und ich kann nur jedem dringend raten, sich das nicht gefallen zu lassen. Überziehen Sie also niemals Ihr Konto! Weitere aktuelle Beispiele zeigen, wie krank das globale Bankensystem geworden ist und wie damit eine gesunde Wirtschaft verseucht wird: Die Hypo Real Estate Bank „verrechnet“ sich um 55 Milliarden Euro zugunsten des Bundeshaushaltes. Warum das gemacht wurde, ist mir nicht klar.

Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat die französische Zahlungsfähigkeit beziehungsweise ihr Staatseigentum abgewertet. Auf einen solchen Unsinn reagiert die Börse sehr stark mit Kursschwankungen: Der Eurokurs fiel, und die europäische Wirtschaft wurde damit geschwächt. Das war kein Versehen, sondern ein Versuch, die marode US-amerikanische Wirtschaft etwas aufzubessern. Dazu muss die Konkurrenzwährung, hier der starke Euro, abgewertet werden. Die Macht hat die amerikanische Zentralbank: Alle Ratingaenturen werden von ihr finanziert und arbeiten somit in ihrem Auftrag. Sie ist nicht kontrollierbar und von außen nicht zu regulieren. Sie ist ein Zusammenschluss von Privatbanken, die keinerlei Gesetzen unterliegt.

Mit solchen amerikanischen Banken versuchten europäische Banken seit Jahren, „ehrliche Geschäfte“ zu machen. Sie haben dafür in ganz Europa ihre Sparkunden, Zwangs-Girokunden und Kreditschuldner abgezockt, sich selber und den Euro-Kurs aber fast in den Wirtschaftsruin getrieben. Sie haben wohl geglaubt, mit den größten Gaunern der Welt Gewinne machen zu können. Sie haben dabei allerhand abbekommen: Einige sind trotz staatlicher Finanzhilfen pleite gegangen. Das haben sie durch eigene Misswirtschaft selbst verschuldet.

Doch die Banken hätten viel weniger Chance auf große Gewinne, wenn es nicht so viele von uns Zwangskunden gäbe. Wir sitzen am längeren Hebel und müssen das auch für uns nutzen. Verlangen Sie von Ihrer Bank klare Auskünfte und ehrliche Geschäfte! Hinterfragen Sie die Selbstverständlichkeit der Kontoführungsgebühren! Schützen sie Ihr Konto vor Pfändung und überziehen Sie niemals Ihr Konto! Nehmen Sie keine Kredite auf. wenn Sie kein professioneller Unternehmer sind! Gehen Sie auf die Straße, wenn Sie sich betrogen fühlen! Occupy!

Helmut Minkus (parteilos)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz