21.9.2006

CDU kritisiert "Unglaublichkeiten"
Klinik-Affäre: Union wird Akteneinsicht beantragen / Bürgermeister Böhrnsen stärkt Senatorin Röpke den Rücken

Von unserem Redakteur
Peter Voith

 
 
Lehnt Stärkung der Klinik-Holding ab: Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert. Foto: Stoss
   
BREMEN. Trotz Rückendeckung von Bürgermeister Jens Böhrnsen bleibt Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) wegen der Klinik-Affäre unter Druck. Ihr CDU-Regierungspartner ließ gestern offen, wie er sich bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag gegen Röpke verhalten wird. Auch nach dem Bericht des Sonderermittlers haben die Christdemokraten noch Aufklärungsbedarf. Sie wollen nun Akteneinsicht beantragen.

CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau lobte in einer Pressekonferenz zwar die akribische Aufarbeitung des Sonderermittlers Hans-Jürgen Ziemann. Aber auf die Frage, welche Rolle Senatorin Röpke bei der "abenteuerlichen" Einstellung des vorbestraften und jetzt der Untreue beschuldigten Ex-Geschäftsführers des Klinikums Bremen Ost (KBO) gespielt habe, seien im Ziemann-Bericht keine ausreichenden Antworten zu finden.

Ebenso wenig habe er Antworten darauf gefunden, warum die Gesundheitsbehörde nicht bereits im Mai aktiv geworden sei, nachdem ein hochrangiger Behördenmitarbeiter kritische Fragen zur Person Lindners und dessen Verhältnis zu den Siekertal -Kliniken aufgeworfen hatte. Wie vor kurzem bekannt geworden war, ist Andreas Lindner der eigentliche Eigentümer des Klinikverbundes, mit dem er als KBO-Chef dicke Geschäfte machte.Antworten auf die Frage, wie es zu solchen "Unglaublichkeiten" kommen konnte, hat Perschau im Ziemann-Bericht indes ausgemacht:

"Das liegt am System." Danach seien die vier kommunalen Klinik-Geschäftsführer nur ihrer Klinik und ihrem Aufsichtsrat verpflichtet. Das bedeute: Die Klinikchefs seien nicht dem großen Ganzen, also der Holding, gegenüber verantwortlich. Perschau: "Im Grunde kann jeder machen, was er will." Für den CDU-Fraktionschef liegt deshalb die Konsequenz aus den Vorgängen im KBO auf der Hand: "Zwingend erforderlich" sei eine GmbH (Holding) mit vier Betriebsstätten (den kommunalen Kliniken).

Es dürfe nicht so weitergehen, "dass die Holding mehr oder weniger machtlos bleibt". Warum angesichts dessen die Senatorin nunmehr ein Gutachten zur "Weiterentwicklung des Klinikverbunds" einholen wolle, stieß bei der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU, Rita Mohr-Lüllmann, auf Unverständnis: "Wir wissen, wo wir mit unseren Kliniken stehen. Wir brauchen kein weiteres Gutachten." Außerdem erklärte sie, Senatorin Röpke trage weiter die politische Verantwortung für den Skandal im Klinikum Ost "und den immensen Imageschaden für die kommunalen Krankenhäuser in Bremen".

In knapp drei Wochen muss sich Karin Röpke einem Misstrauensantrag der Grünen stellen. Wie sich die CDU dabei verhalten wird, blieb gestern offen. Hartmut Perschau erklärte lediglich, diese Frage stehe "im Moment nicht im Zentrum". Und wie steht die CDU zur Diskussion um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses? Perschau sagte lediglich, dieser sei vorrangig "ein Instrument der Opposition".

Ob die Grünen zu diesem "schärfsten Schwert des Parlaments" greifen werden, wollen sie heute in einer Sondersitzung der Fraktion beraten. Uwe Woltemath, neuer Chef der FDP erklärte, vor dem Hintergrund der mangelnden politischen Aufsicht und vieler Ungereimtheiten sei ein Untersuchungsausschuss "unumgänglich". Kommt jetzt eine starke Holding? Während die CDU diese Konstruktion befürwortet, lehnen die Grünen sie ab. Fraktionschefin Karoline Linnert: "Ich halte nichts von zentralistischen Planwirtschaftsmodellen Marke DDR".

Und weiter: "Ich mag mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn die Herren Tissen und Lindner das Sagen über alle vier kommunalen Kliniken gehabt hätten." Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hat unterdessen seine Parteifreundin und Senatskollegin Röpke vor politischen Angriffen in Schutz genommen: "Karin Röpke hat mein volles Vertrauen."

Sie habe "entscheidenden Anteil daran, dass die Wahrheit der Klinikaffäre ans Licht gekommen ist". Sie sei ihrer politischen Verantwortung gerecht geworden und habe die Aufklärung "umgehend zur Chefsache gemacht". Vornehmlich an die Adresse der CDU gerichtet, erklärte er: "Ich gehe davon aus und erwarte, dass die Große Koalition Karin Röpke jetzt den Rücken (...) stärkt und den von den Grünen angekündigten Misstrauensantrag (...) überzeugend zurückweisen wird."

© Bremer Tageszeitungen AG



DRUCKEN   |   FENSTER SCHLIESSEN