23.11.2006

345 Euro im Monat müssen reichen

Bundessozialgericht: Regelsatz verstößt nicht gegen die Verfassung / "Keine soziale Ausgrenzung"

 
 
Foto: dpa
   

KASSEL (DPA). Hartz-IV-Empfänger werden auch weiter mit dem Regelsatz von 345 Euro im Monat auskommen müssen. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts  verstoßen die wichtigsten Regelungen der zwei Jahre alten Arbeitsmarktreform nicht gegen das Grundgesetz. Eine Klage gegen die Höhe des Arbeitslosengeldes II und die Anrechnung von Partnereinkommen lehnten die Kasseler Richter im ersten Prozess zur Höhe des Regelsatzes ab.

Nach Auffassung des Senats ist der Regelsatz sowohl mit dem materiellen als auch mit dem so genannten soziokulturellen Existenzminimum vereinbar. Er führe nicht automatisch zu einer gesellschaftlichen Ausgrenzung von Hartz-IV-Empfängern (Az: B 11b AS 1/06 R). Die Richter billigten dem Gesetzgeber einen Spielraum bei der Festsetzung der Leistungen zu. Selbst wenn es dabei fachliche Fehler gegeben haben sollte, habe das noch keine verfassungsrechtliche Relevanz.

Im vorliegenden Fall hatte eine Frau aus Baden-Württemberg geklagt, weil ihr die Zahlung des Arbeitslosengeldes verweigert worden war. Die Richter errechneten wegen der Rente des Ehemannes und des Kindergeldes bei der dreiköpfigen Familie ein Einkommen von etwa 1050 Euro monatlich. Dem stehe ein nach den Hartz-Sätzen - zwei Mal der Grundbetrag plus die Miete - berechneter Bedarf von 858 Euro gegenüber. "Damit ist schon mathematisch klar, dass eine Hilfebedürftigkeit nicht besteht", sagte die Vorsitzende Richterin Ruth Wetzel-Steinwedel. Fehler bei der Festsetzung des Regelsatzes seien nicht erkennbar. In der juristischen Fachliteratur gebe es zwar durchaus Bedenken gegen die Festsetzung der Regelbeträge anhand von Statistiken und Mittelwerten. Verfassungsrechtlich relevant sei das aber nicht.

Der Anwalt der Frau, Bernd Wieland, will nun eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vorbereiten. Seine Mandantin sei der "klassische Fall" eines unverschuldet in Not geratenen Menschen. Die heute 49-Jährige sei nur auf Grund langer Krankheit in die Abhängigkeit der sozialen Sicherungssysteme geraten. Der Fall mache deutlich, dass die Paragrafen 20 und 11 des Sozialgesetzbuches II, die die Höhe des Regelsatzes von 345 Euro und die Anrechnung von Partnereinkommen festlegen, gegen das Grundgesetz verstießen. Der Regelsatz sei so knapp bemessen, dass das "soziokulturelle Existenzminimum" nicht gewährleistet sei.

Zudem sei die Berechnung des Bedarfs anhand von Statistiken unrealistisch, weil die vorhandenen Werte veraltet seien und einen zu groben Schnitt wiedergäben. "Die Richter gehen offenbar von der romantischen Vorstellung aus, Hartz sei nur eine Phase und die Betroffenen seien schnell wieder auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich", sagte Wieland.

Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Katja Kipping, verlangte eine Klärung durch das Bundesverfassungsgericht. Der Regelsatz gewährleiste "kein menschenwürdiges Existenzminimum".

© Bremer Tageszeitungen AG



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